Wirtschaft

Gewerbe-Immobilienmärkte stehen vor einer massiven Schuldenspirale

Der weltweite Immobilieneinbruch hat den Sektor für Gewerbeimmobilien getroffen. Der Rückgang bei Transaktionen wird wirtschaftliche Auswirkungen haben und bedeutet ein Risiko für viele Arbeitsplätze.
29.01.2023 00:46
Lesezeit: 3 min
Gewerbe-Immobilienmärkte stehen vor einer massiven Schuldenspirale
Das Stratford Centre in London, Großbritannien. Die Auswirkungen der höheren Zinssätze weltweit haben Gewerbeimmobilien-Märkte stark getroffen. (Foto: dpa) 

Der globale Immobilienmarkt-Einbruch hat sich von Wohnimmobilienmärkten auf Gewerbeimmobilien – von Büros bis zu Einkaufszentren – ausgeweitet und droht, in der Weltwirtschaft eine Welle von Kredit-Turbulenzen auszulösen.

Den von Bloomberg zusammengestellten Daten zufolge sind Immobilienkredite in Höhe von fast 175 Milliarden US-Dollar bereits in Schwierigkeiten geraten. Während die Auswirkungen der höheren Zinssätze zunehmen, sind viele Immobilienmärkte fast eingefroren und einige Kreditgeber fordern Kreditnehmer auf, Vermögenswerte zu verkaufen oder eine Zwangsvollstreckung zu riskieren.

Laut einer Studie der Anwaltskanzlei Weil, Gotshal & Manges sind die Notlagen im europäischen Immobiliensektor so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr, was zum Teil auf einen Rückgang der Liquidität zurückzuführen ist. MSCI-Daten zeigen, dass Gewerbeimmobilien-Werte in Großbritannien in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 um mehr als 20 Prozent gefallen sind, während nach Angaben von Green Street der Rückgang in den USA neun Prozent betrug.

Globale Auswirkungen

Bloomberg zufolge wird der Rückgang der Transaktionen bei Gewerbe- und Wohnimmobilien mit Sicherheit wirtschaftliche Auswirkungen haben, und dies könnte wiederum ein Risiko für Arbeitsplätze weltweit sein. Ian Guthrie, Leitender Geschäftsführer bei Immobilienmakler Lang LaSalle, sagt, der derzeitige globale Immobilienabschwung ist gekennzeichnet durch eine einzigartige Reihe von wirtschaftlichen Umständen.

„Zinssätze ziehen an und es gibt eine Reihe von potenziell ausfallgefährdeten Krediten, bei denen die Werte und die Cashflows unter Druck stehen. Dieses Jahr werden wir die Probleme sehen.“ Laut Guthrie ist etwa einer aus zehn Unternehmenskrediten in Europa bereits in Schwierigkeiten geraten und weist ein erhöhtes Kreditrisiko auf.

Ende des „leichten Geldes“ für Immobilienfirmen

Das abrupte Ende von mehr als einem Jahrzehnt des „leichten Geldes“ für Immobilienunternehmen wurde durch die Pandemie verschlimmert, weil die Art und Weise, wie Menschen arbeiten und leben, sich radikal verändert hat. Bloomberg zufolge wurden viele Gewerbeimmobilien-Eigentümer vollkommen überrumpelt von dieser neuen Marktentwicklung.

Die Konsequenzen sind nun in der ganzen Welt zu spüren. Im November warnte ein Brookfield-Immobilienunternehmen, dass es Schwierigkeiten haben könnte, die Schulden für zwei Hochhäuser in der Innenstadt von Los Angeles zu refinanzieren, und stellte Zwangsversteigerungen in Aussicht. Barclays Bank- Analysten bezeichneten dies als „besorgniserregend“ für den Markt.

In Korea löste die ausbleibende Schuldenzahlung von dem Entwickler des Themenparks Legoland Korea eine Kreditkrise in dem Land aus, und die Zentralbank sah sich gezwungen zu handeln um die Märkte zu stabilisieren. Und die australische Caydon Property Group machte Korona-Lockdowns und steigende Zinssätze dafür verantwortlich, dass sie unter Konkursverwaltung geriet.

Andreas Dombret, der im Vorstand der Deutschen Bundesbank tätig war, wies darauf hin, dass Gewerbeimmobilien empfindlicher auf Wirtschaftslagen reagieren als andere Anlageklassen. „In der Vergangenheit, als die Blase in Immobilienmärkten platzte, hing dies sehr oft zusammen mit Gewerbeimmobilien. Aber es ist schwer, die Party zu ruinieren, deshalb schrecken die Behörden oft davor zurück, antizyklische Puffer zum richtigen Zeitpunkt einzuführen: wenn es keinen Stress auf dem Immobilienmarkt gibt.“

In Großbritannien drohen reihenweise Notverkäufe

In Großbritannien sieht es besonders schlecht aus. Experten erwarten, dass es unter den britischen Bauträgern zu Notverkäufen kommen wird. In Großbritannien verzeichnen Immobilienpreise Anfang-2023 den stärksten Rückgang seit der Finanzkrise im Jahr 2009.

Nach Angaben des Hypothekenfinanzierers Halifax, sinken britischen Hauspreise wegen steigender Zinsen, hoher Inflation und der erwarteten Rezession so stark wie seit der globalen Finanzkrise 2009 nicht mehr. Damit mehren sich die Hinweise auf einen Abschwung am britischen Immobilienmarkt. Der Bank of England zufolge haben die Banken im November weit weniger Hypothekenkredite bewilligt als erwartet, und eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Und in Deutschland haben stark steigende Preise, höhere Kreditkosten und Materialengpässe den Bauboom gestoppt: Das reale Bauvolumen ist erstmals seit Jahren in Jahr 2022 um zwei Prozent gesunken, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Für das laufende Jahr sagen die Berliner Forscherinnen und Forscher einen Rückgang in ähnlicher Höhe voraus, und erst im Jahr 2024 werde das Bauvolumen inflationsbereinigt wieder im Plus liegen. Vor allem der Bau von Wohnungen ist demnach überproportional von den Rückgängen betroffen, sagte das Institut.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...