Finanzen

Nach Krisenjahr: Steht der Kryptomarkt 2023 vor der Gesundung?

Lesezeit: 5 min
29.01.2023 00:43
Im Jahr 2022 gab es auch Fortschritte und Erfolgsmeldungen in der Kryptobranche. Doch das wurde durch Skandale wie den um die Kryptobörse FTX und weitere überschattet. 2023 könnten Kryptowährungen ein Comeback bei den Anlegern erleben.

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Auf jedem Boom folgt eine Konsolidierung. Das ist eine eiserne Regel an den Börsen. Das gilt auch für das vergleichsweise neue Segment der Kryptowährungen, die eigentlich ein Gegenentwurf zu den etablierten Währungen und Finanzmärkten sein sollen. Und so erwischte es 2022 die Kryptobranche recht heftig. Nach den Kursrekorden des Bitcoins im Jahr 2021 mit einem Hoch bei mehr als 67.000 US-Dollar schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann die Preise sechsstellig werden.

Doch die Euphorie endete abrupt im vergangenen Jahr und es folgte ein schmerzhafter Abwärtstrend im Gleichklang mit den Aktienmärkten. Eine rasant steigende Inflation, weltweit anziehenden Zinsen, Sorgen um die Weltwirtschaft und ein Krieg mitten in Europa trafen die Branche ins Mark. In der Spitze büßte allein der Bitcoin mehr als zwei Drittel seines Werts ein- ähnlich hart traf es viele andere Digitalwährungen wie Ethereum oder Solana.

Kryptobranche wird erwachsener

Dabei wurde die Kryptobranche auch im vergangenen Jahr ein Stück erwachsener. So glückte im Herbst die reibungslose Umstellung der Ethereum-Blockchain, einem Mammutvorhaben dezentraler Entwickler. Mit dem sogenannten „Merge“ hat sich die Funktionsweise der zweitwichtigsten Kryptowährung und Blockchain grundlegend geändert. Eine bemerkenswerte Folge dieser technischen Umstellung: Der Stromverbrauch sinkt um etwa 98 Prozent – und so konnte Ethereum einen wichtigen Kritikpunkt aus dem Weg räumen. Auffallend war auch, dass im Laufe des vergangenen Jahres immer mehr institutionelle Anleger das niedrige Kursniveau zum Einstieg nutzten und namhafte Adressen aus der regulierten Finanzwelt ihre Dienste auf Kryptoanlagen ausweiteten.

Es gab 2022 also einige Anzeichen dafür, dass der Sektor aus der unübersichtlichen, wilden Phase herauswächst und die Akzeptanz in der Finanzbranche weiter voranschreitet. Einen wichtigen Beitrag hierzu wird die Krypto-Regulierung „Markets in Crypto Assets“ (MiCA). MiCA sollte Anfang 2023 in Kraft treten (wird nach einer Übergangsphase aber erst ab 2024 greifen) und für mehr Anlegerschutz sorgen: Demnach sollen künftig in der EU nur noch von einer nationalen Finanzaufsichtsbehörde lizenzierte Anbieter im Kryptomarkt agieren dürfen. Europa nimmt hierbei weltweit eine Vorreiterrolle ein.

Die EU-Kommission will mit einem harmonisierten Regulierungsrahmen Innovationen fördern und die Nutzung des Potenzials von Kryptowerten „unter Wahrung der Finanzstabilität und des Anlegerschutzes“ ermöglichen. Hingegen steht der Regulator in den USA der Kryptowelt nach wie vor skeptisch gegenüber. SEC-Chef Gary Gensler gilt gleichermaßen als Kenner in Sachen Kryptoanlagen wie auch als Skeptiker hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit vieler Anbieter.

Darunter leidet auch das Angebot im regulierten Kapitalmarkt. So warten noch zahlreichen Krypto-ETFs auf den Zulassungsbescheid der US-Börsenaufsicht. In Europa haben Investoren hingegen die Wahl zwischen über 80 ETPs auf Kryptowährungen, die meisten davon mit physischer Hinterlegung. Diese regulierten, ETF-ähnlichen Produkte erleichtern privaten wie professionellen Anlegern den Einstieg in die Assetklasse und sorgen für Vertrauen.

FTX-Pleite sorgt für „Lehman-Moment“

Doch dieses Vorhaben kommt für jene Krypto-Anleger zu spät, die die unregulierte Handelsplattform FTX für den Handel und die Verwahrung nutzten. Gründer Sam Bankman-Fried hat mit der Pleite seines Unternehmens den Sektor kräftig durchgeschüttelt und weitere Pleiten nach sich gezogen. Wahrscheinlich gab es noch kein einzelnes Krypto-Ereignis, was den digitalen Währungen so sehr geschadet, so viele Milliarden Dollar und noch mehr Vertrauen gekostet hat.

Selbst ein guter Teil der Kursverluste bei Bitcoin, Ethereum und Co. kann sich auf die Causa FTX zurückführen lassen. Dieser „Lehman-Moment“ der Industrie war aber nur das i-Tüpfelchen auf ein skandalreiches Jahr. Vor der FTX-Pleite waren bei Attacken auf das Poly und das Ronin-Netzwerk 2021/22 über 1,2 Mrd. US-Dollar in Kryptos erbeutet worden. Zuletzt war Binance, die zweitgrößte Kryptobörse der Welt, Opfer eines spektakulären Hacks mit Vermögensschäden im dreistelligen Millionen-Dollar-Bereich geworden. Hacker-Angriffe und Betrugsfälle sind für die Branche zu einem Vertrauensproblem geworden.

Insofern bot das vergangene Jahr jede Menge Licht und Schatten für die Kryptowelt und die Anleger. Die Schatten könnten die notwendige Kur gewesen sein, die eine Branche benötigt, um sich zu professionalisieren und endlich in der etablierten Finanzwelt anzukommen. Viele beschwören zwar einen langen „Kryptowinter“, doch die Kursgewinne in den ersten Januarwochen 2023 zeigen, dass genug Käufer bei niedrigen Kursen wieder investieren. Allerdings muss auch das Vertrauen der breiten Anlegerschaft zurückgewonnen werden.

Kryptowährungen in der etablierten Finanzwelt angekommen

Fakt ist jedenfalls, dass die etablierten Finanzunternehmen Kryptowährungen angenommen haben. So bietet BNY Mellon, Amerikas älteste Bank und die weltweit größte Depotbank, seit Anfang Oktober seine Custodian-Dienste auch für Bitcoin und Ethereum an. Die Mitte Oktober veröffentlichte Mitteilung der BNY Mellon dürfte damit eine der wichtigsten Neuigkeiten für den Kryptosektor gewesen sein: Kunden von BNY Mellon können nun auch die digitalen Vermögenswerte Bitcoin (BTC) und Ethereum (ETH) bei BNY Mellon verwahren, verwalten und transferieren lassen, so wie Fondsmanager es für traditionelle Vermögenswerte in Anspruch nehmen. Käufe über unregulierte Handelsplätze wie FTX sind somit obsolet geworden.

BNY Mellon steht mit ihrem Schritt übrigens nicht ganz alleine da. Euroclear, die globale Nummer Drei im Markt der Wertpapierverwahrer, gab bereits im März 2022 bekannt, dass sie in Zusammenarbeit mit anderen Banken ein tokenisiertes Zahlungssystem für Vermögenswerte aufbauen will. Die Möglichkeit, Assets bei einem etablierten Custodian verwahren zu können, ist für viele Institutionelle Investoren das A & O. Und so öffnet sich der Markt immer weiter. Der Kreditkartenriesen Mastercard beispielsweise ist als Dienstleister in den Kryptohandel eingestiegen, ebenso wie so manche lokale Volksbank in Deutschland.

Und selbst die notorischen Krypto-Nörgler von JPMorgan haben als erstes traditionelles Finanzinstitut in einem Pilotprojekt eine Dezentrale Finanztransaktion (DeFi) auf einer öffentlichen Blockchain ausgeführt. Es tut sich also einiges. Für die Tauglichkeit von Kryptowährungen als Anlageklasse spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass Schwergewichte wie MSCI und FTSE mit Indizes für Digital Assets 2022 auf den Markt kamen.

Eine andere Möglichkeit ist das Investment in börsennotierte Cryptocurrencies (ETC), die auch Privatanlegern offenstehen. Sie werden von einer Handvoll Anbieter auch als deutsche Wertpapiere mit physischer Hinterlegung angeboten und bergen damit nur ein geringes Emittentenrisiko in sich. Sie können ähnlich wie Gold-ETF an der Börse gekauft und in ein ganz normales Wertpapierdepot eingebucht werden. Das Risiko von Hackerangriffen besteht hier nicht.

Was verspricht 2023 den Kryptoanlegern?

Mit diesem Eintritt der etablierten Finanzkonzerne in diesen Sektor sind Grundlagen gelegt worden, damit mehr und mehr Anleger in Kryptos investieren können. Dabei sind Anlagen in Digitalwährungen auch aus Sicht der Diversifikation des Portfolios eine Überlegung wert.

Sie weisen zwar bisher eine hohe Volatilität auf, allerdings zeigen sie eine geringe Korrelation mit der Wertentwicklung anderer Assetklassen. So kann mit einem Investment in Kryptowährungen das Risiko des Gesamtportfolios ausbalanciert werden. Der Bitcoin als größte Kryptowährung der Welt hat beispielsweise eine Korrelation von 0,4 zum MSCI World und auch zum Technologieindex Nasdaq, wie eine Analyse über einen Zeitraum von drei Jahren zeigt.

Beispielhaft dafür war 2022 der turbulente Börsenmonat September, als der Nasdaq 100 eine volatile Entwicklung zeigte und rund 9 Prozent an Wert verlor. Der Bitcoin handelte in dieser Zeit recht stabil im Bereich zwischen 19.000 und 20.000 US-Dollar.

Die Vorstellung, dass Kryptos nur ein Anhängsel der Tech-Indizes sind, lässt sich somit nicht aufrechterhalten. Und noch etwas macht Hoffnung für 2023: So zeigte eine Umfrage von KPMG unter 2.000 privaten Kryptoanlegern, dass acht von zehn dieser Assetklasse trotz aller Turbulenzen treu bleiben wollen.

Über den Autor: Jan Altmann ist Director Investment Strategy der ETC Group. Er gehört zu den Pionieren des ETF-Marktes in Deutschland, ist ausgewiesener Experte für Exchange Traded Products (ETPs) und arbeitete unter anderem als Analyst für das Portal justetf.com. Seine Karriere am Finanzmarkt startetet er als Mitarbeiter der Deutschen Börse AG.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um keine Form der Finanzberatung. Gastbeiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Sichtweise der Redaktion wider.

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