Finanzen

EZB erhöht Leitzinsen um halben Prozentpunkt

Lesezeit: 3 min
02.02.2023 15:16  Aktualisiert: 02.02.2023 15:16
Die EZB setzt ihren Straffungskurs mit einer erneuten Zinserhöhung fort. Zudem stellen die Notenbanker einen weiteren Schritt im März in Aussicht.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich mit einer erneuten Zinserhöhung gegen die hohe Inflation und stellt schon für März die nächste Anhebung in Aussicht. Die Währungshüter beschlossen am Donnerstag, wie schon im Dezember die Schlüsselsätze um einen halben Prozentpunkt nach oben zu setzen. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Geschäftsbanken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, steigt dadurch auf 2,50 Prozent. Zugleich stellte die EZB für März eine weitere Anhebung um einen halben Prozentpunkt in Aussicht. Dann soll der weitere Kurs bewertet werden.

"Wir wissen, dass wir noch einen Weg vor uns haben. Wir wissen, dass wir noch nicht fertig sind", sagte Notenbankchefin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss. Die Entschlossenheit der Notenbank, ihr mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen, solle nicht bezweifelt werden. "Der Preisdruck bleibt stark, zum Teil weil die hohen Energiekosten auf die gesamte Wirtschaft übergreifen."

Der deutsche Leitindex Dax legte nach der Entscheidung zu und schloss am frühen Abend 2,2 Prozent fester. Der Euro notierte mit 1,0919 Dollar schwächer. "Die EZB findet an der Zinsschraube immer mehr Gefallen", sagte Alexander Krüger, Chefökonom bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Mit dem Zinsschritt klopfe sie am konjunkturrestriktiven Zinsbereich an.

Die Kapitalmärkte drängten die Notenbanken schon wieder zu baldigen Zinssenkungen, aber zumindest die EZB bleibe standhaft bei ihrem Antiinflationskurs, erklärte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. "Die Notenbanken sollten dem Marktdruck selbst bei deutlich sinkenden Inflationsraten nicht nachgeben, denn die unterliegenden Inflationsgefahren bleiben wohl noch länger erhalten."

Ins gleiche Horn stieß der Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Notenbanken sollten bei ihren Zinserhöhungen gegen die hohe Inflation nicht zu früh das Tempo rausnehmen. Sie sollten klar an die Finanzmärkte kommunizieren, dass es wahrscheinlich nötig werde, die Zinsen länger hoch zu halten, hieß es in einem am Donnerstag veröffentlichten IWF-Blog. Dies sei nötig, bis es ausreichend Belege dafür gebe, dass die Teuerung wieder unter Kontrolle sei.

KERNINFLATION BEREITET SORGEN

Die Teuerungsrate in der nach dem Beitritt Kroatiens auf 20 Länder angewachsenen Euro-Zone war im Januar auf 8,5 Prozent zurückgegangen nach 9,2 Prozent im Dezember. Die Rate schwächte sich damit den dritten Monat in Folge ab. Doch die Währungshüter geben noch keine Entwarnung. Denn die Kerninflation, in der schwankungsreiche Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak herausgerechnet sind, verharrte zuletzt bei 5,2 Prozent. Die EZB treibt die Sorge um, dass sich die hohe Inflation verfestigen könnte und die langfristigen Inflationserwartungen aus der Spur geraten.

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte zuletzt unter anderem davor gewarnt. Andere Währungshüter wie etwa Italiens Notenbank-Chef Ignazio Visco hatten dagegen zuletzt ihre Sorge vor zu starken Zinserhöhungen zum Ausdruck gebracht. Zur März-Zinssitzung werden den Euro-Wächtern auch neue Inflations- und Konjunkturprognosen vorliegen, die für die Ausrichtung der Geldpolitik eine wichtige Rolle spielen.

Die Zinserhöhung beruht laut Lagarde auf einem breiten Konsens. Man habe gute Diskussionen im EZB-Rat geführt, sagte sie. Dabei habe es auch allgemeine Übereinstimmung darüber gegeben, dass angesichts des weiterhin hohen Inflationsdrucks die Absicht einer weiteren Zinserhöhung im März gerechtfertigt erscheine. Wie dies kommuniziert worden sei, habe jedoch nicht "volle Übereinstimmung" gefunden, räumte sie ein. "Jede Entscheidung ist Frucht eines Kompromisses."

Insidern zufolge haben Währungshüter die Sitzung mit der Erwartung von noch mindestens zwei weiteren Zinserhöhungen verlassen. Über das Erhöhungstempo und den zu erreichenden Zinsgipfel bestünden weiterhin unterschiedliche Auffassungen, sagten zwei EZB-Ratsmitglieder der Nachrichtenagentur Reuters. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab.

KONJUNKTUR ZULETZT BESSER ALS ERWARTET

Die Wirtschaft im Euro-Raum schlug sich zuletzt besser als gedacht und steuert damit vorerst nicht in Richtung einer Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von Oktober bis Dezember um 0,1 Prozent zum Vorquartal - Fachleute hatten dagegen mit einem Minus von 0,1 Prozent gerechnet. Im Sommer hatte das Wachstum noch bei 0,3 Prozent gelegen. Lagarde rechnet allerdings damit, dass die Konjunktur auf kurze Sicht schwach bleiben werde. Doch habe sich die Wirtschaft insgesamt widerstandsfähiger als erwartet erwiesen, merkte sie an.

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist die Fed mit ihrem Zinserhöhungskurs noch weiter. Sie schaltete am Mittwoch angesichts einer abflauenden Inflation in den USA einen weiteren Gang zurück. Die Federal Reserve setzte den Schlüsselsatz lediglich um einen Viertel Prozentpunkt nach oben - auf die neue Spanne von 4,50 bis 4,75 Prozent. Fed-Chef Jerome Powell bekräftigte, dass fortlaufende Zinserhöhungen angemessen seien, um die Inflation zurück zur Zielmarke zu bewegen. Die Bank of England erhöhte den Leitzins am Donnerstag das zehnte Mal in Serie - um einen halben Prozentpunkte auf 4,0 Prozent.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik Brandenburg-Koalition: SPD und BSW beschließen offiziell erste Rot-Lila-Koalition
06.12.2024

Die bundesweit erste Zusammenarbeit zwischen SPD und BSW ist in Brandenburg endgültig beschlossen. Nachdem der BSW das Vorhaben einstimmig...

DWN
Politik
Politik „Atomkraft? Nein Danke“: Habeck-Ministerium manipulierte wohl AKW-Studie für Atomausstieg
06.12.2024

Manipulation im Wirtschaftsministerium? Wie interne Unterlagen jetzt aufdecken, soll das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck gezielt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Mercosur-Abkommen: EU-Kommission erzielt Durchbruch im Handelsdeal mit Südamerika
06.12.2024

Zwischen der Europäischen Union und südamerikanischen Staaten soll eine der größten Freihandelszonen weltweit entstehen. Der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Stabilität vor neuen Impulsen – wie sollten Anleger reagieren?
06.12.2024

Rohstoffexperten haben derzeit Gold genau im Blick, weil der Goldpreis aktuell wenig Bewegung zeigt. Institutionelle Investoren und...

DWN
Panorama
Panorama Wort des Jahres 2024: Ampel-Aus
06.12.2024

Die Wahl zum Wort des Jahres 2024 spiegelt das gesellschaftliche und politische Geschehen wider. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat...

DWN
Politik
Politik Taurus-Lieferung: FDP drängt auf Marschflugkörper für die Ukraine
06.12.2024

Die FDP versucht einen neuen Vorstoß: Im Bundestag wird erneut über einen Antrag zur Lieferung deutscher Marschflugkörper an die Ukraine...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Industrieproduktion sinkt weiter – Schwäche der Autobranche belastet
06.12.2024

Die Industrieproduktion in Deutschland bleibt in der Krise und startet schwach ins Schlussquartal. Im Oktober kam es überraschend zu einem...