Politik

Berlin-Wahl: SPD stürzt auf historisch schlechtes Ergebnis

Die CDU gewinnt die Berlin-Wahl. Doch wer die Regierung führen wird, ist offen. Denn eine Reihe von Koalitionen ist nun möglich. Die AfD legt zu. Die FDP ist raus.
12.02.2023 22:11
Aktualisiert: 12.02.2023 22:11
Lesezeit: 3 min
Berlin-Wahl: SPD stürzt auf historisch schlechtes Ergebnis
Führende Berliner SPD-Politiker am Sonntag bei der Wahlparty im Festsaal Kreuzberg. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Berlin (dpa) - Triumph für die CDU, historische Schlappe für die SPD und der Abschied aus einem weiteren Landesparlament für die FDP: Die Christdemokraten mit Spitzenkandidat Kai Wegner sind bei der Wahl in Berlin mit großem Abstand stärkste Kraft geworden. Die SPD von Regierungschefin Franziska Giffey stürzte laut Hochrechnungen ab und lieferte sich am Sonntagabend ein enges Rennen mit den Grünen um Platz zwei. Die AfD legte zu und ist sicher wieder im Abgeordnetenhaus vertreten, die FDP schied knapp aus.

Die CDU schnitt so stark ab wie seit mehr als zwanzig Jahren nicht und meldete Anspruch auf Bildung einer Regierung unter ihrer Führung an. Möglich wäre etwa ein Zweierbündnis entweder mit der SPD oder den Grünen. Doch könnten auch SPD, Grüne und Linke ihre bisherige Koalition fortsetzen.

Den Hochrechnungen von ARD und ZDF zufolge gewinnt die CDU bei der Wiederholungswahl etwa zehn Prozentpunkte hinzu und kommt auf 28,1 Prozent (2021: 18,0 Prozent). Die Grünen landen bei 18,4 bis 18,5 Prozent (18,9). Die SPD liegt bei 18,4 Prozent (21,4). Die Linke rutscht auf 12,3 Prozent ab (14,1). Die AfD legt dagegen auf 9,0 bis 9,1 Prozent der Wählerstimmen zu (8,0). Die FDP verliert deutlich und scheitert mit 4,7 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde (7,1).

Die CDU käme demnach auf 48 bis 50 Sitze, die Grünen auf 31 bis 33 und die SPD ebenfalls auf 31 bis 33 Mandate. Die Linke erhielte 21 bis 22 Sitze, die AfD 16.

CDU-Spitzenkandidat Wegner sprach von einem «phänomenalen» Erfolg und sagte: «Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden.» Berlin habe den Wechsel gewählt. Er kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungen einzuladen. Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schrieb auf Twitter: «Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert.»

Giffey erkannte den CDU-Sieg an. Die Wähler wünschten sich, «dass Dinge anders werden». Ihr Ziel bleibe aber, an der Regierung zu bleiben. «Wenn wir eine Möglichkeit haben, ein Regierungsbündnis anzuführen unter SPD-Führung, dann werden wir auch versuchen, dafür eine stabile politische Mehrheit zu organisieren.» Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken pflichtete ihr bei: «Was das Ergebnis jetzt schon zeigt, ist, dass eine Regierungskoalition unter Franziska Giffey und der SPD, mit Beteiligung der SPD möglich ist.»

Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach sich für eine Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken aus. «Die jetzige Regierungskoalition hat eine klare und stabile Mehrheit», sagte sie in der ARD.

Eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot wäre eine Kampfansage an Wegner, der die CDU nun wieder nach vorn geführt hat. Der 50-Jährige ist gebürtiger Berliner, verheiratet, Vater dreier Kinder und lebt im Bezirk Spandau. Außerhalb der Stadt ist der Hertha-BSC-Fan wenig bekannt.

Die 44-jährige SPD-Landeschefin, die östlich von Berlin aufwuchs, war Bürgermeisterin im Bezirk Neukölln und stieg 2018 zur Bundesfamilienministerin auf. Wegen einer Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit trat Giffey im Mai 2021 aus dem Kabinett zurück.

Die 54-jährige Umweltsenatorin Jarasch hat - sollten die Grünen zweitstärkste Kraft werden - die Option, erste Grünen-Regierungschefin in Berlin zu werden und Giffey abzulösen. Die gebürtige Augsburgerin steht für eine Verkehrswende weg vom Verbrenner-Auto und einen ehrgeizigen Kampf gegen die Erderhitzung - was die politische Schnittmenge mit FDP und CDU verkleinert.

Der Erfolg der Berliner CDU dürfte der Bundespartei und dem Vorsitzenden Merz Auftrieb geben, denn in diesem Jahr stehen drei Landtagswahlen in Bremen, Hessen und Bayern an. Für die SPD im Bund ist das Ergebnis ein Dämpfer, weil Giffey ihren Posten als Regierungschefin in Berlin verlieren könnte. Die Bundes-FDP muss verkraften, nach einer Reihe empfindlicher Wahlschlappen ein weiteres Mal aus einem Landesparlament zu fliegen.

Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Landesparlaments vom September 2021 und die Bezirkswahlen für ungültig erklärt - und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht. An diesem Wahlsonntag lief alles glatt, wie Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler sagte: «Es freut mich sehr, dass sich diesmal alles im grünen Bereich bewegt hat.»

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag laut den Hochrechnungen bei 63,5 bis 65,0 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt.

Großes Thema des kurzen Wahlkampfs war neben der Mieten- und Verkehrspolitik eine scharfe Debatte über die Silvesternacht, in der Krawallmacher Polizei und Rettungskräfte attackiert hatten.

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