Weltwirtschaft

Subventionspaket lockt massiv deutsche Unternehmen in die USA

Lesezeit: 3 min
01.03.2023 14:12  Aktualisiert: 01.03.2023 14:12
Laut DIHK erwägen ungewöhnlich viele deutsche Unternehmen Produktionsverlagerungen ins Ausland, vor allem nach Nordamerika. Sie lockt ein US-Subventionspaket.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das US-Subventionspaket zur Förderung klimafreundlicher Technologien entfaltet bereits eine Sogwirkung auf deutsche Unternehmen. In einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter 2400 Betrieben aus allen Branchen plant bereits jede zehnte Firma Produktionsverlagerungen, wie der Verband am Mittwoch mitteilte. Das seien ungewöhnlich viele, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier in Berlin. Geschäftlich besonders beliebt sind derzeit die USA und Kanada. Allerdings müssten für Produktionsverlagerungen viele Faktoren zusammenkommen. Der sogenannte Inflation Reduction Act (IRA) - ein insgesamt 370 Milliarden Dollar schweres Subventionspaket - sei dabei ein relevanter Baustein neben niedrigen Steuern, weniger Regulierung und deutlich geringeren Energiepreisen.

Überdurchschnittlich oft können sich der DIHK-Umfrage zufolge mit 23 Prozent Fahrzeug-Hersteller und deren Zulieferer eine Verlagerung der Produktion ins Ausland vorstellen. In diesem Bereich bietet der IRA zahlreiche Steuervergünstigungen, etwa für E-Autos, vor allem wenn diese in Nordamerika gefertigt werden. Auch überdurchschnittlich viele Maschinenbauer und Betriebe aus der Chemie- und Kunststoffbranche denken über Verlagerungen nach.

Treier sagte, die US-Subventionen böten Unternehmen eine noch bessere Geschäftsperspektive. Einer anderen DIHK-Umfrage zufolge erwägen 17 Prozent der deutschen Firmen in den USA explizit wegen des IRA, mehr in den Vereinigten Staaten zu investieren. "Die nächsten Werke bauen wir eher in Amerika", teilte beispielsweise der Herzogenauracher Auto- und Industriezulieferer Schaeffler zuletzt mit. Audi-Chef Markus Duesmann bezeichnete den Bau einer Elektroauto-Fabrik in den USA dank IRA als "hochattraktiv". Der schwedische Batteriezell-Hersteller Northvolt will sein Geschäft bevorzugt in den USA ausbauen. Der auch in Brandenburg aktive US-Konzern Tesla legt wegen des IRA seinen Fokus bei der Batteriezellfertigung auf die USA.

USA DRÜCKEN MÄCHTIG AUFS TEMPO

Stefan Schönberger, Klima- und Energie-Experte bei der Unternehmensberatung BCG, sagte Reuters, die Strom- und Gaspreise in Europa dürften auch langfristig mindestens doppelt so hoch sein wie in den USA. Neue Investitionen könnten deswegen verstärkt jenseits des Atlantiks getätigt werden. "Bei grünen Energieträgern wie grünem Strom oder Wasserstoff haben die USA und China - Europas Hauptwettbewerber - aber keinen strukturellen Kostenvorteil." Deswegen sei der Umbau der hiesigen Wirtschaft alternativlos und eröffne viele Chancen. Die USA machten jetzt aber viel mehr Tempo und steckten "absurde Summen" in Steuervergünstigungen. "Die USA gehen dabei sehr investorenfreundlich vor."

Die Bundesregierung hat das Problem erkannt. Sie versucht, bei der konkreten Auslegung des Gesetzespaketes den US-Nachbarn Mexiko und Kanada gleichgestellt zu werden - bislang aber nicht mit Erfolg. Zumindest einige Ausnahmen soll es geben, um EU-Firmen nicht zu benachteiligen, wenn diese nicht in Nordamerika produzieren. Ein Regierungsvertreter sagte Reuters, es brauche für gleiche Wettbewerbsbedingungen einen attraktiven Industriestrompreis. Das sei allerdings sehr teuer und mit dem EU-Wettbewerbsrecht kaum umsetzbar.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird diesen Freitag im Weißen Haus erwartet, wo es auch um den IRA und weitere Ausnahmen für die EU gehen dürfte. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will im ersten Halbjahr ein Industriestrompreis-Konzept vorlegen. Er plant zudem größere und zielgenauere Fördertöpfe für Solar- und Windkraftanlagen sowie Stromkabel und Stromnetze. Hinzu könnten Betriebskostenzuschüsse und "Superabschreibungen" kommen, um grünen Technologien einen Schub zu geben.

In Brüssel hatte die EU-Kommission zuletzt ihre Gegenmaßnahmen auf die US-Subventionen vorgestellt. Sie will die Regeln für Staatshilfen zeitlich befristet lockern, ungenutzte Mittel aus dem Corona-Hilfstopf anders einsetzen, Öko-Projekte schneller genehmigen und Handelsabkommen zur Sicherung knapper Rohstoffe forcieren. Im Fokus sind vor allem Hersteller von Windturbinen, Solarzellen, Batterien, E-Autos und aus der Wasserstoff-Branche. Eine Entscheidung dazu wird noch im März erwartet.

AUCH EUROPÄISCHE NACHBARLÄNDER WERDEN WICHTIGER

In der DIHK-Umfrage erklären 74 Prozent der befragten deutschen Unternehmen mit Auslandsgeschäften, wegen des zunehmenden Protektionismus werde auch die Euro-Zone wieder wichtiger. 43 Prozent nennen Nordamerika. In Asien wird eher versucht, die starke Abhängigkeit von China zu reduzieren. Insofern gewinnen andere asiatische Länder an Bedeutung. Süd- und Mittelamerika wird wegen seiner Rohstoffvorkommen wichtiger.

In den USA schätzen deutsche Betriebe ihre aktuelle Geschäftslage besser ein als im Vorjahr. Auch bei der Perspektive für dieses Jahr nimmt der Optimismus zu. "Diese Entwicklung zeigt, dass die Vereinigten Staaten an Bedeutung für Investitionen der deutschen Unternehmen gewinnen und wichtiger Absatzmarkt bleiben", heißt es in der DIHK-Studie. Deutlich schlechter sind die Zahlen für China. "Zwar wurde Ende 2022 die Null-Covid-Politik im Land aufgehoben, die dreijährige weitgehende Abschottung hat jedoch ihre Spuren hinterlassen." (Reuters)


Mehr zum Thema:  

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...