Politik

Biden drängt Deutschland zu Sanktionen gegen seinen wichtigsten Handelspartner

Die Russland-Sanktionen schaden der deutschen Wirtschaft massiv. Nun bereitet Biden die Grundlage dafür vor, dass die Europäer Sanktionen gegen China verhängen - dies wäre ein selbstzerstörerischer Akt und der Beginn einer weiteren Eskalationsspirale.
02.03.2023 09:00
Aktualisiert: 02.03.2023 09:23
Lesezeit: 3 min
Biden drängt Deutschland zu Sanktionen gegen seinen wichtigsten Handelspartner
US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz. Biden bereitet Sanktionen gegen China vor, welche die Europäer mittragen sollen. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Die USA sondieren nach Angaben von Insidern bei engen westlichen Verbündeten die Möglichkeit neuer Sanktionen gegen China. Dabei gehe es um Maßnahmen für den Fall, dass China Russland im Krieg gegen die Ukraine militärisch unterstütze, sagten mehrere Regierungsbeamte der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch.

Um welche Sanktionen genau es gehen könnte, blieb offen. Offenbar will die US-Regierung aber entscheiden, ab wann es sich um eine militärische Untersützung handelt.

Die Sondierungen seien noch in einem frühen Stadium. Sie sollten dazu dienen, die Unterstützung vor allem der G7-Gruppe der sieben westlichen Industrieländer zu gewinnen, um eine Unterstützung für mögliche Maßnahmen zu koordinieren. Zu den G7 gehören neben den USA Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und Großbritannien.

In der jüngsten Vergangenheit war es zu einer Grabenbildung zwischen den G7-Staaten auf der einen Seite und aufstrebenden Ländern wie Indien und Brasilien auf der anderen Seite gekommen. Grund waren unterschiedliche Ansichten zum Ukraine-Krieg. Während die G7-Staaten Sanktionen gegen Russland erlassen und Moskau diplomatisch isolieren wollen, erhalten die meisten Länder des Globalen Südens ihre Beziehungen zu Russland aufrecht. Indien kauft inzwischen sogar in großem Stil russische Energieprodukte, welche teilweise mit einem saftigen Preisaufschlag an die Europäer weiterverkauft werden.

Lesen Sie dazu: Spannungen beim G20-Treffen: Indien tanzt nicht mehr nach der Pfeife des Westens

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Scholz in Washington

Die Rolle Chinas im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg dürfte auch Thema beim Treffen von US-Präsident Joe Biden mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag in Washington sein. Das US-Finanzministerium, das bei der Verhängung von Sanktionen federführend ist, wollte sich am Mittwoch nicht zu den Angaben äußern. Die USA hatten in den vergangenen Wochen wiederholt behauptet, China erwäge Waffenlieferungen an Russland. Die Regierung in China hat das zurückgewiesen.

Nicht bekannt ist, ob das Thema der Sprengung der Nordstream-Pipeline zwischen Scholz und Biden eine Rolle spielen wird. Zuletzt hatten sich Indizien verstärkt, dass die US-Regierung Urheber des Terror-Anschlags auf die deutsche Energie-Infrastruktur ist.

Lesen Sie dazu: USA haben Nord Stream gesprengt, sagt Seymour Hersh

Die ersten Sondierungsschritte der USA umfassten informelle Kontakte auf personeller und diplomatischer Ebene, inklusive des Finanzministeriums, sagten Insider. Der Grundstein für mögliche Maßnahmen gegen die Regierung in Peking solle mit der Kerngruppe von Ländern gelegt werden, die die Sanktionen gegen Russland nach dessen Invasion in der Ukraine vor einem Jahr am meisten unterstützten. Die US-Bemühungen hätten noch nicht zu einer breiten Einigung über konkrete Maßnahmen geführt. Ein US-Beamter sagte, die USA wollten zunächst die Idee koordinierter Sanktionen zur Sprache bringen und „Impulse setzen“ für den Fall, dass militärische Lieferungen Chinas an Russland „entdeckt“ würden.

Ein Regierungsbeamter eines von den USA konsultierten Landes sagte, er habe bislang nur wenige Informationen erhalten, die die US-Annahme einer militärischen Unterstützung Russlands durch China stützten. Ein US-Beamter sagte, man wolle Verbündeten detaillierte Geheimdienstinformationen zur Verfügung stellen. Das Problem: Der Wahrheitsgehalt solcher Geheimdienstinformationen kann von anderen Staaten nicht abschließend geklärt werden.

Daniel Kritenbrink, oberster US-Diplomat für Ostasien, hatte in dieser Woche vor dem US-Kongress erklärt, die USA hätten gegenüber China sehr deutlich ihre Besorgnis signalisiert - unter vier Augen bei der Sicherheitskonferenz in München und auch öffentlich. „Wir haben über die Implikationen und die Konsequenzen gesprochen. (...) Und wir wissen auch, dass viele unserer gleichgesinnten Partner diese Bedenken teilen.“

Zu den Problemen, die es bei der Verhängung von Sanktionen gegen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt geben könnte, gehören die starken Verflechtungen Chinas in die großen Volkswirtschaften Europas und Asiens. Länder von Deutschland bis Südkorea sind deshalb zurückhaltend, wenn es darum geht, Sanktionen gegen China zu verhängen.

Gerade die deutsche Wirtschaft hat in der Vergangenheit massiv von den guten Beziehungen zu China profitiert. Die mögliche Verhängung von Sanktionen auf Anweisung der USA wäre deshalb ein selbstzerstörerischer Akt, der die ohnehin durch die Russland-Sanktionen angeschlagene Wirtschaft weiter schwächen würde.

Anthony Ruggiero, Sanktionsexperte unter Ex-US-Präsident Donald Trump, sagte, die USA könnten aber private Akteure in China wirtschaftlich einschränken. Sie könnten China klarmachen, dass sie Sanktionen verschärfen würden, um chinesische Banken mit allen verfügbaren Möglichkeiten zu treffen. Die USA sollten China also vor die Wahl stellen, entweder Zugang zum US-Finanzsystem zu erhalten oder den Krieg gegen Russland zu unterstützen. Das könne Chinas Regierung und Chinas Banken von weiterer Hilfe für Russland abhalten.

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