Finanzen

Anleihen-Vernichtung bei Credit Suisse trifft vor allem Asien

Lesezeit: 3 min
22.03.2023 08:36  Aktualisiert: 22.03.2023 08:36
Anleihen der Credit Suisse, die als zusätzliches Kernkapital galten, sind plötzlich für wertlos erklärt worden. Privatanleger vor allem in Asien sind schockiert.
Anleihen-Vernichtung bei Credit Suisse trifft vor allem Asien
Privatanleger in Asien, die auf den Namen Credit Suisse vertrauten, verzeichnen massive Verluste. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Im Rahmen der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, die am Sonntag von der Schweizer Regierung eingefädelt wurde, machte die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma eine überraschende Erklärung. Demnach wurden die als zusätzliches Kernkapital (Additional Tier One, AT1) geltenden Zwangswandelanleihen im Volumen von insgesamt 16 Milliarden Franken für wertlos. Dagegen erhalten die Aktionäre der gescheiterten Großbank nun UBS-Aktien im Wert von 3 Milliarden Franken.

Die Vernichtung der Credit-Suisse-Anleihen im Umfang von umgerechnet etwa 16 Milliarden Euro trifft vor allem asiatische Anleger, die sich mit den riskanten Bankschulden eingedeckt hatten. Einige Kleinanleger in Asien sind schockiert über den überraschenden Komplettverlust mit AT1-Anleihen der Credit Suisse. Denn von dieser Klasse von Schuldtiteln wurde allgemein angenommen, dass sie in der Bilanz vor dem Eigenkapital steht, dass also erst die Aktionäre bluten müssen, bevor es an die Besitzer dieser Anleihen geht.

In anderen Teilen der Welt werden die Anleihen in der Regel nicht von Kleinanlegern, sondern von institutionellen Anlegern gehalten. Die Allianz-Tochter Pimco muss durch Credit-Suisse-Anleihen einen Verlust in dreistelliger Millionenhöhe abschreiben. Auch Invesco und Legg Mason gehören laut Bloomberg-Daten zu den wichtigsten Inhabern von AT1-Anleihen der Credit Suisse. Der asiatische AT1-Markt macht schätzungsweise 46 Milliarden Dollar des weltweiten Gesamtvolumens von rund 260 Milliarden Dollar aus.

Die Zerschlagung der AT1-Anleihen der Credit Suisse verblüffte die Anleger, da sie den Anleihegläubigern größere Verluste aufbürdete als den Aktionären. Denn mit dieser Entscheidung wurden die bisherigen Annahmen, dass die Inhaber von Schuldtiteln gegenüber den Inhabern von Aktien bevorzugt werden, umgestoßen. Einige Investoren drohen mit rechtlichen Schritten gegen das Vorgehen in der Schweiz, welches die traditionelle Gläubigerhierarchie auf den Kopf stellt.

Der Wert riskanter Bankschuldtitel ist am Montag in Europa gefallen, nachdem die AT1-Anleihegläubiger der Credit Suisse leer ausgingen. Die Nervosität auf den Anleihemärkten veranlasste das Einheitliche Abwicklungsgremium (Single Resolution Board, SRB), die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und die Europäische Zentralbank zu einer Erklärung, in der sie betonen, dass Common-Equity-Instrumente weiterhin als erstes Verluste auffangen und erst danach AT1 abgeschrieben werden sollen. Die Bank of England hat sich ähnlich geäußert.

AT1-Bankschulden riskanter als gedacht?

Der SRB-Vorsitzende Dominique Laboureix sagte, dass die Befürchtung, dass AT1-Bankschulden "nicht mehr investierbar" sein könnten, in der EU so nicht zutreffen sollte. Er betonte, dass die EU-Behörden ungeachtet der Entscheidungen in der Schweiz weiterhin an der bestehenden Hackordnung für Investoren festhalten würden. "Wir werden sie nicht überrumpeln."

"Wir sollten uns über dieses entscheidende Element im Klaren sein: Ja, wir wollen diese Reihenfolge einhalten, weil sie den Investoren Klarheit gibt", sagte Laboureix in einem Interview mit der Financial Times. "Wenn nicht, wer wird dann in Bankemissionen investieren, wenn die Möglichkeit besteht, dass jede einzelne Behörde in der EU entscheiden kann, was sie will, je nach den Bedingungen des Tages?"

AT1-Papiere wurden im Zuge der Finanzkrise als Teil von Reformen eingeführt, die das Risiko verringern sollten, dass die Steuerzahler zur Unterstützung bankrotter Banken herangezogen werden. Die Besorgnis der Anleger nach den Ereignissen vom Wochenende sei "verständlich", sagte Laboureix und fügte hinzu, dass er die Schweizer Behörden nicht kritisiere, die aufgrund spezifischer nationaler Finanzstabilitätsbedenken handelten.

Die Entscheidungen in der Schweiz - zusammen mit den Bemühungen der US-Behörden, das Vertrauen nach dem Zusammenbruch zweier Banken zu stärken und die globale Dollar-Liquidität zu erhöhen - zeigten, dass die Behörden die notwendigen Schritte zur Stabilisierung der Märkte unternähmen. "Sie nehmen ihre Verantwortung auf der ganzen Welt wahr - das ist im Hinblick auf die Finanzstabilität sehr gut", sagte Laboureix, der im November 2022 in den SRB berufen wurde. Zuvor war er Generalsekretär der französischen Aufsichtsbehörde.

Credit-Suisse-Crash verursacht Panik in Asien

Kunden asiatischer Privatbank starteten am Montag Panik-Verkäufe von AT1-Anleihen von Banken in Asien. Am Dienstag erholte sich der Markt für diese Anleihen, aber asiatische AT1-Anleihen lagen weiter unter dem Niveau der letzten Woche. Zu den Verkäufern gehörten wohlhabende Kunden, die mit Hebel in die AT1-Anleihen investiert hatten und Nachschussforderungen (Margin Calls) erhielten, berichtet die Financial Times unter Berufung auf zwei Privatbankiers.

Privatanleger in Europa halten in der Regel keine als zusätzliches Kernkapital geltende AT1-Anleihen, und in Ländern wie dem Vereinigten Königreich ist ihnen dies sogar untersagt. In Asien hingegen waren die Instrumente bei wohlhabenden Privatpersonen beliebt, da sie die Markennamen und die relativ hohen Renditen schätzten. Eine AT1-Anleihe der Credit Suisse, die im letzten Jahr ausgegeben wurde und einen Kupon von 9,75 Prozent zahlte, war besonders beliebt.

AT1-Anleihen haben eine unbegrenzte Laufzeit. Die Banken kündigen die Anleihen in der Regel nach einer bestimmten Zeit und geben neue Anleihen aus, um die Rückzahlung an die Anleger zu finanzieren. "Die Banken wissen, dass sie in absehbarer Zeit keine weiteren AT1-Anleihen mehr ausgeben können, sodass sie sie möglicherweise nicht mehr kündigen. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Bewertung", zitiert die Financial Times einen in Singapur ansässigen Fondsmanager mit reichen Kunden in der Region.

Ein Banker bei einer der führenden Privatbanken in Singapur sagte, dass viele wohlhabende Privatanleger verärgert sind. Viele Kunden seien schockiert, weil sie das Abschreibungsrisiko in bestimmten Szenarien nicht verstanden hätten. "Es handelt sich nicht um Massenverkäufe, aber einige wenige wollen aussteigen", so der Banker. Dabei handle es sich um vermögende asiatische Privatpersonen, die in Singapur und Hongkong Bankgeschäfte tätigen, darunter auch kleine bis mittelgroße Family Offices.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...