Politik

Sanktionen gegen Russland gescheitert, doch Putins Achillesferse bleiben Öl und Gas

Der Forscher Kirill Rogov macht die hohe Nachfrage nach Öl und Gas dafür verantwortlich, dass Russland heute so mächtig ist. Nur niedrige Rohstoffpreise könnten Putin stürzen.
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23.04.2023 08:42
Aktualisiert: 23.04.2023 08:42
Lesezeit: 3 min
Sanktionen gegen Russland gescheitert, doch Putins Achillesferse bleiben Öl und Gas
Die hohen Preise für Öl und Gas verschaffen Russland massive Einnahmen und machen Putin unbesiegbar. (Foto: dpa) Foto: Gavriil Grigorov

Trotz der massiven westlichen Sanktionen ist das das russische Bruttoinlandsprodukt nach Schätzungen internationaler Finanzinstitutionen im letzten Jahr nur geringfügig geschrumpft. Dies ist in vieler Hinsicht erstaunlich. Denn nach der herkömmlichen Theorie sollte freier Handel erhebliche wirtschaftliche Vorteile hervorbringen und Handelshemmnisse sollten entsprechend negative Folgen nach sich ziehen. „Es ist eine weit verbreitete Ansicht, dass die gegen sein Regime verhängten Sanktionen kaum wirtschaftliche Auswirkungen hatten“, schreibt im Economist Kirill Rogov, der Gründer des Netzwerks „Re: Russia“.

Eine Gruppe von Ökonomen, darunter ehemalige Spitzenkräfte des russischen Finanzministeriums und der Zentralbank sowie ein Professor der Universität von Kalifornien und Rogov selbst haben für das Netzwerk einen Bericht über die russische Wirtschaft erstellt. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Sanktionen durchaus große Auswirkungen gehabt haben. So verzeichnete das Russland Kapitalabflüsse in Höhe von 12 Prozent seiner Wirtschaftskraft. Unter normalen Umständen würde dies eine wirtschaftliche Katastrophe auslösen. Doch die hohen Energiepreise haben die Auswirkungen der Sanktionen stark abmildert.

Die Mehreinnahmen aus den höheren Energieverkäufen und die Verringerung der Einfuhren aufgrund der Sanktionen haben zu einem Handelsüberschuss von etwa 18 Prozent des BIP geführt. Dieser Handelsüberschuss und der entsprechende Zufluss von Dollars haben Russland geholfen, einen wirtschaftlichen Einbruch zu vermeiden. „Aber eine versteckte Krise ist nicht dasselbe wie eine starke Wirtschaft“, sagt Rogov. Die Lage sei sogar „schlimmer als eine Krise“, weil die hohen Einnahmen aus den Energieexporten den Schaden der Sanktionen verdeckten und die russische Wirtschaft nicht angemessen darauf reagieren könne.

Trotz Sanktionen: Russland verdient massiv mit Öl und Gas

Nach der März-Prognose der Internationalen Energieagentur wird die Nachfrage nach Öl bis zum Jahresende noch deutlich steigen, was die Preise weiter in die Höhe treiben wird. Selbst wenn man den beträchtlichen Preisnachlass für russisches Rohöl berücksichtigt, der zum Teil auf eine von der G7 auferlegte Preisobergrenze zurückzuführen ist, wird das Öl Russland weiterhin genügend Mittel liefern, um seinen Krieg fortzusetzen. Die Bemühungen des Westens, den Zugang des russischen Öls zum Markt zu beschränken, werden „wahrscheinlich wenig Wirkung zeigen“, so Rogov.

Russland hat in den letzten 15 Jahren durchschnittlich 250 Milliarden Dollar pro Jahr aus dem Export von Öl und Gas erhalten, und der enorme Mittelzufluss wird auf absehbare Zeit anhalten. Denn die beiden wichtigsten Öl-Abnehmer, Indien und China, und zahlreiche weitere Länder im globalen Süden halten sich nicht an die von den G7-Staaten und Australien verhängte Preisobergrenze. Zudem haben die vom Westen angedrohten Sanktionen die Händler auch nicht davon abhalten können, den eigentlich sanktionierten Ölhandel zu unterstützen.

Die hohen Rohstoffpreise stärken nicht nur Russland, sondern auch andere nicht-westliche Staaten mit reichen Vorkommen. In den 1990er Jahren „bemühten sich viele ehemals autoritäre Länder, die westlichen Marktinstitutionen und die Demokratie zu übernehmen, weil sie an einer Ausweitung des Handels und der Investitionen mit den entwickelten Ländern interessiert waren“, so Rogov. Doch wegen der hohen Rohstoffpreise sei die Annäherung an den Westen „weit weniger attraktiv geworden“. Investitionen aus dem Ausland seien weniger notwendig, wenn die Staaten ihre Rohstoffe teuer exportieren können.

„Ich bin überzeugt, dass es den Krieg in der Ukraine nicht gegeben hätte, wenn die Energiepreise viel niedriger gewesen wären“, schreib Rogov. Die enormen Einnahmen hätten nicht nur die Eliten gefestigt, die von ihrer Verteilung profitierten, sondern vermittelten Präsident Wladimir Putin und seinen Anhängern auch ein „Gefühl von Macht und Unbesiegbarkeit“. Die hohen Einnahmen aus dem Energieexport schwächten auch den Einfluss der westlichen Länder, da der Zugang zu ihren Märkten und Investitionen für das wirtschaftliche Wohlergehen Russlands immer weniger wichtig wurden.

Wann wird der Ukraine-Krieg enden?

Nach Ansicht von Rogov wird der Krieg erst dann enden, wenn die russischen Öl- und Gaseinnahmen „deutlich zurückgehen“. Die Preise müssten mehrere Jahre in Folge fallen. „Es würde drei, vier oder vielleicht fünf Jahre dauern, bis der Lebensstandard so stark sinkt und das Geld in der Wirtschaft so knapp wird, dass die einfachen Russen und die Eliten ein für alle Mal zu dem Schluss kommen, dass das Regime eine Pleite ist, und nach politischen und wirtschaftlichen Alternativen suchen„“, schreibt er – wohlwissend, dass ein solches Szenario extrem unwahrscheinlich ist. Und weiter:

„Obwohl es wahrscheinlich mehrere Jahre finanzieller Aushungerung bräuchte, um eine solche Wende herbeizuführen, haben der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen die Anfälligkeit des Regimes gegenüber fallenden Energiepreisen jetzt drastisch erhöht. Es muss die hohen Militärausgaben und die hohen Sozialausgaben aufrechterhalten, um die Unzufriedenheit einzudämmen, und gleichzeitig die Folgen der massiven Kapitalabflüsse bewältigen. Außerdem muss es für Importsubstitution in kritischen Sektoren sorgen und neue Infrastrukturen aufbauen, um die Handelsströme nach Osten und Süden zu erweitern.“

Es sind vor allem auch die hohen Ölpreise, die es Russland ermöglichen, den Krieg gegen die Ukraine zu führen, obwohl diese auch militärisch massiv vom Westen unterstützt wird. Selbst wenn der Ukraine in den nächsten Monaten eine militärische Gegenoffensive gelänge, würde dies die Machtposition des russischen Staatschefs Putin kaum beeinträchtigen. Und selbst wenn der Ölpreis „erheblich und anhaltend“ zurückgehen würde, ist es Rogov zufolge fraglich, ob Russland nicht inzwischen wirtschaftlich und politisch zu sehr von China abhängig sein wird, „um dem autoritären Lager zu entkommen“.

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