Wirtschaft

Europäische Airlines brauchen über 800 Milliarden Euro für Klima-Ziele

Der Luftfahrtsektor boomt wieder: Flugticketpreise sind letztes Jahr stark gestiegen und schießen weiter in die Höhe. Doch um ihr Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen, sind Milliarden-Investitionen nötig. Wer zahlt das am Ende?
25.04.2023 09:29
Aktualisiert: 25.04.2023 09:29
Lesezeit: 3 min
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Europäische Airlines brauchen über 800 Milliarden Euro für Klima-Ziele
Eine Maschine der Lufthansa landet bei Sonnenuntergang am Frankfurter Flughafen. (Foto: dpa) Foto: Arne Dedert

Der europäische Luftverkehr rechnet mit Mehrkosten von über 800 Milliarden Euro, um bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und damit den Klimawandel zu begrenzen.

Der Financial Times zufolge hat sich der Sektor verpflichtet, durch einen Mix aus neuen Technologien – insbesondere alternative Kraftstoffe sowie Kohlenstoffkompensationen und effizienteren Flugzeugen, Triebwerken und Flugverkehrsmanagement – eine Netto-Null-Emission zu erreichen.

Dies würde „beträchtliche zusätzliche Anstrengungen im Vergleich zum Geschäft wie üblich erfordern“ und zwischen 2018 und 2050 rund 820 Milliarden Euro kosten, heißt es in einem Bericht der Forschungsgruppen SEO Amsterdam Economics und dem Königlichen Niederländischen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der von einer Gruppe von Luftfahrt-Lobbygruppen in Auftrag gegeben wurde.

Die größten Ausgaben würden mit 441 Milliarden Euro für sauberere Kraftstoffe anfallen, die nicht aus fossilen Brennstoffen, sondern aus Rohstoffen wie Tierfett, Speiseöl oder Haushaltsabfällen hergestellt werden. Diese „nachhaltigen Flugtreibstoffe“ können die Gesamtemissionen eines Fluges um etwa 70 Prozent reduzieren, sind aber teurer als Kerosin und werden nur in sehr begrenzten Mengen hergestellt, so der Bericht.

Wer zahlt die Rechnung?

Laut Willie Walsch, Generaldirektor der International Air Transport Association (IATA), ist die Entwicklung nachhaltigerer Kraftstoffe der Schlüssel zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks der Luftfahrtindustrie. Kunden werden jedoch am Ende die Rechnung über die Flugpreise bezahlen müssen, sagte Walsch vor Kurzem bei einer Podiumsdiskussion auf der Bloomberg New Economy Gateway Europe-Konferenz außerhalb von Dublin.

Die weit verbreitete Einführung nachhaltiger Kraftstoffe wird etwa 65 Prozent der Reduktion ausmachen, die erforderlich ist, damit die Industrie ihr erklärtes Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichen kann.

Da die Kraftstoffe jedoch ein Vielfaches des derzeit für den Antrieb von Flugzeugen verwendeten Kerosins kosten, wird nur sehr wenig produziert, und es ist nicht klar, wer dafür bezahlen wird. Die IATA schätzt, dass die Kosten für die Dekarbonisierung des Luftverkehrs weltweit auf über 1 Billion Dollar belaufen werden. „Das wird von den Verbrauchern getragen werden müssen, daran führt kein Weg vorbei“, so Walsh.

Gleichzeitig sei es wichtig „die richtige Politik zu machen“, fügte er hinzu. Er lobte den US-Ansatz, die Produktion durch Anreize anzukurbeln, und kritisierte die europäische Strategie, mit der „Peitsche“ zu regulieren.

Weltweiter Reiseboom nach Pandemie

Der Hintergrund zu dem Bericht der Forschungsgruppen ist ein weltweiter Reiseboom, der den europäischen Fluggesellschaften hilft, dem aktuellen wirtschaftlichen Abschwung zu trotzen. Die Financial Times berichtet, dass der Bedarf nach Urlaubsreisen auch bei höheren Flugpreisen sehr stark ist. Die Nachfrage nach europäischen Flugtickets habe das Niveau vor der Pandemie überschritten.

Während der Pandemie erhielten verschiedene Fluglinien staatliche Unterstützung, unter anderem Kredite, Zuschüsse, Steuernachlässe oder Lohnkostensubventionen. Statista zufolge war zwischen Januar bis August 2020 die Lufthansa Group - mit knapp 12,1 Milliarden US-Dollar - in Europa die Airline-Gruppe, die aufgrund der Corona-Krise die höchste staatliche Hilfe bekam. Air France war an zweiter und Singapore Airlines an dritter Stelle.

S&P: Aktuell keine kosteneffizienten Alternativen zu fossilen Brennstoffen

In dem Bericht der Forschungsgruppen hieß es, dass Luftfahrtunternehmen, einschließlich Fluggesellschaften und Flughäfen, nicht in der Lage wären den Klimawandel allein zu finanzieren. Dies sei zum Teil der Fall, weil die Branche in der Vergangenheit Schwierigkeiten hatte, dauerhaft rentabel zu sein. „Da [die Gewinne] aufgrund des starken Wettbewerbs und der jüngsten Krisen historisch niedrig sind, dürfte die Aufnahmekapazität des Sektors, insbesondere die der europäischen Fluggesellschaften und Drehkreuze, gering sein“.

Die Branche habe sich bei den europäischen Entscheidungsträgern um erhebliche neue Unterstützung bemüht. Dazu gehörte auch die Einstufung neuerer und effizienterer Flugzeuge, die mit konventionellem Düsentreibstoff betrieben werden, als grüne Investition im Rahmen der EU-Vorschriften für nachhaltige Finanzierungen – um privates Kapital anzuziehen.

Laut der Financial Times erklärten Umweltexperten, dass dies „ein riesiger Akt von Greenwashing“ sei, weil es hochgradig umweltschädliche Flugzeuge als nachhaltig einstufen würde. „Der Bericht verdeutlicht, dass Europa ein stabiles und vorhersehbares Investitionsumfeld und einen einheitlichen politischen Rahmen benötigt, um sicherzustellen, dass die europäische Luftfahrt Zugang zu dem notwendigen Kapital erhält“, sagte die Lobbyorganisation europäischer Fluggesellschaften, A4E.

Eine separate Analyse der Rating-Agentur S&P Global kam vor Kurzem zu dem Schluss, dass es für Flugzeuge momentan keine kosteneffiziente Alternative zu fossilen Brennstoffen gibt. S&P betonte, dass Umweltvorschriften, einschließlich EU-Steuern auf Kohlenstoffemissionen, „Anreize für Innovationen schaffen“ könnten. Investitionen in kohlenstofffreie und kohlenstoffarme Energiequellen seien jedoch „kostspielig und daher riskant, insbesondere angesichts der langen Investitionsvorlaufzeiten“.

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Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

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