Frankreichs ehemaliger Premierminister Francois Fillon hat sich kritisch über die Verhängung von Sanktionen durch westliche Länder geäußert und vor kontraproduktiven Folgen dieser Politik gewarnt.
Während einer Anhörung, die am 2. Mai in der französischen Nationalversammlung stattfand, sagte Fillon, dass die von den USA und europäischen Ländern in den vergangenen Jahren verhängten Sanktionen zu großer Empörung in der internationalen Staatengemeinschaft führten.
Wie The Eastern Herald berichtet, sagte Fillon mit Blick auf die gegen Russland verhängten Strafmaßnahmen, dass solche Sanktionen immer von denselben Ländern erlassen werden, nämlich den USA und den Staaten Europas.
Diese Sanktionspolitik habe weltweit massive Ressentiments gegenüber dem Westen geschürt, so Fillon. Man müsse aufhören, die restliche Welt ständig zu „belehren.“
Der Grund für seine Ablehnung der Sanktionspolitik sei der Umstand, dass unilaterale Sanktionen in der Geschichte niemals ihr Ziel erreicht hätten und stattdessen nur dazu führten, dass die „betroffenen Länder und auch man selbst Schaden genommen habe.“
Bedenklich sei zudem, so Fillon weiter, dass die US-Regierung den Status des Dollars als Weltleitwährung zur Erreichung politischer Ziele ausnutze und mit den von ihr vorangetriebenen Sanktionen indirekt auch ihre Alliierten beschädige.
Sanktionen seit Jahrzehnten
Sanktionen werden von den USA und europäischen Ländern seit Jahrzehnten mit dem Ziel eingesetzt, politische oder wirtschaftspolitische Ziele zu erreichen. Ein Fazit, inwieweit und in welchen konkreten Fällen dieses Instrument zur Zielerreichung mit Erfolg eingesetzt wurde, lässt sich an dieser Stelle nicht ziehen.
Zahlreiche Beobachter haben aber darauf hingewiesen, dass Sanktionen zwar oft kurzfristig die erwünschte Wirkung zeigen – langfristig aber kontraproduktiv sind, weil sie den Widerstand der betroffenen Gesellschaften forcieren und den Nährboden schaffen, auf dem alternative Strukturen zur Umgehung der Sanktionen gedeihen können.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hatte der westlichen Sanktionspolitik zuletzt einen gewaltigen Schub verliehen. Wie das Portal Castellum zeigt, bestanden schon vor dem Einmarsch 2.695 Sanktionen gegen russische Privatpersonen, Unternehmen oder Staatsorgane. Seit dem 22. Februar 2022 kamen demnach 12.616 neue Strafmaßnahmen hinzu.
Am schwersten wogen dabei sicherlich der Ausschluss russischer Banken aus dem weltweiten Finanzkommunikationssystem SWIFT und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte im Umfang von etwa 300 Milliarden US-Dollar.
Russland stellt aber keinen Einzelfall dar. So sind Länder wie Nordkorea, Syrien, der Iran, Venezuela oder Libyen seit Jahren oder gar Jahrzehnten Ziel US-amerikanischer oder europäischer Sanktionen.
Blickt man auf eine von Radio Free Europe zusammengestellte Weltkarte fällt auf, dass Asien und Afrika besonders stark von westlichen Sanktionen betroffen sind, während Nordamerika, Europa und politische Verbündete wie Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea nicht belangt werden.
Ein ähnliches Bild ergibt sich aus einer Weltkarte, welche die von EU-Sanktionen betroffenen Länder markiert und welche Strafmaßnahmen gegen 39 Staaten aufführt.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang China. Auch gegen das Reich der Mitte wurden schon vor Jahrzehnten Strafmaßnahmen verhängt – etwa nach Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 – deren Anzahl und Intensität hat sich in den vergangenen Jahren aber massiv erhöht, weil die USA seit der Trump-Administrationen einen multiplen Feldzug gegen das Land führen und inzwischen sogar verbündete Länder dazu drängen, Sanktionen gegen China zu erlassen, wie das Beispiel von Europas größtem Technologiekonzern ASML zeigt.
Der Globale Süden wendet sich ab
Betrachtet man die sich derzeit entfaltenden geopolitischen Verschiebungen auf der Welt, könnten die gegen Russland ins Feld geführten Sanktionen einen historischen Wendepunkt eingeläutet haben: konfrontiert mit der Instrumentalisierung der Weltleitwährung Dollar und einer aus Washington und Brüssel betriebenen Druckkampagne, es Europäern und Amerikanern gleichzutun, haben viele Länder des Globalen Südens damit begonnen, einen vom Westen unabhängigeren Kurs einzuschlagen.
In wirtschaftlicher Hinsicht manifestiert sich diese Abkehr vom Westen in der verstärkten Nutzung alternativer Währungen. Länder wie China, Russland, Brasilien, Argentinien, Bolivien, Myanmar, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Bangladesch drängen den Dollar in ihren Handelsgeschäften zurück und greifen verstärkt auf die eigenen Währungen oder jene des Handelspartners zurück.
In politisch-institutioneller Hinsicht hat sich das Streben nach mehr Unabhängigkeit in der Gründung alternativer Organisationen und Dialog-Plattformen niedergeschlagen, welche seit einiger Zeit einen verstärkten Zulauf registrieren.
Das BRICS-Format, die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit, Chinas Neue Seidenstraße, die Eurasische Wirtschaftsunion, die New Development Bank, die Asiatische Infrastruktur- und Investitionsbank, die Zahlungsabwicklungssysteme CIPS und „Mir“, die Schanghaier Goldbörse und auch die weltgrößte Freihandelszone RCEP sind dezidiert als Alternativen zu den vom Westen dominierten Strukturen konzipiert worden, wobei China und Russland als treibende Kräfte auf dem Weg zu einer multipolaren Weltordnung fungieren.
Europa zahlt den Preis
Inzwischen zeichnet sich ab, dass Europa den Großteil der negativen Rückkopplungen der Sanktionen absorbieren muss – und zwar vor allem in Form stark steigender Preise.
Besonders die Abkehr von russischen Energieträgern hat im Verbund mit der jahrelang betriebenen Geldschöpfung der Europäischen Zentralbank dazu geführt, dass die Geldentwertung rapide an Fahrt gewonnen hat.
Bemerkenswert ist, dass die Russland-Sanktionen nur teilweise wirken, weil russische Energie über Drittländer wieder nach Europa importiert werden – allerdings zu deutlich höheren Preisen als im Direktbezug.
Europas Probleme mit der Inflation können an den aktuellen Zahlen für Deutschland und im Vergleich zu den USA und China abgelesen werden.
So lag das Preisniveau im April hierzulande 7,2 Prozent höher als im April 2022. Lebensmittel verteuerten sich um 17,2 Prozent zum Vorjahresmonat. Energie verteuerte sich um 6,8 Prozent. Haushaltsenergie kostete 21,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dienstleistungen kosteten 4,7 Prozent mehr als im Vorjahr, die Wohnungsmieten legten um 2 Prozent zu.
In den Vereinigten Staaten liegt die Gesamtrate mittlerweile bei 4,9 Prozent und in China machen sich sogar deflationäre Tendenzen bemerkbar. Dort stiegen die Verbraucherpreise per April im Jahresvergleich um nur noch 0,1 Prozent (niedrigster Wert seit Februar 2021) nach zuvor 0,7 Prozent im März. Die Erzeugerpreise sanken im April im Jahresvergleich um 3,6 Prozent (niedrigster Wert seit Mai 2020) nach zuvor minus 2,5 Prozent.