Finanzen

Geldmarktfonds: Wie Anleger von steigenden Zinsen profitieren

Lesezeit: 6 min
19.05.2023 14:45  Aktualisiert: 19.05.2023 14:45
Die Notenbanken haben die Schwemme des billigen Geldes vorerst beendet. Besonders eine Anlageklasse profitiert von den gestiegenen Zinsen: Geldmarktfonds. Warum es sich lohnen kann, in Geldmarktfonds zu investieren.

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Die Notenbanken haben die Schwemme des billigen Geldes vorerst beendet. In der Eurozone liegt der Zins bereits bei 3,75 Prozent. Besonders eine Anlageklasse profitiert von den gestiegenen Zinsen: Geldmarktfonds. Warum es sich lohnen kann, in Geldmarktfonds zu investieren.

Es ist noch nicht lange her, da warnten Verbraucherschützer vor Geldmarktfonds. „Viele Geldmarktfonds verbrennen regelrecht das Geld der Anleger“, hieß es in einem Artikel der Stiftung Warentest von vor einigen Jahren. Zu hoch seien die Kosten im Vergleich zu den erwarteten Renditen, lautete damals die Begründung für das vernichtende Urteil.

Seitdem die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank FED an der Zinsschraube gedreht haben, hat sich das Blatt gewendet. Geldmarktfonds werfen mittlerweile Renditen in Höhe von bis zu drei Prozent ab. Hinzu kommt: Sie sind ähnlich flexibel wie Tagesgeld. Das klingt verlockend. Doch wie funktionieren Geldmarktfonds? Und für wen lohnen sie sich?

Was sind Geldmarktfonds?

Geldmarktfonds sammeln Anlegergelder ein und stecken es in Geldmarktpapiere. Wer nicht weiß, was der Geldmarkt ist: Auf ihm werden Wertpapiere gehandelt, die eine Laufzeit von weniger als zwölf Monaten haben. Ganz im Gegensatz zum Kapitalmarkt, auf dem Papiere mit langer oder unbegrenzter Laufzeit ihren Eigentümer wechseln – wie etwa Aktien oder Staatsanleihen mit mehrjähriger Laufzeit.

Zu den Geldmarktpapieren gehören: kurzlaufende Anleihen, Termingelder, Einlagenzertifikate und Schuldscheindarlehen. Grob vereinfacht stellen all diese Papiere Kurzzeitkredite dar – an eine Bank, ein Unternehmen oder einen Staat. Aufgrund der kurzen Laufzeiten sind die Risiken für den Darlehensgeber vergleichsweise gering: Denn wer etwa einem Staat oder einer Bank für weniger als zwölf Monate Geld leiht, kann sich meist sicher sein, es wiederzusehen.

„Der Geldmarkt ist wieder attraktiv geworden“, sagt Christian Reiter, Manager des Geldmarktfonds DWS ESG Euro Money Market Fund. „Geeignet sind sie vor allem für Anleger, die liquide über ihr Geld verfügen möchten und Risiken scheuen.“ Geldmarktfonds seien eine gute Alternative zu Bankeinlagen: „Über ihr Anleiheportfolio erzielen Geldmarktfonds interessante Renditen – insbesondere im Vergleich zu Tagesgeld, das derzeit noch deutlich unterhalb des Marktniveaus verzinst ist“, so der Fondsmanager der Deutschen-Bank-Tochter DWS.

Laut Daten der Fondsratingagentur Morningstar haben Geldmarktfonds in der Eurozone auf Jahressicht unter allen Fondsgattungen die höchsten Mittelzuflüsse erlebt: Um etwas mehr als 11 Prozent wuchs das Volumen von Geldmarktfonds in den letzten zwölf Monaten an. Zum Vergleich: Rohstofffonds hatten nach Daten von Morningstar mit Mittelabflüssen von etwas über 10 Prozent zu kämpfen, Aktienfonds erhöhten ihre verwalteten Gelder auf Jahressicht nur um 0,7 Prozent.

Geldmarktfonds sind vor allem bei institutionellen Anlegern wie Versicherungen oder Pensionsfonds beliebt, aber auch bei großen Unternehmen. Große Anleger nutzen sie, um überschüssige Gelder zu parken. Nach Auswertungen der Europäische Wertpapieraufsicht ESMA stecken in der Europäischen Union derzeit rund 1,5 Billionen Euro in Geldmarktfonds. 90 Prozent dieses Geldes stammt von institutionellen Anlegern.

Geldmarktfonds – besser als Tages- oder Festgeld?

Geldmarktfonds haben gegenüber Tages- und Festgeld einen wichtigen Vorteil: Steigen die Zinsen weiter an, geben Geldmarktfonds das neue Zinsniveau an die Anleger direkt weiter. Bei Tagesgeld warten Sparer auf bessere Zinskonditionen meist lange oder müssen umständliches Zinshopping betreiben, also ihr Geld bei einem Anbieter abziehen und es zu besseren Konditionen bei anderen Banken anlegen. Ist das Ersparte als Festgeld geparkt, kann es prinzipiell nicht so einfach umgeschichtet werden.

Im Vergleich zu Bankeinlagen schwanken Geldmarktfonds allerdings im Kurs. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Erwartungen an den Anleihemärkten ändern oder Papiere mit einer anderen Verzinsung in den Fonds aufgenommen werden. Wer in einen Geldmarktfonds investiert, weiß somit nicht von Beginn an, wie seine Rendite ausfallen wird.

Ganz anders ist das bei Tagesgeld. Die Zinsen für Tagesgeld können sich zwar auch ändern, aber man kann sich jederzeit sein Geld auszahlen lassen und erhält den Betrag zurück, den man eingezahlt hat. Bei Geldmarktfonds besteht hingegen kein Rückzahlungsanspruch auf die eingezahlte Summe. Auch bei Festgeld können Anleger besser planen: Der Zins ist bei Festgeld über die gesamte Anlagedauer fix. Wer etwa einjähriges Festgeld zu 3 Prozent wählt, erhält nach einem Jahr 3 Prozent Zinsen auf seinen eingezahlten Betrag.

Anders als Tages- und Festgeld sind Geldmarktfonds nicht durch die deutsche Einlagensicherung geschützt, die derzeit bei 100.000 Euro pro Kunde und Bank liegt. Trotzdem gelten Fonds, die in Geldmarktpapiere investieren, als vergleichsweise sicher.

„Grundsätzlich kann eine Verunsicherung an den Kapital- und Anleihemärkten zu Schwankungen einzelner Titel im Geldmarktfonds-Portfolio führen“, sagt DWS-Experte Reiter. Das könne auch kurzfristig den Kurs eines Fonds belasten. „Geldmarktfonds sind jedoch sehr konservativ aufgestellt und zielen darauf ab, Wertschwankungen zu reduzieren. Das schaffen sie mit hohen Barmittelquoten von 15 bis 35 Prozent, kurzen Laufzeiten und niedrigen Zinsänderungsrisiken der gehaltenen Anleihen sowie einem Fokus auf eine gute bis sehr gute Bonität.“ Außerdem stellen Geldmarktfonds Sondervermögen dar: „Die Insolvenz der Investmentgesellschaft führt also nicht zum Verlust des eingesetzten Kapitals“, erklärt der DWS-Fondsmanager.

Aber: Ein Restrisiko bleibt. In vielen Geldmarktfonds stecken Anleihen und andere Papiere von Banken. Sollte eine Bank Insolvenz anmelden, wie wir es gerade in den USA oder der Schweiz gesehen haben, könnte durchaus ein kleiner Teil des Fondsvolumens futsch sein.

Wichtig zu wissen: Während der Bankenkrise 2008 schlitterten einige Geldmarktfonds in die Pleite. Schuld daran waren allerdings nicht die Papiere im Fondsdepot, sondern panische Anleger. Sie zogen aus Angst vor Verlusten ihr Kapital im großen Stil aus Geldmarktfonds ab.

Bei einigen Fonds war das Management nicht mehr in der Lage, den Rückzahlungswünschen der Anleger nachzukommen und musste den Fonds liquidieren. Die Folge: Anleger mussten lange auf die Rückzahlung warten oder erlitten sogar Verluste. Zwar ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir bald eine neue Bankenkrise sehen. Aber sehr vorsichtige Anleger sollten lieber auf Geldmarktfonds setzen, die nur in Staatsanleihen mit guter Bonität investieren.

Im Vergleich zu Tages- und Festgeld müssen Anleger beachten, dass für Geldmarktfonds Verwaltungsgebühren fällig werden. Aktiv verwaltete Geldmarktfonds müssen keine schlechte Wahl sein: Denn sie verlangen mittlerweile sehr niedrige Gebühren. Viele Geldmarktfonds mit aktiver Portfoliosteuerung haben laufende Kosten von unter 0,2 Prozent pro Jahr. Das liegt auf der Höhe von Geldmarkt-ETFs.

Worauf sollte man bei der Auswahl von Geldmarktfonds oder -ETFs achten?

Die Auswahl an Geldmarktfonds ist hierzulande riesig. Wer auf den bekannten Finanzportalen sucht, findet mehr als 1.500 Geldmarktfonds und -ETFs, in die man als deutscher Anleger investieren kann. Doch zwischen den einzelnen Produkten gibt es Unterschiede. Wer in Geldmarktfonds investieren möchte, sollte genau hinsehen. Zur Orientierung können die folgenden Fragen dienen.

Wie hoch sind die Gebühren? Die laufenden Kosten sind für Geldmarktfonds besonders wichtig. Denn kurzlaufende Schuldtitel bringen nur zwei bis drei Prozent Rendite, weshalb die Fondsgebühren die Rendite nicht auffressen dürfen. Daher gilt: Je niedriger die Gebühren eines Fonds oder ETFs, desto besser. Besonders genau hinsehen sollten Interessierte beim Ausgabeaufschlag. Bei manchen Fonds werden 5 Prozent des gesamten Anlagebetrages allein beim Kauf fällig – was die Renditeaussichten ruiniert. Besser beraten ist man, in Fonds zu investieren, die keinen Ausgabeaufschlag verlangen oder gleich Geldmarkt-ETFs zu nehmen.

In welche Titel investiert der Fonds? Geldmarktfonds, die hauptsächlich in Staatsanleihen von Ländern wie Deutschland, Luxemburg oder den Niederlanden investieren, haben ein sehr geringes Risiko. Das liegt an der guten Bonität der Schuldner, die einen Ausfall der Rückzahlung sehr unwahrscheinlich machen. Ebenfalls als vergleichsweise sicher gelten Kommunalobligationen oder Papiere von Förderbanken wie der KfW. Fonds, die neben Staatspapieren viele Unternehmensanleihen oder Banktitel enthalten, sind risikoreicher. Je nach eigenem Risikoprofil sollte man den passenden Geldmarktfonds wählen.

Wie gut ist die Bonität der Schuldner? Wer in den Unterlagen zu einem Fonds blättert, findet oft Angaben zum Kreditrating der gehaltenen Papiere. Ratingagenturen wie Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch vergeben die Höchstnote AAA nur an die zahlungsfähigsten Darlehensnehmer. Und je höher der Anteil der Schuldner mit Bestnote im Fonds, desto besser. Generell gilt: Alle Papiere im Investmentgrade-Bereich (AAA bis BBB) sind vergleichsweise sicher. Hält ein Fonds oder ETF jedoch mehr Anleihen ohne Investment-Grade-Rating, steigt das Risiko.

Wie lange sind die Laufzeiten der Papiere? Viele Geldmarktfonds halten mehrheitlich Schuldtitel mit kurzen Restlaufzeiten von nur zwei oder drei Monaten. Das bedeutet: Nach zwei oder drei Monaten fließt der Nennwert der Anleihe an den Fonds zurück. Zu beachten ist: Je mehr Titel mit kürzerer Laufzeit ein Fonds hält, desto besser. Hält der Fonds viele Papiere mit Restlaufzeiten von zwölf Monaten oder länger, ist das nicht zu empfehlen.

Für wen sind Geldmarktfonds geeignet?

Geldmarktfonds sind nur ein Mittel, um Geld kurzfristig zu parken – etwa für zwei oder drei Monate. Und das mit einer attraktiveren Verzinsung als bei Tagesgeld. „Geldmarktfonds sind für Anleger interessant, die mit ihren Einlagen oberhalb der Einlagensicherung liegen oder sich in Zeiten höherer Unsicherheit im Bankensektor mit der Höhe ihrer Einlagen bei einem Finanzinstitut unwohl fühlen“, sagt DWS-Fondsmanager Reiter. Vorteil eines Geldmarktfonds gegenüber dem Festgeld ist laut Reiter die schnelle Verfügbarkeit: Anleger können in der Regel innerhalb von zwei Bankarbeitstagen auf ihr Kapital zugreifen.

Wichtig zu beachten: Geldmarktfonds sind für den langfristigen Vermögensaufbau nicht die passende Lösung. Denn sollte das Zinsniveau wieder sinken, sinken auch die Renditen der Papiere, in die der Fonds investiert. Hinzu kommt die Inflation. Laut Statistischem Bundesamt lag hierzulande die Teuerungsrate im April 2023 im Vergleich zum Vorjahr bei 7,2 Prozent. Manche Geldmarktfonds bieten aktuell eine Rendite von 3 Prozent, manche etwas weniger. Egal wie die Verzinsung ausfällt: Unterm Strich bleibt für Anleger keine Realrendite übrig. Wer langfristig anlegen möchte, sollte sein Erspartes lieber in andere Vermögenswerte stecken – vor allem in Aktien, die langfristig verlässlich Schutz vor der Inflation bieten.

***

Martin Grajner ist freier Journalist. Sein Schwerpunkt sind Börsen- und Finanzthemen, vor allem mit Nachhaltigkeitsbezug. 

 

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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