Es ist eine Kandidatur der besonderen Art, die sich heute um Mitternacht deutscher Zeit vollzogen hat. In einem technisch holprigen Twitter-Gespräch mit dem schillernden Unternehmer Elon Musk hat Ronald Dion „Ron“ DeSantis seine Kandidatur um das Rennen ins Weiße Haus bekanntgeben. Tatsächlich war allenfalls die Art der Verkündung eine Überraschung. Die Kandidatur des Gouverneurs von Florida und Sprössling italienischer Einwanderer selbst war lange erwartet worden. Und so hatte schon in den Vorwochen Ex-Präsident Donald Trump, der in DeSantis seinen gefährlichsten innerparteilichen Widersacher sieht, diesen mit einer Kanonade von negativen Werbespots eingedeckt. Nach Infoformationen der New York Times sollen Trump nahestehende Aktivistengruppen rund 13 Millionen Dollar für Spots ausgegeben haben, die sich gegen eine Kandidatur von DeSantis richteten. Hinzu kam, dass dem sonst so eloquenten Gouverneur ein Kommunikativer Patzer unterlaufen war, als er sich in einen Streit mit dem Disney-Konzern begab.
Der Konzern hatte ein Gesetz in Florida kritisiert, woraufhin DeSantis´ als Gouverneur den Selbstverwaltungsstatus des Areals von Disney World mit Steuerprivilegien einschränkt hatte. Kommunikativ blieb bei nicht wenigen der Eindruck, dass DeSantis auf Kritik äußerst dünnhäutig reagiert. Ergebnis des Dauerfeuers Trumps und seines eigenen Patzers: DeSantis, der lange in den Umfragen mit Trump gleichauf lag oder sogar geführt hatte, ist nun deutlich hinter den Ex-Präsidenten zurückgefallen. Die jüngste CNN-Umfrage sieht Trump im Feld der republikanischen Bewerber mit 53 Prozent in Führung, deutlich vor DeSantis mit 26 Prozent (die restlichen möglichen republikanischen Bewerber liegen im eher unteren einstelligen Bereich).
Doch das kann sich sehr schnell ändern. Zum einen haben – so die Umfrage von CNN – 80 Prozent der potenziellen Wähler der Republikaner sich noch gar nicht für einen Kandidaten entschieden. Zu anderen ist der Offizier, Jurist und Harvard-Absolvent DeSantis, der auch „Trump mit Hirn“ genannt wird, mindestens genauso konservativ wie sein innerparteilicher Widersacher Trump. DeSantis verfolgt in Florida eine unnachsichtige Immigrationspolitik und in gesellschaftspolitischen Fragen steht er nicht selten rechts von Trump. Das führt zwar zur scharfen Ablehnung weiter Teile der amerikanischen Bevölkerung; gerade Angehörige von Minderheiten aber auch berufstätige Frauen lehnen ihn entschieden ab. Doch das muss für DeSantis bei den Vorwahlen kein Nachteil sein: Die Wählerschaft der Republikaner, die an den Vorwahlen teilnimmt, besteht nur zu einem geringeren Teil aus Angehörigen von Minderheiten, auch berufstätige Frauen sind unterrepräsentiert. Zum anderen sieht sich DeSantis im Gegensatz zu Trump nicht einer Flut von Klagen ausgesetzt. Dies aber könnte für Trump langfristig ein Problem werden – denn nicht wenigen konservativen Republikanern ist der Gedanke eher unheimlich, dass ihr Kandidat für das höchste Amt Dauergast bei den Gerichten ist. Und schließlich spricht das Alter für den erst 44-jährigen DeSantis – besonders im Vergleich zu seinem Rivalen Trump, der im nächsten Monat seinen 77. Geburtstag feiert. Und erst im Vergleich mit Biden, der in diesem Jahr 81 Jahre alt wird und im Falle eines Sieges bei der Präsidentschaftswahl am Ende der Legislaturperiode gar 86 Jahre alt wäre.
Und noch ein Umstand sollte all denen zu denken geben, die eine Kandidatur von Ron DeSantis ob des Rückstands in den Umfragen für aussichtslos halten. Dem Hardliner ist es zwei Mal gelungen, in dem Sunshine State die Gouverneurswahlen zu gewinnen. Die erste Wahl war zwar knapp, seine Wiederwahl aber mit mehr als 59 Prozent der Stimmen dafür ziemlich deutlich. Dabei ist Florida keine Hochburg der Republikaner. Der Sunshine State ist soziologisch höchst heterogen. Eine eher ländlich-konservative Bevölkerung im Norden trifft in diesem Staat auf eindeutig demokratische Hochburgen im eher dichtbevölkerten südlichen Teil. Deshalb gilt Florida als ein klassischer Swing State, ein Staat also, der weder den Republikanern noch den Demokraten eindeutig zuzurechnen ist. So gewannen seit 1996 bei Präsidentschaftswahlen dort die Republikaner vier Mal, die Demokraten aber immerhin drei Mal.
In einer Analyse kommt die New York Times zu dem Schluss, dass wenn es DeSantis gelingen sollte, gegen Trump in den Vorwahlen zu bestehen, seine Chancen gegen Biden in der Präsidentschaftswahl im November nächsten Jahres ziemlich gut sind. Zum einen könnten die Wähler durchaus honorieren, dass der Kandidat, nach dem er den Feuersturm von Trump in den Vorwahlen überstanden hat, gestählt in die Auseinandersetzung mit dem Präsidenten geht. Zum anderen ist der Präsident selbst äußerst verwundbar. Eine jüngste Umfrage, die von der Washington Post und vom Sender ABC in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass die Amerikaner wenig Zutrauen in Biden haben. Die Mehrheit bezweifelt inzwischen, dass Biden dem Amt gesundheitlich gewachsen ist. Selbst unter Demokraten ist seine erneute Kandidatur höchst umstritten: Nur 47 Prozent der Demokraten sind dafür, genauso viele aber dagegen. Wenig Zutrauen haben die Amerikaner auch in Bidens ökonomische Kompetenz. Sollte es also DeSantis gelingen, auf seine ökonomischen Erfolge in Florida zu verweisen, so könnte ihm das bei den Wahlen genau in den Schichten die Stimmen bringen, die sich um ihre wirtschaftliche Situation sorgen. Das könnten am Ende die entscheiden Stimmen sein.