Vor Beginn der europäischen Energiekrise fristete der nun als wesentlicher Teil der Lösung proklamierte Wasserstoff ein Schattendasein. Trotz dessen vielfältiger Anwendungsgebiete, vor allem in der Stahlindustrie und der Chemiebranche, wo es Erdöl und Kohle substituieren kann sowie als alternativer Brennstoff für die Öfen in der Glas- und Zementherstellung, fand dieser Energieträger gerade in der Automobilindustrie nicht aus seiner Nische heraus. Jetzt, da die notgedrungene Suche nach alternativen Energiequellen auf die bereits vor Ausbruch des Ukraine-Krieges bestandenen planmäßigen Dekarbonisierungsbemühungen trifft, nimmt dessen Bedeutung jedoch rasant zu, auch als mögliche Alternative zum noch als Maß aller Dinge geltenden batteriebetriebenen Elektromotor. Dieser ist jedoch nur in der Theorie, und den Hochglanzprospekten der Automobilbauer, eine saubere Lösung, werden dabei doch geflissentlich die Augen vor Umweltverschmutzung und menschlichen Tragödien bei Förderung und Verarbeitung der dafür notwendigen Rohstoffe sowie dem bereits absehbaren zukünftigen Entsorgungsproblem des dadurch erzeugten Sondermülls verschlossen. Auch, dass einige Segmente des Mobilitätsbereichs, wie der Schiffs- und Flugverkehr, per se nur schwer elektrifizierbar sind, sowie die selbst für den Straßenverkehr dafür auf absehbare Zeit unzureichende Infrastruktur, machen diesen Energieträger als Treibstoff interessant. Die Schwierigkeiten, die ihn bisher am Durchbruch hinderten, bestehen jedoch nach wie vor.
Für den Mobilitätsbereich nicht ideal
Um Wasserstoff zu erzeugen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Am verbreitetsten ist der sogenannte „graue Wasserstoff“, der durch die sehr energieaufwändige und emissionsreiche Trennung von Erdgasmolekülen gewonnen werden kann. Andere Erzeugungsmöglichkeiten führen zu blauem und türkisem Wasserstoff. Im wesentlichen emissionsfrei, und damit die wünschenswerte Variante, ist lediglich der sogenannte grüne Wasserstoff. Dieser wird mittels Elektrolyse gewonnen, ein Verfahren, bei dem elektrischer Strom durch Wasser in ein als Elektrolyseur bezeichnetes Gerät geleitet wird, um Wasserstoffatome von Sauerstoff zu trennen. „Grün“ wird der Wasserstoff dadurch, dass der für den Betrieb des Elektrolyseurs verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Um Elektrizität zu erzeugen, wird Wasserstoff in Brennstoffzellen mit Sauerstoff vermischt, als Abfallprodukt tritt lediglich Wasser aus. Die große Schwierigkeit, die mit Wasserstoff im praktischen Gebrauch verbunden ist, besteht darin, dass dieser unter normalen irdischen Bedingungen gasförmig ist. Erst bei minus 263 Grad Celsius wird Wasserstoff flüssig und ist damit im Transportwesen überhaupt erst sinnvoll einsetzbar. Steigt die Temperatur darüber, wechselt der Aggregatzustand, was mit einer enormen Ausdehnung verbunden ist. Ein einziger Liter Wasserstoff bedeckt bei Raumtemperatur in etwa die Fläche eines Fußballfeldes, man muss ihn also stets unter sehr hohem Druck komprimieren. Dieser Umstand macht die Verwendung in Autos, Schiffen oder Flugzeugen nicht ganz risikolos. Daneben spricht ein ganz profaner wirtschaftlicher Grund gegen dessen Nutzung: der Bau einer entsprechenden Tankstelle, die in der Lage ist, Wasserstofffahrzeuge mit bis zu 800 bar Druck zu betanken, wird derzeit mit im Schnitt zwei Millionen Euro veranschlagt. Und selbstverständlich ist bislang keine entsprechende Infrastruktur vorhanden. Eine Lösung könnte Methanol sein.
Wasserstoff + CO2 = Methanol
Methanol dient vor allem der chemischen Industrie als Grundstoff für eine breite Palette von chemischen Produkten, kann jedoch auch als Kraftstoff eingesetzt werden. Hergestellt wird es, indem Wasserstoff mit CO2 (gehen wir einmal davon aus, dass uns dieses Gas noch eine Weile in ausreichender Menge zur Verfügung steht) vermischt wird. Da es seinerseits flüssig ist, kann es leicht per Tankwagen oder Pipeline transportiert und zudem ohne kostenintensive Umbauten über das bereits bestehende Tankstellennetz vertrieben werden. Damit entfallen die Herausforderungen bezüglich Kühlung und Druck des Wasserstoffs. Im Fahrzeug selbst wird das Methanol dann gefahrlos zu Wasserstoff umgewandelt und in der verbauten Brennstoffzelle die Elektrizität für den Elektromotor erzeugt.
Grünes Methanol ist noch Mangelware
Methanol ist weltweit weit verbreitet und wird in der Industrie für Kunststoffe, Lacke, Autoteile und Baumaterialien genutzt und kann auch als Kraftstoff für Fahrzeuge, Schiffe oder Heizkessel verwendet werden. Während die aus fossilen Brennstoffen hergestellte Methanolindustrie bereits gut etabliert ist, gibt es bei grünem Methanol, also solchem, bei dem der zu Grunde liegende Wasserstoff aus regenerativen Energiequellen gewonnen wird, noch viel Raum für Wachstum. Die Herstellung und Verwendung von herkömmlichem Methanol verursacht etwa 165 Millionen Tonnen Kohlenstoffemissionen pro Jahr, was etwa 0,3 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen entspricht. Obwohl die grüne Methanolindustrie derzeit noch unterentwickelt ist, wird erwartet, dass der Markt in den kommenden Jahrzehnten erheblich wachsen wird. Grünes Methanol kann für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, und könnte auch für die Automobilindustrie als Alternative zum batteriegespeisten Elektromotor interessant werden. Das größte Marktwachstum wird allerdings in der Schifffahrtsindustrie erwartet, die allmählich zur Verwendung erneuerbarer Kraftstoffe übergeht. Mehrere Länder rund um den Globus sind bereits dabei, ihre Kapazitäten auszubauen und verschiedene Industrie- und Verkehrsknotenpunkte vorzubereiten, um auf diesen Nachfrageanstieg vorbereitet zu sein. Die Vorreiterrollen spielen momentan Indien, Australien und Ägypten (!), aber auch dänische und französische Unternehmen haben sich einem Konsortium angeschlossen, um die Entwicklung dieses Kraftstoffes voranzutreiben.
Deutschland verpasst seine Chance
Während Deutschland damit beschäftigt ist, seine moralische Vorreiterrolle in der Welt auszubauen, dürfte es im Wettbewerb um die Führungsposition bei der Herstellung von grünem Methanol wohl keine Rolle spielen. Dies könnte auch daran liegen, dass die hier bestehende Wasserstoff-Lobby eine Bewegung in diese Richtung ganz bewusst blockiert. Man darf nicht vergessen, dass die Bundesregierung Deutschland ganz offiziell zum wichtigsten Wasserstoffland der Welt zu machen gedenkt. Und das ist nicht nur eines dieser moralisch hochgesteckten Ziele, sondern eines, welches mit 9 Milliarden Euro Fördergeldern auch sehr gut gepolstert ist. Dass Methanol, als Wasserstoffträger, ebenfalls als Wasserstoff gefördert werden sollte, hängt man als Vertreter einer entsprechenden Lobbygruppe dann verständlicherweise eher nicht an die große Glocke.