Präsident Joe Biden und der Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy haben zwar kurz vor Toresschluss eine Vereinbarung zur Begrenzung der Staatsverschuldung ausgehandelt, doch durchgestanden ist die Krise noch lange nicht. Noch müssen beide die Vereinbarung durch den Kongress bringen, und bis zum Stichtag am 5. Juni bleiben nur noch wenige Tage. Falls Biden und McCarthy den zu erwartenden Widerstand im Repräsentantenhaus überwinden können, wird das Abkommen an den Senat weitergeleitet. Dort wiederum könnte ein einzelner Einwand zeitraubende Verfahren auslösen, die die Vereinigten Staaten doch noch an den Rand ihres ersten Zahlungsausfalls bringen könnten. Das klingt alles höchst dramatisch, aber, wie schon in der vergangenen Woche erläutert, am Ende dürfte das ganze Theater wieder einmal zu einem gütlichen Schluss finden.
Rückenwind durch höhere Schuldengrenze eher begrenzt
Jedenfalls trieben erleichterte Händler schon einmal Aktien- und Anleihemärkte in die Höhe, der in Erwartung eines Deals seit über zwei Wochen erstarkende US-Dollar scheint nun, kurz vor Erreichen vollendeter Tatsachen, sein Rennen gelaufen zu sein, was auch den Edelmetallen hilft, die stark unter der Dollar- und Anleiherenditeentwicklung litten. Allerdings ist die zwischen Biden und McCarty getroffene Vereinbarung eher als „neutral“ zu beschreiben.
„Neutral“ deshalb, weil dieses Abkommen zwar eine zweijährige Ausgabenobergrenze festlegt, die mit Beginn des am 1. Oktober beginnenden Haushaltsjahres in Kraft tritt, aber das für das nächste Jahrzehnt prognostizierte Haushaltsdefizit von insgesamt rund 20 Billionen Dollar kaum verringert, da es nur einen Teil der diskretionären Ausgaben betrifft. Darüber hinaus bleiben die Bereiche des Sozial- und Gesundheitswesens davon unangetastet. Unter dem Strich bedeuten diese Aussichten für die politischen Entscheidungsträger der Fed, dass die Staatsausgaben in Zukunft zumindest einen neutralen Beitrag zum Wachstum leisten werden, was einen weiteren Gegenwind für die Wirtschaft darstellt, zusätzlich zum Anstieg der Zinssätze und der Verknappung der Kredite, die durch die Bankenkrise im Frühjahr verursacht wurden. Angesichts dieser Neutralität dürften sich nicht wenige nun wieder anderen Fundamentaldaten zuwenden.
Doch keine Pause in der Zinspolitik?
Etwas, das es lohnt im Auge zu behalten, ist die wieder wachsende Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung im Juni. Bisher war von einer „Pause“ und einem „Überspringen“ die Rede, aber die vom Markt erwartete Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung ist dank der anhaltend robusten Wirtschaftszahlen und der festen Inflationsdaten wieder größer geworden. Am Freitag wurden mit dem PCE-Deflator die jüngsten Zahlen zu den persönlichen US-Konsumausgaben veröffentlicht. Die Kernrate stieg dabei im April sowohl im Monats- als auch im Jahresvergleich weiter an und lag in beiden Fällen auch oberhalb der Erwartungen. Will man also datenabhängig bleiben, was für die US-Notenbank in Bezug auf ihre Zinsentscheidungen nach eigenem Bekunden wichtig ist, fällt es nicht ganz leicht, Argumente für einen Verzicht auf eine Zinserhöhung im Juni zu finden. Eher das Gegenteil ist der Fall, da die Daten die Argumente für eine Zinserhöhung untermauern. Dennoch, ein solches Vorgehen wäre eine große Überraschung, eine „Nullnummer“ bleibt das realistischste Szenario für den Termin Mitte Juni, wohl aber mit dem deutlichen Hinweis versehen, dass das Thema Zinssenkung noch sehr, sehr weit in der Zukunft liegt.
Diesseits des Atlantiks indes scheint die Lage klarer. Nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied Pablo Hernandez de Cos nähert sich die EZB dem Punkt, an dem sie die Zinsen nicht mehr erhöhen kann. Nicht zuletzt auch deshalb, da Deutschland, als bisheriger europäischer Wirtschaftsmotor, mit vernehmbaren Stottern in die Rezession rutscht. Der Zusammenbruch Deutschlands ökonomischer Widerstandskraft bedeutet Probleme für den ganzen Kontinent und lässt eine weitere Schwächung durch steigende Kreditkosten trotz nach wie vor lebendigem Inflationsthema nicht zu.
Gold mit Konkurrenz
Für Gold wäre eine ausbleibende Pause in der laufenden Zinserhöhungsphase der USA keine gute Nachricht, nicht nur hinsichtlich Dollar und Anleihen, die abermals Sand ins Getriebe streuen würden, auch die Konkurrenz aus Richtung Aktien belastet. Das scheint ein wenig paradox, hatte man sich doch darauf geeinigt, dass die Bewertungen vieler Unternehmen, speziell im Tech-Bereich, durch niedrige Zinsen und überschüssige Liquidität „künstlich“ aufgebläht seien. Ein Nasdaq-Index auf mehr als 1-Jahres-Hoch kommt inmitten eines laufenden Straffungszyklus eher unerwartet, jedoch führt die Suche nach sinnvollen Anlagemöglichkeiten im wirtschaftlich schwierigem Umfeld mit unklarer Zinsentwicklung und bestehenden Rezessionssorgen derzeit nicht in Richtung des sicheren Hafens, sondern hin vor allem zu Wachstums-Titeln. Offenbar sehen Anleger selbst bei hohen Kursen noch Anreize, Voraussetzung sind allerdings robuste Cashflows und vielversprechende Einnahmen. Interessanterweise zeigt der jüngste Commitments-of-Traders-Report für Gold wieder steigende Kaufbereitschaft seitens der Marktteilnehmergruppe der Commercials (Bergbauunternehmen, Raffinerien, etc., das sogenannte „Smart Money“ mit dem fundamental besten Markteinblick). Diese hatten den Preisanstieg seit Anfang November letzten Jahres zum Aufbau frischer Absicherungspositionen am Terminmarkt genutzt (sprich: Verkäufe) und stellen diese nun wieder glatt. Dies ergänzt das charttechnische Bild, nachdem Gold mit dem Preisrutsch zum Start der laufenden Woche auf der Unterseite des seit November laufenden Aufwärtstrends aufgesetzt und wieder nach oben abgedreht hat.