Deutschland

Schufa-Urteil des EuGH könnte Rechte von Kreditnehmern stärken

Lesezeit: 3 min
31.05.2023 14:25  Aktualisiert: 31.05.2023 14:25
Es ist ein Urteil, das in Deutschland Millionen Menschen betrifft: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Schufa, das demnächst erwartet wird, könnte dem Einzelnen deutlich mehr Rechte geben.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Schufa Holding AG (vormals Schufa – „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“) ist ein Datenriese, ohne dem im alltäglichen Geschäftsleben in Deutschland fast gar nichts geht. Das Unternehmen verfügt über 943 Millionen Einzeldaten zu 67,9 Millionen Menschen und zu sechs Millionen Unternehmen. Die Schufa bearbeitet jährlich mehr als 165 Millionen. Anfragen zur Kreditwürdigkeit. Ein Kredit in Deutschland ist also praktisch ohne die Daten der Schufa kaum denkbar.

Schufa-Urteil betrifft Millionen Bürger

Doch ein Fall, den am Ende das Verwaltungsgericht in Wiesbaden zu entscheiden hatte, könnte vieles verändern. Ein Kläger hatte die Schufa verklagt, nachdem ihm ein Kredit verwehrt wurde. Er wollte von der Schufa wissen, auf welcher Grundlage sie seine Kreditwürdigkeit negativ einschätzt.

Die Schufa allerdings teilte ihm nur seinen automatisierten Score-Wert zu seiner Kreditwürdigkeit mit sowie einige allgemeine Informationen zu seiner Berechnung. Am Ende wollte das Verwaltungsgericht in Wiesbaden, das über diese Praxis zu entscheiden hatte, nicht allein darüber befinden und legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor, damit dieser klärt, inwieweit die Praxis der Schufa mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Einklang steht.

Der Generalanwalt des Gerichts fand das nicht – denn die DSGVO schreibt in ihrem Artikel 22 vor, dass Entscheidungen, die für Betroffene rechtliche Wirkung entfalten, nicht durch eine die automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden können – Maschinen sollen, so der Gedanke – nicht über Menschen entscheiden.

Geschäftsmodell der Schufa steht auf der Kippe

In einer Analyse der Anwaltskanzlei WBS, die auf Fragen von IT-, Medien- und Internetrechts spezialisiert ist, kommen ihre Rechtsexperten zu dem Schluss, dass ein Kernstück der Geschäftstätigkeit der Schufa damit auf der Kippe stehen könnte. Zwar könnten letztlich Banken oder beispielsweise Mobilfunkanbieter immer selbst entscheiden, ob sie auf der Grundlage eine negativen Score-Wertes Verträge eingehen; letztlich führe aber ein negativer Score-Wert „jedoch immer“ zu negativen Konsequenzen.

Daher, so die Anwälte der Kanzlei WBS in ihrer Analyse, sei die Situation letztlich dieselbe wie bei einer vollständig automatisierten Entscheidung. Sollte dies das Gericht genauso sehen, so verstieße das bisherige Verfahren der Schufa gegen EU-Recht und müsste folglich grundlegend reformiert werden.

Zumindest würde dies bedeuten, dass jedermann ein entsprechendes Auskunftsrecht gegenüber der Schufa hätte. Gäbe dann die Schufa die Daten nicht in hinreichendem Maße preis, verstieße das gegen die DSGVO und könnte Schadenersatz-Forderungen nach sich ziehen, so die rechtliche Einschätzung einer anderen Kanzlei. Dies liefe dann letztlich auf eine deutliche Stärkung der Rechte des Einzelnen hinaus, der dann von der Schufa nicht nur deutlich mehr und präzisere Informationen verlangen könnte, sondern diese auch rechenschaftspflichtig wäre.

Doch sieht die Sprecherin der Schufa, Tanja Panhans, den Spruch des EuGH mit Gelassenheit entgegen. Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) weist sie darauf hin, dass das automatische Scoring der Schufa, erst dann laut DSGVO zu einem Problem werde, wenn diese „maßgeblich“ für die Entscheidung eines Kreditgebers war. Panhans erklärt, dass der Generalanwalt nicht das Scoring der Schufa selbst, sondern die mögliche Verwendung durch Banken oder andere Kreditgeber beanstandet hatte.

Dabei gehe es dem Generalanwalt, so Panhans, um die Frage, ob der Kreditgeber die Scores der Schufa „in maßgeblicher Weise“ seiner Entscheidung über die Gewährung eines Kredites zugrunde lege. Der Standpunkt der Schufa sei es, dass die Schufa selbst keine Entscheidung über die Gewährung eines Kredits treffe, sie lediglich die angeschlossenen Unternehmen mit ihren Auskünften bei der Entscheidung unterstütze.

Mit einer Entscheidung des EuGH in dieser Frage wird noch in diesem Sommer oder kurz nach der Sommerpause gerechnet. Jedoch ist dann davon auszugehen, dass die Anpassung des deutschen Rechts, die dann nach dem Spruch der Luxemburger Richter möglicherweise erforderlich werden, noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde.

Wie der Datenriese Schufa entstand

Die Schufa ist die größte Auskunftei in Deutschland und ob der Datenmenge und ihrer Tradition das mit Abstand bekannteste Unternehmen seiner Art. Gegründet wurde die Schufa im Jahre 1927 in Berlin. Die Berliner Städtische Elektrizitäts-Aktiengesellschaft verkaufte damals neben dem Hauptprodukt Strom auch auf Raten finanzierte Haushaltsgeräte. Die Ratenzahlungen wurden damals zusammen mit der Stromrechnung beglichen, und nur regelmäßig zahlende Kunden wurden mit Elektrogeräten versorgt.

So entstand ein System zur Beurteilung des Zahlungsverhaltens. Aufgrund der so gesammelten Erfahrungen gründeten leitende BEWAG-Mitarbeiter im Jahr 1927 die Schutzgemeinschaft für Absatzfinanzierung in Berlin. In der Folge entstanden 13 weitere regionale Schufa-Gesellschaften in ganz Deutschland. 1952 wurde die Bundes-Schufa e. V. von den 13 nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland wiedererstandenen Regionalgesellschaften gegründet.

Die Schufa mit ihren mehr als 900 Mitarbeitern ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Wiesbaden. Sie befindet sich im Besitz von Genossenschaftsbanken (14,1 Prozent), Sparkassen (27,8 Prozent), Kreditbanken 29,8 (Prozent) sowie Handelsunternehmen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik AfD verhilft CDU-Anträgen in Europaparlament zu Mehrheit
15.11.2024

Eine CDU-Europaabgeordnete will Änderungen an einem EU-Waldschutzgesetz. AfD-Politiker unterstützen das. Steht die sogenannte Brandmauer?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shopify-Aktie: Steile Kurve, gute Zahlen - Comeback des Software-Spezialisten
15.11.2024

In Sachen E-Commerce kommen Online-Händler nicht mehr an Shopify vorbei. Das von einem deutschen Programmierer in Kanada gegründete...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis: Nicht jeder Anleger ist von Trump-Aktienrally überzeugt - was nun wichtig ist!
14.11.2024

Seit der Wiederwahl von Donald Trump steigen die Aktienkurse an den US-Börsen kräftig. Aktien von Unternehmen wie Tesla oder Anbieter aus...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission verhängt Millionenstrafe gegen Meta
14.11.2024

Die EU-Kommission hat Meta eine Strafe von fast 800 Millionen Euro auferlegt, weil der Facebook-Mutterkonzern seinen Online-Marktplatz...

DWN
Politik
Politik EU-Chefdiplomat schlägt vor, Dialog mit Israel auszusetzen
14.11.2024

Als Reaktion auf die israelische Kriegsführung im Gazastreifen plant EU-Chefdiplomat Josep Borrell, den regelmäßigen politischen Dialog...

DWN
Politik
Politik Trumps illustres Kabinett: Ein Tech-Milliardär, ein TV-Moderator und eine Ex-Demokratin
14.11.2024

Es geht Schlag auf Schlag: Donald Trump als designierter US-Präsident verkündet seine Kandidaten für die Regierung. Mit dabei: ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratie in Deutschland kostet jährlich 146 Milliarden Euro
14.11.2024

Bürokratie-Abbau soll Kosten sparen. Durch die überbordende Bürokratie entgehen Deutschland bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr an...

DWN
Politik
Politik BSW: Regierungsbeteiligung nicht ausgeschlossen
14.11.2024

Das Bündnis Sahra Wagenknecht begrüßt die vorgezogene Neuwahl des Bundestages. Logistisch ist das für die junge Partei aber eine...