Deutschland

Trotz Rekordeinnahmen: ARD und ZDF wollen noch mehr Geld

Neue Berechnungen ergeben: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat noch mehr Einnahmen als angenommen, eine Senkung des Rundfunkbeitrages wäre theoretisch möglich. Doch von Zurückhaltung wollen die chronisch gebührendurstigen Sender nichts wissen.
Autor
23.05.2023 12:30
Aktualisiert: 23.05.2023 12:30
Lesezeit: 3 min
Trotz Rekordeinnahmen: ARD und ZDF wollen noch mehr Geld
Steht die nächste Gebührenerhöhung ins Haus? (Foto: iStock.com/rootstocks) Foto: rootstocks

Tatsächlich stieß die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), die den Finanzbedarf des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks festsetzt, auf eine Art stille Reserve. Denn in der noch laufenden Beitragsperiode von 2021 bis 2024 haben sich die Einnahmen aus den Gebühren weit positiver entwickelt als zuvor angenommen wurde. Bei der ursprünglichen Finanzplanung wurde – bedingt durch die Pandemie – eine deutliche Wirtschaftsflaute prognostiziert. Dies hätte direkte Auswirkungen auf den Fluss der Gebührengelder gehabt, da dann ein erheblicher Teil der Arbeitslosen- und Sozialhilfe-Empfänger von der Zahlung der Rundfunkbeitrag befreit gewesen wäre. Tatsächlich aber war der Verlauf der Wirtschaftsentwicklung deutlich positiver als befürchtet. Zugleich ist die Zahl der Wohnungen in Deutschland gestiegen, was zusätzlich die Einnahmen von ARD, ZDF und Deutschlandfunk erhöhte.

Der Vorsitzende der KEF, Professor Martin Detzel, betont im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass überschüssige Beiträge nicht von den Anstalten ausgegeben werden dürfen. Zwar hatte der Sender RBB seinen Anteil an den Mehreinnahmen für neue Vorhaben verbucht, musste aber dieses aber nach den Vorgaben der KEF wieder aus der Planung herausnehmen. Nach Schätzungen der KEF könnten sich diese zusätzlich eingenommenen Mittel, deren endgültige Höhe erst 2024 feststeht, in einer Größenordnung von etwa 50 Cent dämpfend auf die Beitragsentwicklung auswirken.

Dies könnte- theoretisch – auf eine Senkung des Rundfunk-Beitrages hinauslaufen, wenn nicht die Sendeanstalten ganz anderes im Sinn hätten. Für sie ist schon der jetzige monatliche Beitrag in Höhe von 18,36 Euro deutlich zu wenig. Der ARD-Intendant Kai Gniffke (Jahresgehalt 361.000 Euro) will – so Medienberichte - eine Erhöhung des Beitrages – und zwar auf 25,19 Euro. Begründet wird die Forderung, die einer Erhöhung der Gebühren um ein Drittel entspricht, mit der gestiegenen Inflationsrate und den Kosten für die Digitalisierung der Sender. Darüber hinaus, so Intendant Gniffke, wollen die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Deutschland mit internationalen Streaming-Giganten wie Amazon Prime und Netflix mithalten. Für dieses Ziel müsse, so der Intendant, „mehrere hundert Millionen Euro“ investiert werden.

Widerstand in einzelnen Ländern

Doch der Gebührendurst der öffentlich-rechtlichen Anstalten stößt nicht überall auf Zustimmung. Der zuständige Staatssekretär der Staatskanzlei von Sachsen-Anhalt, Rainer Robra, mahnt die Anstalten zur Zurückhaltung – diese sei „angesichts von Berichten über Mehreinnahmen und der zuletzt offenbar gewordenen Misswirtschaft in einzelnen Anstalten“ geboten. Robra fordert von den Sendern, dass „neue Projekte nur durch Einsparungen an anderer Stelle zu realisieren sind“.

Robra verwies in seiner Erklärung darauf, dass Investitionen in die Digitalisierung nur „aus dem Bestand zu finanzieren“ seien. „Jedes Unternehmen muss solche Investitionen durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanzieren“, so der Staatssekretär, denn es sei „nicht vermittelbar, warum dies für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anders sein sollte“. Inzwischen hat auch Robras Chef, der Ministerpräsident des Landes, Reiner Haseloff, die Reißleine gezogen: Eine Erhöhung sei weder gegenüber dem Parlament und erst recht nicht gegenüber der Bevölkerung vermittelbar.

Tatsächlich hat sich gerade in den neuen Ländern mächtig Ärger aufgestaut. Im Sendegebiet des Mitteldeutschen Rundfunks, der die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen umfasst, zahlen bereits 350.000 Menschen keinen Rundfunk-Beitrag – zum einen aus sozialen Gründen, aber zunehmend auch, weil sie die Zahlung schlicht verweigern. Im benachbarten Brandenburg sieht die Lage kaum anders aus, mit der Folge, dass auch der Potsdamer Regierungschef Dietmar Woidke auf die Bremse tritt. Beide haben sich in einer Protokollnotiz des Verwaltungsrats des Zweiten Deutschen für eine Nullrunde beim Rundfunkbeitrag ausgesprochen. Haseloff und Woidke, die beide Mitglieder des ZDF-Verwaltungsrats sind, begründeten ihren Schritt damit, dass „das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk derzeit schwer erschüttert ist“.

Tauziehen um Gebührenerhöhung

Damit ist schon jetzt absehbar, dass es bei der Festsetzung der Gebühren erneut zu einem politischen Tauziehen kommt, da die Festsetzung der Gebühren von den Landesparlamenten bestätigt werden muss. Gerade in den neuen Ländern scheint es aber immer weniger vermittelbar, warum die öffentlich-rechtlichen Sender, denen es immer weniger gelingt, Zuhörer und Zuschauer zu überzeugen, immer mehr Geld bekommen sollen. Denn die öffentlich-rechtlichen Sender werden in diesem Jahr erstmals in ihrer Geschichte die Zehn-Milliarden-Marke an Einnahmen durchbrechen. Errechnet hat diese Zahl das Kölner Institut für Medienpolitik auf der Basis der für 2023 vorgelegten Haushaltspläne. 85 Prozent der Einnahmen stammen allein aus erhobenen Gebühren.

Dass es auch anders geht, zeigt der Nachbar Österreich. Dort hat die Regierung in Wien eine Neuordnung der Finanzierung des ORF, des österreichischen Rundfunks, beschlossen. Zwar wird künftig die Abgabe, wie in Deutschland auch, pro Haushalt erhoben, doch im Gegenzug wird der Rundfunkbeitrag drastisch gekürzt – und zwar von 22,50 auf 15 Euro. Gleichzeitig hat die Medienministerin Österreichs, Sabine Raab, angekündigt, mit harter Hand aufzuräumen und notfalls per Gesetz die Sonderprivilegien beim ORF abzuschaffen. Dabei handelt es sich um Sonderpensionen, „horrende Abfertigungen“ (Abfindungen) und Wohnungszulagen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Phishing schlägt Firewalls: Warum Technik allein nicht schützt
09.11.2025

Firewalls, Verschlüsselung, Millionenbudgets – und doch reicht ein schwaches Passwort oder ein unbedachter Klick, um ein ganzes...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaskraftwerke für Deutschland: Teuer, umstritten und auch politisch fragwürdig
08.11.2025

Können Wind und Sonne nicht genug erneuerbare Energien liefern, sollen bis zu 40 große Gaskraftwerke einspringen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...

DWN
Politik
Politik Donald Trump und die US-Präsidentschaftswahl 2028: Strebt er eine dritte Amtszeit an und geht das so einfach?
08.11.2025

Die Diskussion um Donald Trumps mögliches politisches Comeback zeigt das Spannungsfeld zwischen Recht, Strategie und Macht in den USA....

DWN
Technologie
Technologie Deep Tech als Rettungsanker: Wie Deutschland seine industrielle Zukunft sichern kann
08.11.2025

Deutschland hat große Stärken – von Forschung bis Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettlauf um Technologien zählt längst nicht mehr...

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...