Politik

Deutschland will minderjährigen Migranten Einreise erleichtern

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass minderjährige Migranten und ihre Familien ohne Asyl-Prüfung an den EU-Außengrenzen in die Union einreisen können.
03.06.2023 14:55
Aktualisiert: 03.06.2023 14:55
Lesezeit: 2 min
Deutschland will minderjährigen Migranten Einreise erleichtern
Außenministerin Annalena Baerbock will minderjährige Migranten und ihre Familien ohne Asyl-Prüfung in die EU einreisen lassen. (Foto: dpa) Foto: Annette Riedl

In den laufenden EU-Verhandlungen über neue gemeinsame Asyl-Regeln will sich die Bundesregierung nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock und Bundesfamilienministerin Lisa Paus für Ausnahmen für Minderjährige und Familien einsetzen. Die Ampel-Regierung habe sich darauf verständigt, «Familien mit Kindern unter 18 Jahren sowie alle unbegleiteten Minderjährigen generell aus den vorgesehenen Asylverfahren an den EU-Grenzen auszunehmen», sagte Paus (Grüne) am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.

Man verhandele in Brüssel hart, «um sicherzustellen, dass niemand länger als einige Wochen im Grenzverfahren stecken bleibt, dass Familien mit Kindern nicht ins Grenzverfahren kommen, dass das Recht auf Asyl im Kern nicht ausgehöhlt wird», sagte Baerbock den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag).

Die EU-Innenminister beraten am kommenden Donnerstag in Luxemburg über die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die EU-Staaten versuchen derzeit, sich auf Grundzüge einer Reform zu einigen. Es geht unter anderem um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den europäischen Außengrenzen geben soll.

Baerbock nannte Asylverfahren an den Grenzen «Fluch und Chance zugleich». «Grenzverfahren sind hochproblematisch, weil sie in Freiheitsrechte eingreifen.» Aber der Vorschlag der EU-Kommission sei die einzige realistische Chance, in einer EU von 27 sehr unterschiedlichen Staaten auf absehbare Zeit überhaupt zu einem «geordneten und humanen Verteilungsverfahren» zu kommen. Der Grat sei sehr schmal, kritische Fragen seien wichtig.

«Aber auch ein Nichthandeln hätte bittere Konsequenzen», mahnte die Grünen-Politikerin. Ohne eine gemeinsame europäische Antwort gehe der Trend schon jetzt überall zu «mehr Abschottung, mehr Pushbacks, mehr Zäunen». Und ohne Ordnung an den Außengrenzen sei es nur eine Frage der Zeit, bis ein EU-Land nach dem anderen wieder über Binnengrenzkontrollen rede.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte sich in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» dafür ausgesprochen, in solche Asylvorprüfungen an den Grenzen auch Minderjährige einzubeziehen. «Auf den ersten Blick ist es für mich nicht verständlich, warum man starre Altersgrenzen ziehen sollte. Es braucht einheitliche Regeln, und diese können auch für unter 18-Jährige gelten», sagte er.

Paus lehnte das ab: «Kinder unter 18 Jahren in Grenzverfahren und damit in eine höchst prekäre Situation zu schicken, würde eine enorme Kindeswohlgefährdung bedeuten.» Die Familienministerin sprach vom Risiko einer erneuten Traumatisierung.

Hintergrund der Beratungen sind die gestiegenen Zahlen. Seit Monaten versuchen sehr viele Menschen, von Nordafrika aus über die gefährliche Mittelmeerroute Süditalien zu erreichen. Nach Angaben aus Rom kamen seit Januar mehr als 50 000 Migranten auf Booten nach Italien. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR starben seit Jahresanfang bei den Überfahrten mehr als 980 Menschen oder werden seither vermisst. In Deutschland wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres gut 100 000 Asylerstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entgegengenommen, eine Zunahme um rund 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Anfang Mai hatte die Bundesregierung Änderungen in der EU-Asylpolitik angekündigt. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte in dem Zusammenhang von Verhandlungen in Brüssel über Verfahren noch an den Grenzen gesprochen. «Dann können abgelehnte Asylbewerber schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden», sagte sie dem «Handelsblatt».

Der Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber verteidigte die Idee: Der Staat müsse entscheiden, wer nach Europa komme, und nicht die Schlepperbanden, sagte der CSU-Politiker der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Weber sprach sich zugleich dafür aus, dass etwa die Bundespolizei Schiffe ins Mittelmeer schickt, um in Seenot geratene Menschen zu retten. «Ich würde mir wünschen, dass Europa wieder gemeinsam Verantwortung übernimmt, wie wir es schon einmal hatten.» (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Experte fürchtet politischen Schock in Europa: „Es ist tatsächlich beängstigend“
28.06.2025

Europa taumelt: Rechte Parteien sind auf dem Vormarsch, Frankreich droht der Machtwechsel. Experte Rahman warnt: Das „Trump-Moment“...

DWN
Technologie
Technologie Neue Technologien am Körper: Gehirnimplantate, künstliche Intelligenz, elektronische Tattoos
28.06.2025

Hightech greift immer direkter in den menschlichen Körper ein. Ob Gehirnimplantate, elektronische Tattoos oder künstliche Intelligenz...

DWN
Politik
Politik Machtverlust oder Wendepunkt? Irans Zukunft nach dem Konflikt
28.06.2025

Nach dem militärischen Schlagabtausch mit Israel steht der Iran politisch und gesellschaftlich unter Druck. Zwischen Machtkonsolidierung,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen So gelingt der Einstieg: KI im Personalwesen mit System etablieren
28.06.2025

Künstliche Intelligenz erobert Schritt für Schritt das Personalwesen. Deutschland liegt im europäischen Vergleich weit vorne – doch...

DWN
Politik
Politik Familienkonzern Trump: Wie der Präsidenten-Clan Milliarden scheffelt
28.06.2025

Die Trump-Familie vermischt Politik und Profit wie nie: Während Donald Trump das Weiße Haus beherrscht, expandieren seine Söhne mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenausblick 2025: Drohen jetzt heftige Kursbeben?
28.06.2025

Die Sommermonate bringen traditionell Unruhe an den Finanzmärkten. Mit Trump im Weißen Haus steigen die Risiken zusätzlich. Erfahren Sie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden für heiße Luft: Ex-OpenAI-Chefin kassiert ohne Produkt
28.06.2025

Ein Start-up ohne Produkt, eine Gründerin mit OpenAI-Vergangenheit – und Investoren, die Milliarden hinterherwerfen. Der KI-Hype kennt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Social Travel: Hostelworld will Facebook des Reisens werden – mit Milliardenpotenzial
28.06.2025

Hostelworld will nicht länger nur Betten vermitteln, sondern das führende soziale Netzwerk für Alleinreisende werden. Warum der...