Politik

Deutschland: Wachsende Gefahr durch IS-Ableger aus Zentralasien

Auch wenn andere Formen des Extremismus manchmal stärker im Fokus stehen: Die Gefahr durch den islamistischen Terror in Deutschland ist mitnichten gebannt. Vor allem eine Gruppierung bereitet den Sicherheitsbehörden zurzeit besonderes Kopfzerbrechen.
09.07.2023 12:11
Aktualisiert: 09.07.2023 12:11
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Deutschland: Wachsende Gefahr durch IS-Ableger aus Zentralasien
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Die Festnahme einer Gruppe von konspirativ agierenden mutmaßlichen Terroristen aus Zentralasien wirft ein Schlaglicht auf eine Gefahr, die in den vergangenen Jahren in Deutschland keine allzu große Rolle mehr gespielt hat: International vernetzte Islamisten, die gemeinschaftlich als Teil eines Netzwerks Anschläge mit Waffen und Sprengstoff planen. Erinnerungen an die Festnahme der Sauerland-Gruppe 2007 und an die Machenschaften der Hamburger Zelle, die an den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 in den USA beteiligt war, werden wach.

Die islamistischen Terroranschläge der vergangenen Jahre waren anderer Natur. Sie wurden in der Regel von Männern verübt, die dafür einfache Tatwerkzeuge wie Messer oder Fahrzeuge wählten. Oft hatten sie sich selbstradikalisiert, einigen von ihnen wurden psychische Probleme attestiert.

Festnahmen in NRW

Die Männer im Alter zwischen Anfang 20 und Anfang 30, die diese Woche in Nordrhein-Westfalen festgenommen wurden, rechnen die Sicherheitsbehörden einem Ableger des Terrornetzwerks Islamischer Staat (IS) zu, der sich Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) nennt, und in Afghanistan schon seit einigen Jahren einen bewaffneten Konflikt mit den militant-islamistischen Taliban austrägt. Teil der Gruppe sollen auch der 29-jährige Mann aus Tadschikistan und seine 31-jährige Ehefrau sein, die in den Niederlanden festgenommen wurden.

Khorasan ist eine historische Region in Zentralasien, deren Ausdehnung im Laufe der Geschichte unterschiedlich definiert wurde. Sie umfasste unter anderem das heutige Staatsgebiet von Afghanistan, Tadschikistan und Turkmenistan.

Flüchtlingsstrom aus Ukraine genutzt

So wie es aussieht, nutzten die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe 2022 die Gunst der Stunde. Sie reisten nach Beginn des russischen Angriffs, als Hunderttausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in der Europäischen Union Schutz suchten, nach Deutschland beziehungsweise in die Niederlande. Ob sie sich vor Kriegsbeginn schon in der Ukraine aufgehalten haben, ist noch Gegenstand von Ermittlungen.

Nach den Festnahmen dankt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht nur dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei und der NRW-Landespolizei für den „gefährlichen Einsatz“. Sie erwähnt ausdrücklich auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, „das sich erneut als wichtiges Frühwarnsystem gezeigt hat und mit dem Generalbundesanwalt eng zusammengearbeitet hat“.

Dessen Präsident, Thomas Haldenwang, hatte bereits im April gesagt, unter den verschiedenen Ablegern des IS steche der ISPK aktuell besonders hervor. Und warnte: „Das Erstarken der Gruppe in Afghanistan verstärkt die Gefährdungslage in Deutschland.“

Das zeigten bereits die Ermittlungen zu einer ebenfalls in NRW angesiedelten ISPK-Zelle, deren Mitglieder im Mai 2022 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen verschiedener Vergehen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Dabei ging es unter anderem um ein geplantes Schusswaffenattentat auf einen Islamkritiker in Neuss, das durch Ermittlungen der Polizei verhindert werden konnte.

IS-Ableger international gut vernetzt

In dem Prozess fiel auch auf, wie stark die Islamisten dieses IS-Ablegers international vernetzt sind. Beispielsweise hat sich nach Auffassung des Gerichts ein Mitglied der Zelle an der Vorbereitung eines Auftragsmordes in Albanien zur Finanzierung der Vereinigung beteiligt. Außerdem soll er mitgewirkt haben an einem Geldtransfer an ein führendes IS-Mitglied in Syrien sowie am Einwerben und Transfer sogenannter Spenden an inhaftierte Angehörige getöteter und gefangener IS-Kämpfer in nordsyrischen Lagern.

Im März hat die Bundesanwaltschaft zudem Anklage gegen zwei junge mutmaßliche Islamisten erhoben. Einer von ihnen, ein Deutsch-Kosovare, soll vorgehabt haben, einen Anschlag zu begehen. Dafür habe er sich von einem Mitglied des IS-Ablegers in Afghanistan erklären lassen, wie man einen Sprengsatz baut. Den Ermittlern zufolge befürchtete er dann, dass seine Pläne vereitelt werden könnten und wollte stattdessen Polizisten mit einem Messer angreifen. Der zweite Beschuldigte, der die russische Staatsangehörigkeit hat, soll eingeweiht gewesen sein und den Kontakt nach Afghanistan hergestellt haben. Er soll auch versucht haben, für den Angriff ein Messer zu beschaffen. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Unbekannte Superhelden: Ohne Finanzchefs droht Unternehmen der Stillstand
16.09.2025

Die Rolle der Finanzchefs verändert sich rasant: Statt nur Zahlen zu verwalten, gestalten sie die Strategie, treiben Digitalisierung und...

DWN
Politik
Politik Drohnenvorfall: Polen stoppt Flug über Regierungsgebäuden
16.09.2025

Ein Drohnenvorfall über Regierungsgebäuden in Warschau sorgt für Alarm. Polen nimmt zwei Weißrussen fest – und die NATO verstärkt...

DWN
Politik
Politik Unser neues Magazin ist da: Wohin steuert die EU? Europas Kampf um Souveränität und Einfluss
16.09.2025

Europa steht am Scheideweg. Zwischen globalen Machtblöcken und innerer Zerrissenheit muss die Europäische Union ihren Kurs finden....

DWN
Panorama
Panorama Online-Banking überzeugt so viele Deutsche wie nie zuvor
16.09.2025

Bankgeschäfte per Computer oder Smartphone sind in Deutschland auf Rekordniveau. Im Jahr 2024 nutzten 67 Prozent der 16- bis 74-Jährigen...

DWN
Technologie
Technologie Innovation gegen Ärztemangel- Frankreich setzt auf Hightech-Kabinen
16.09.2025

In Frankreich breiten sich in ländlichen Regionen zunehmend Kabinen mit Medizingeräten und Videoberatung durch Ärztinnen und Ärzte aus....

DWN
Politik
Politik Nawrocki besucht Berlin – Bundesregierung weist Reparationsforderungen zurück
16.09.2025

Polens neuer rechtskonservativer Präsident Karol Nawrocki ist zu seinem Antrittsbesuch in Berlin eingetroffen. Dabei könnte es zu...

DWN
Immobilien
Immobilien Smart Cities in Europa: Warum die urbane Zukunft mehr als IT braucht
16.09.2025

Smart Cities gelten als Schlüssel für die urbane Zukunft – doch ohne klare Strategie und Bürgerbeteiligung bleiben sie Stückwerk....

DWN
Politik
Politik EU-Datengesetz: Smart-TV bis E-Bike - mit Data Act haben Nutzer neue Rechte
16.09.2025

Der Data Act der EU sieht seit dem 12. September 2025 vor, dass Hersteller Zugang zu den gespeicherten Daten vernetzter Geräte gewähren...