Mit den zunehmenden Zins- und Konjunktursorgen vieler Anleger droht Ungemach am deutschen Aktienmarkt. Der Dax könnte vor einer ausgedehnten Sommerkorrektur stehen, meint Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Bereits in der abgelaufenen Woche hat der deutsche Leitindex bis Freitagmittag fast vier Prozent auf 15.560 Zähler verloren und sich damit deutlich von der psychologisch wichtigen 16.000-Punkte-Marke entfernt.
Mit Argusaugen wird derzeit vor allem die Geldpolitik der US-Notenbank verfolgt, die in ihrem Zinserhöhungs-Marathon zuletzt eine Pause eingelegt und die Leitzins-Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent beibehalten hatte. Einige Investoren hatten darauf gehofft, dass die Federal Reserve nun schon bald erste Signale für Zinssenkungen zum Jahreswechsel aussenden könnte. Doch aus Sicht von Experten werden Investoren wohl vorerst mit einem hohen Zinsniveau leben müssen. Wie aus dem jüngsten Fed-Protokoll der jüngsten Sitzung im Juni ersichtlich wurde, erwarteten beinahe alle Mitglieder im geldpolitischen Ausschuss im Kampf gegen die hohe Inflation weitere Anhebungen im Jahresverlauf.
Zinspolitik der Notenbanken hängt an Konjunkturdaten
Entscheidend für das weitere Vorgehen sind vor allem die Konjunktur- und Preisdaten der nächsten Monate. In den USA steht in der neuen Woche die Veröffentlichung der Verbraucher- und Erzeugerpreise (Mittwoch und Donnerstag) für Juni auf der Agenda. Commerzbank-Analyst Christoph Balz erwartet, dass der Inflationsdruck wohl nachgelassen hat – auch bei der wichtigen Kernrate, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise außen vor bleiben. „Dies dürfte von der US-Notenbank begrüßt werden, aber eine weitere Zinserhöhung Ende des Monats nicht verhindern“, meint der Experte.
Auch im Euroraum bleiben das Thema Zinserhöhungen und die Furcht vor den wirtschaftlichen Konsequenzen Gesprächsthema Nummer eins. Zuletzt hatten sich einige EZB-Währungshüter für ein vorsichtigeres Vorgehen ausgesprochen. Italiens Notenbankchef Ignazio Visco regte sogar eine Zinspause an. Die EZB hat die Schlüsselzinsen im Kampf gegen die Inflation bereits acht Mal in Folge erhöht. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz liegt mittlerweile bei 3,50 Prozent – das höchste Niveau seit 22 Jahren. Für die nächste Zinssitzung in diesem Monat rechnen viele Experten mit einer weiteren Erhöhung um einen viertel Prozentpunkt. Wie es um die Wirtschaft in der Euro-Zone bestellt ist, dürften die Daten zur Industrieproduktion für Mai (Donnerstag) zeigen. Aus den Daten des Statistischen Bundesamts vom vergangenen Freitag geht hervor, dass die deutschen Unternehmen ihre Produktion im Mai überraschend gedrosselt haben. „Es lässt sich nicht leugnen, dass der Konjunkturmotor weiterhin untertourig läuft“, sagte Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der LBBW. Ebenfalls auf der Agenda für die nächste Woche steht der ZEW-Konjunkturindex, der am Dienstag veröffentlicht wird. Zuletzt hatten Börsenprofis ihre Konjunkturerwartungen für die deutsche Wirtschaft im Juni überraschend nach oben geschraubt.
Handelskonflikt zwischen China und USA drückt Kauflaune
Neben der Zinspolitik dies- und jenseits des Atlantiks behalten die Investoren auch den Handelsstreit zwischen den USA und China im Blick. Der Ton habe sich zuletzt massiv verschärft, erklärten Experten. China will die Ausfuhr bestimmter, für die Chip-Herstellung wichtiger Rohstoffe erschweren, nachdem die USA den Export von Hochleistungschips an die Volksrepublik beschränkt hat. Der wiederaufflammende Handelskonflikt belaste den Dax, heißt es in einem Kommentar vom Broker IG.
Auf der Unternehmensseite dürfte die Eröffnung der Berichtssaison für das zweite Quartal bei den US-Banken für Spannung sorgen. Ende der Woche lassen sich Branchenschwergewichte wie JP Morgan Chase, Wells Fargo und Citigroup in ihre Bücher schauen. Trotz der positiven Ergebnisse des jährlichen Stresstests der US-Großbanken warten die Anleger auf Kommentare der Manager zur Stabilität der Einlagen und zur wirtschaftlichen Lage. Im Frühjahr waren die Silicon Valley Bank (SVB) und noch weitere regionale Geldhäuser im Zuge der FED-Zinserhöhungen kollabiert. (reuters)