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EU-Wahl: AfD will aus Europa eine Festung machen

Lesezeit: 3 min
30.07.2023 16:07  Aktualisiert: 30.07.2023 16:07
Das frühere CDU-Mitglied Maximilian Krah aus Sachsen und die anderen AfD-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl wollen sich in Brüssel dafür einsetzen, Europa zu einer Festung zu machen. Oder wollen sie einen Dexit?
EU-Wahl: AfD will aus Europa eine Festung machen
Bundesvorsitzender Tino Chrupalla, EU-Wahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah und Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel beim AfD-Bundesparteitag in Magdeburg. (Foto: dpa)
Foto: Carsten Koall

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Die AfD hat die vorderen Spitzenplätze auf ihrer Kandidatenliste für die Europawahl ausnahmslos mit Politikern besetzt, die Europa in eine «Festung» gegen Migranten verwandeln wollen. Diese brauche man «zum Schutz unserer Heimat, und das machen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern», sagte Co-Parteichefin Alice Weidel am Samstag auf der Europawahlversammlung der Partei in Magdeburg.

Mehrere Bewerber nannten den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban als Vorbild. Der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Marc Jongen setzte sich am Sonntag im Wettbewerb um den sechsten Platz durch. Er begründete seinen Wunsch, ins Europäische Parlament zu wechseln, auch damit, dass es ihn «in die heiße Zone des Kulturkampfs» ziehe. Jongen sagte, Orban wolle in Europa für Ordnung sorgen. Das sei nicht extremistisch.

Zum Spitzenkandidaten wurde mit 65,7 Prozent Zustimmung der sächsische Europaabgeordnete Maximilian Krah gewählt. Seine Kandidatur wurde auch vom Rechtsaußen-Lager der Partei unterstützt. Gegen Krah, der seit 2022 Mitglied im Bundesvorstand der AfD ist, war der auch innerhalb der Partei weitgehend unbekannte Andreas Otti aus Berlin angetreten. Er erhielt 25,2 Prozent der Stimmen. 9,1 Prozent der Delegierten stimmten für keinen der beiden Kandidaten.

Im EU-Parlament gab es mehrfach Ärger wegen Krah. Die Fraktion Identität und Demokratie (ID) hatte ihn zu Beginn des Jahres für drei Monate suspendiert. Dabei ging es um den Vorwurf, dass Krah die Vergabe eines PR-Auftrags der Fraktion manipuliert haben soll. Seine Mitgliedschaft in der Fraktion war 2022 schon einmal für mehrere Monate ausgesetzt worden. Damals wurde ihm vorgeworfen, dass er im französischen Präsidentschaftswahlkampf nicht Marine Le Pen von der ID-Mitgliedspartei Rassemblement National, sondern öffentlich die Partei von Éric Zemmour unterstützte.

Seinen parteiinternen Gegnern warf Krah vor, sie hätten eine monatelange anonyme Schmutzkampagne gegen ihn geführt. Der Jurist ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments. Bis 2016 war er Mitglied der CDU. 2022 kandidierte er in Dresden erfolglos für das Amt des Oberbürgermeisters.

Spitzenkandidaten gegen Massenmigration nach Europa

Platz zwei sicherte sich der bayerische Bundestagsabgeordnete Petr Bystron. In seiner Bewerbungsrede wandte er sich gegen die «Globalisten» und warnte vor der drohenden Bargeldabschaffung. Er sagte: «Das Schlimmste, die Migrantenquoten, die zwangsweise Zuweisung von Migranten, das ist ein Angriff auf alles, was uns lieb ist, unsere Kultur, unsere Religion, ja, unsere Heimat.»

Mit ähnlichen Worten landete auch der Thüringer Landtagsabgeordnete René Aust auf dem dritten Listenplatz. Als Kandidat vorgeschlagen wurde er von Björn Höcke, dem Vorsitzenden des Thüringer Landesverbandes, der vor zwei Jahren vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wurde. Aust sagte, die europäische Zivilisation sei durch «Masseneinwanderung» in Gefahr. Er erhielt 67,8 Prozent Zustimmung.

Das weitere Aufstellungsverfahren gestaltete sich zäh. Mehrfach erhielten die Bewerber nicht die erforderliche Mehrheit, sodass für einzelne Plätze mehrere Wahlgänge notwendig waren. Die Europaabgeordnete Christine Anderson sicherte sich Platz vier. Sie sprach sich für einen sofortigen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union aus. Platz fünf ging an Alexander Jungbluth aus Rheinland-Pfalz, der sich in seiner Bewerbungsrede unter anderem gegen «Multikulti» wandte.

Der AfD-Bundesvorstand hat das Ziel aufgerufen, mindestens 30 Kandidaten zu wählen. Am Sonntagabend sollte die Europawahlversammlung unterbrochen werden. Fortgesetzt werden soll die Kandidatenaufstellung in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt am kommenden Freitag. Das Wahlprogramm soll erst nach der Listenaufstellung beschlossen werden.

Möglicherweise könnte das Programm erst bei einer zusätzlichen Versammlung diskutiert werden, die spätestens im Januar stattfinden müsste. Erst dann wird feststehen, ob die AfD diesmal mit der Forderung antritt, die Europäische Union radikal zu reformieren, sodass wieder mehr Entscheidungen national getroffen werden. Es könnte sich aber auch das «Dexit»-Lager durchsetzen, das einen Austritt Deutschlands aus der EU befürwortet. Ein weiterer Streitpunkt dürfte die Haltung zur Nato sein.

Proteste gegen AfD bleiben friedlich

Das Bündnis «Solidarisches Magdeburg» protestierte am Samstag gegen die Versammlung der AfD. Ein Demonstrationszug mit mehreren Hundert Teilnehmern formierte sich in Magdeburg. Am Ende versammelten sich nach Angaben der Polizei bis zu 2000 Demonstranten. Sie zogen in Richtung Messegelände und trugen Transparente mit Slogans wie «Gegenhalten! Solidarisch gegen die rechte Hetze der AfD». «Es ist alles friedlich geblieben», sagte ein Polizeisprecher.

Höcke forderte am Rande der Versammlung die Abschaffung der Europäischen Union in ihrer jetzigen Form. «Es gibt viele Gründe, die EU abzulehnen, sie bringt Europa nicht weiter», sagte er im phoenix-Interview. «Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann.» Höcke plädierte für einen neuen europäischen Staatenbund.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kommentierte dies bei Twitter: «Man mag das für amtunangemessen halten. Aber als Staatsbürger wird mir schlecht, wenn ich solchen Unsinn höre.» Wer vernichten statt aufbauen wolle, führt nichts Gutes im Schilde. CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte: «Die AfD ist keine Alternative, sondern eine Gefahr für Deutschland.» Sie präsentiere sich als Sprachrohr des russischen Präsidenten Wladimir Putin. (dpa/gu)


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