Politik

Deutsche Immobilien in der Krise: Schwere Einbrüche bei Baugenehmigungen

Der deutsche Wohnungsbau steckt in einer handfesten Krise. Ein Hauptgrund dafür wird in den Medien selten genannt.
18.08.2023 15:59
Aktualisiert: 18.08.2023 15:59
Lesezeit: 3 min
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Die Krise im Wohnungsbau in Deutschland droht sich zu verschärfen. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen ist im ersten Halbjahr um rund ein Viertel eingebrochen, wie das Statistische Bundesamt am Freitag berichtete. Die Zahlen bedeuten schlechte Vorzeichen im Kampf gegen den Wohnungsmangel und steigende Mieten, gerade in Städten.

Bau- und Immobilienverbände forderten einen Neustart in der Wohnbaupolitik und dringen vor der Kabinettsklausur in Meseberg Ende August auf Hilfen der Bundesregierung. Bauministerin Klara Geyitz (SPD) sprach sich derweil für weniger Vorschriften und serielles Bauen aus.

Von Januar bis Juni wurde laut Statistischem Bundesamt der Bau von 135 200 Wohnungen bewilligt - 27,2 Prozent oder 50 600 weniger als ein Jahr zuvor. Allein im Juni sank die Zahl der Baugenehmigungen um 28,5 Prozent auf 21 800. Darin sind sowohl die Bewilligungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch Umbauten enthalten.

Mit den neuen Zahlen setzte sich der starke Abwärtstrend der vergangenen Monate fort. "Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin vor allem steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben", erklärten die Statistiker in Wiesbaden.

Rückgänge bei den Baugenehmigungen gab es bei allen Gebäudearten. In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden demnach im ersten Halbjahr 111 500 Wohnungen genehmigt - fast 31 Prozent oder 49 600 weniger als im Vorjahreszeitraum. Dabei ging die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser um gut ein Drittel zurück (minus 35,4 Prozent).

Bei den Zweifamilienhäusern sank die Zahl genehmigter Wohnungen gar um über die Hälfte (minus 53,4 Prozent). Auch bei der Gebäudeart mit den meisten Wohnungen, den Mehrfamilienhäusern, schrumpfte die Zahl der genehmigten Wohnungen deutlich - hier um gut ein Viertel.

Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, forderte angesichts der Rückgänge ein wohnungspolitisches Signal der Bundesregierung. "Alle Koalitionspartner sind gefordert, sich endlich mehr für bezahlbaren Wohnraum und eine verstärkte Förderung des sozialen Wohnungsbaus einzusetzen." Der baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, sagte, die Spirale von immer strengeren Baustandards müsse gebrochen und die Vielzahl an Vorschriften radikal ausgedünnt werden. "Wenn Bauen nicht günstiger wird, ist Wohnen bald unbezahlbar."

Zinsen und Inflation - und Klima-Vorgaben

Der jahrelang boomende Wohnungsbau ist wegen des starken Zinsanstiegs und teurerer Materialien abrupt ins Stocken geraten, berichtet etwa die dpa. Geywitz hat eingeräumt, dass die Ampel-Koalition ihr Ziel von jährlich 400 000 neuen Wohnungen verfehlen wird. Immobilien- und Bauverbände rechnen dieses Jahr nur mit rund 245 000 neuen Wohnungen.

Dabei ist die Fokussierung auf steigende Zinsen und höhere Preise bei Baustoffen nur die eine Hälfte der Wahrheit. Tatsache ist auch, dass immer neue und kompliziertere Klima-Vorschriften die Baubranche abwürgen. Zuletzt hatte das vom grünen Wirtschaftsminister Habeck geplante Heizungstausch-Gesetz für massiven Unmut und Verwirrung gesorgt.

Lesen Sie dazu: Der wahre Grund für den Abschwung in der Baubranche

Interessant ist, dass die Bundesregierung diesen Grund für die Misere nicht beseitigen will, sondern die angesichts der Klima-Vorgaben entstandenen Probleme mit Steuergeld beheben möchte.

Um den Wohnungsbau anzukurbeln, hatte Geywitz kürzlich deutlich erweiterte Steueranreize im Wohnungsbau vorgeschlagen. Doch die Finanzierung ist noch ungeklärt. Geywitz sieht die Vorschläge als Teil des geplanten Wachstumschancengesetzes von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Die Verabschiedung im Bundeskabinett hat sich aber wegen einer Blockade in der Ampel-Koalition verschoben.

Geywitz will ferner technische Regelwerke entschlacken, wie sie der Leipziger Volkszeitung (Freitag) sagte. "Wir müssen wieder einfacher bauen in Deutschland und den Kostenanstieg dämpfen." Auch setzt sie auf Vorfertigung am Bau. "Serieller Wohnungsbau ist eine Möglichkeit, schnell Wohnungen zu errichten."

Die Immobilienwirtschaft forderte schnelle Hilfen der Politik. "Es braucht zwingend einen Neustart der Wohnungsbaupolitik", sagte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses, mit Blick auf die Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg Ende August. Er forderte unter anderem ein Aussetzen der Grunderwerbsteuer und ein großvolumiges Kreditprogramm der Förderbank Kfw mit günstigen Zinsen.

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Baugewerbeverbands ZDB, verlangte ein starkes Baupaket. "Das Kabinett muss sich in Meseberg entscheiden: Soll die Bauwirtschaft die Konjunktur wieder in die Spur bringen oder mit ihren Betrieben und Arbeitsplätzen aufs Abstellgleis?" Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands HDB, Tim-Oliver Müller. Der Bau sei "weiter im Abwärts-Sog". Er sprach sich unter anderem für das Aussetzen strenger energetischer Vorgaben bei öffentlichen Förderprogrammen aus.

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