Immobilien

Hausverkäufer unter Druck: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um zu verkaufen?

Die Immobilienpreise sinken so kräftig wie noch nie. Das setzt Hausverkäufer unter Zugzwang. Sollte man jetzt verkaufen oder abwarten? Wir fragen einen Immobilienforscher.
Autor
14.07.2023 10:54
Aktualisiert: 14.07.2023 10:54
Lesezeit: 3 min
Hausverkäufer unter Druck: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um zu verkaufen?
Sanierungsauflagen, Zinserhöhungen und eine gedämpfte Nachfrage aufgrund der Inflation sorgen aktuell dafür, dass Immobilienverkäufer Abschläge hinnehmen müssen. (Foto: iStock.com/marchmeena29) Foto: marchmeena29

Die Kaufpreise von Wohnungen und Häusern sind im ersten Quartal so kräftig gesunken wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Der nominale Rückgang betrug 6,8 Prozent zum Vorjahresquartal, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Das war der zweite Rückgang in Folge nach einem Minus von 3,4 Prozent im vorherigen Quartal. Besonders kräftig fielen demnach die Kaufpreise in den sieben Metropolen (-10,4 Prozent für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie -6,4 Prozent für Wohnungen).

Hausverkäufer befinden sich nun in einer Zwickmühle: Verkaufen sie sofort und die Immobilienmärkte erholen sich in den kommenden Jahren, realisieren sie womöglich Verluste. Handelt es sich aber um den Beginn einer dauerhaften Flaute, könnte es klüger sein, jetzt zu verkaufen.

Forscher raten vom sofortigen Verkauf eher ab

Reiner Braun vom Forschungsinstitut Empirica rät zum Abwarten. „Wer das Geld braucht und in der Gewinnzone ist, kann verkaufen. Wer zwei bis drei Jahre warten kann, sollte das tun“, erklärt der Immobilienforscher gegenüber DWN.

Laut Braun gibt es aktuell einen „Patt mit Tendenz zu stabilen Preisen“. Die Wohnimmobilienpreise würden nicht aufgrund fehlenden Bedarfs sinken, sondern aufgrund der steigenden Zinsen. „Steigt der Zins weiter, fallen die Preise stärker und umgekehrt.“

Allerdings dürfte der Neubau mit zwei bis drei Jahren Verzögerung einbrechen, weil viele Aufträge im Jahr 2022 storniert worden seien. „Damit wächst das Angebot kaum noch, während die Nachfrage durch die Zuwanderung steigt“, schreibt Braun.

Bei wenig energieeffizienten Gebäuden sinke der Preis besonders kräftig, weil Unsicherheit über die künftigen Vorschriften und Kosten herrsche. Die Rückgänge seien aber derzeit übertrieben hoch. „Das wird sich bei mehr Klarheit stabilisieren“, schätzt Braun.

Auch der Immobilienforscher Roman Witkowski hält die derzeitige Abkühlung für einen „temporären Effekt“. „Der soziodemografische Druck auf die Immobilienmärkte bleibt bestehen, zum Beispiel durch steigende Lebenserwartungen und einen anhaltenden Trend zur Singularisierung“, erklärt der Ökonom, der zur Immobilienpreisentwicklung promoviert hat.

Darum könne man weiter mit einer steigenden Nachfrage nach Wohnraum rechnen. Dieser stünde ein zu geringer Neubau gegenüber. In der Summe dürften die inflationsbereinigten Preise „mittelfristig“ steigen, allerdings werde es regionale Unterschiede geben, erklärt Witkowski.

Preise steigen laut manchen Indizes wieder

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht Zahlen zur Preisentwicklung mit dreimonatiger Verzögerung. Bislang liegen daher bloß Angaben über das erste Quartal 2023 vor. Andere Indizes berichten aber bereits die Entwicklung im zweiten Quartal und melden eine Verlangsamung der Preisrückgänge oder einen erneuten Anstieg.

Laut der Inseratsplattform Immoscout24 sind die Angebotspreise im zweiten Quartal bundesweit leicht gestiegen. Demnach betrug das Plus 1,8 Prozent bei bestehenden und neu gebauten Wohnungen und Einfamilienhäusern.

Der Immobilienbewerter Value meldet eine Verlangsamung der Preisrückgänge. Demnach sanken die Angebotspreise von Wohnungen (-1,1 Prozent zum Vorquartal) und von Eigenheimen (-1,8 Prozent) im zweiten Quartal langsamer als im Vorquartal. Im letzten Quartalsmonat Juni sei sogar erstmals ein leichter Preisanstieg zu beobachten gewesen. Gleichzeitig würde sich der Anstieg der Mieten beschleunigen.

„Das Ende des Preisverfalls ist in Sicht“, erklärt daher ein Value-Mitarbeiter laut einer Mitteilung. Die ohnehin angespannte Situation an den Mietmärkten werde sich weiter verschärfen. Spätestens in zwei Jahren werde es „richtig ungemütlich“, was die Kaufpreise stabilisieren werde.

Laut dem Europace-Index stagnieren die Preise von Bestandswohnungen seit Jahresanfang, die Preise von neugebauten Häusern sinken weiterhin und die Preise von Eigentumswohnungen steigen seit März. Der Index erscheint monatlich und bildet nach eigenen Angaben 20 Prozent aller Immobilienfinanzierungen für Privatkunden in Deutschland ab.

Langfristig könnten reale Preise sinken

Indes ist auf lange Sicht ungewiss, ob die Preise im Schnitt nach Abzug der Inflation steigen werden, erklärt Roman Witkowski gegenüber DWN. Die schrumpfende Bevölkerung könnte das reale Preisniveau nach unten drücken.

Letztendlich komme es auf die Migration nach Deutschland an. „Wenn die Zuwanderung stark genug ausfällt, um den prognostizierten Bevölkerungsrückgang zu kompensieren, dann wird sie auch einen Rückgang der Immobiliennachfrage und damit der Preise verhindern können“, erklärt Witkowski, der in seiner Dissertation aus dem Jahr 2019 untersuchte, wie sich die Wohnimmobilienpreise bis 2060 entwickeln werden.

Laut den Forschungen von Witkowski sind die Wertentwicklungsaussichten im Süden und Westen besser als im Norden und Osten, besonders in Bayern und Baden-Württemberg. In und um München sowie in Berlin sei mit „teils erheblichen Preissteigerungen“ bis zum Jahr 2060 zu rechnen, schreibt er in seiner Dissertation.

Laut einer aktuellen Analyse des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts im Auftrag der Postbank sollen die inflationsbereinigten Preise von Eigentumswohnungen in vielen Gebieten bis zum Jahr 2035 sinken. Demnach beträgt der Rückgang über den gesamten Zeitraum in fast der Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte mindestens 2 Prozent. In 10 Prozent der Gebiete sollen die Preise stagnieren.

Schlecht sind die Aussichten demzufolge für viele ostdeutsche Regionen, für Teile des Ruhrgebiets und Teile des Saarlands. Steigen sollen die realen Preise hingegen in den großen Metropolen und in weiten Teilen von Bayern und Baden-Württemberg.

Für Selbstnutzer gibt Reiner Braun derweil keine Timing-Empfehlung für den Kauf. „Grundsätzlich gilt: Kaufen, wenn man das Passende findet und bezahlen kann, ohne auf Kante zu nähen“, erklärt der Berliner. Allerdings sollte man den Preis runterhandeln und einen Gutachter mitnehmen. Bei unfertigen Immobilien von einem womöglich bald insolventen Bauträger solle man vorsichtig sein.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mithilfe des GENIUS Act und grüner Energie ermöglichen wir ein neues, konformes, sicheres und umweltfreundliches digitales Vermögenserlebnis.

Sind Sie es leid, jeden Tag den Markt zu beobachten? Erfahrene Anleger nutzen die IOTA Miner-App, um jeden Tag ganz einfach ein passives...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Elias Huber

Elias Huber arbeitet als freier Journalist und Honorar-Finanzanlagenberater. Der studierte Volkswirt schreibt vor allem über die Themen Wirtschaft und Geldanlage. 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenangebote: Vonovia sucht händeringend 2800 neue Mitarbeiter 
06.08.2025

Dass Unternehmen den Abbau tausender Stellen ankündigen, ist seit langem tägliche Realität in Deutschland. Währenddessen sucht der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Panzer statt Autos: Schaeffler will in die Rüstungsindustrie einsteigen
06.08.2025

Miese Zahlen beim Autozulieferer: Schaefflers Umsatz und Gewinn schwächeln. Jetzt prüft der Automobil- und Industriezulieferer, ob sich...

DWN
Politik
Politik Polen: Präsident Karol Nawrocki legt Amtseid ab - kommt jetzt ein Kurswechsel für die EU?
06.08.2025

Karol Nawrocki wird heute als neuer Präsident Polens vereidigt. Der PiS-nahe Historiker kündigt eine harte Konfrontation mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Personalabbau – nach Automobil- und Chemieindustrie trifft es jetzt die Pharmabranche
06.08.2025

Alarmstimmung in der Pharmabranche: Rund 4.000 Menschen protestierten in Marburg gegen Stellenstreichungen in der Pharmabranche. Betroffen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der stille Schaden: Was bei Entlassungen oft vergessen wird
06.08.2025

Was macht eine faire Kündigung aus? Ein Personalprofi mit 30 Jahren Erfahrung erklärt, wie Fehler im Entlassungsprozess Menschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuer-Ungerechtigkeit: „Tax Wedge“ – warum vor allem Durchschnittsverdiener vom Staat geschröpft werden
06.08.2025

Deutschland hat die zweithöchste Abgabenlast weltweit – aber nur für Normal- und Geringverdiener. Ein OECD-Vergleich zeigt, dass...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis: Trumps Politik und geopolitische Spannungen treiben Goldnachfrage in Deutschland
06.08.2025

Wer vom steigenden Goldpreis profitieren will, denkt oft an physisches Gold. Doch es gibt eine spannende Alternative: Aktien von...

DWN
Finanzen
Finanzen Siemens Energy-Aktie unter Druck trotz starker Quartalszahlen und Rekordaufträgen – der Grund ist einfach
06.08.2025

Die Siemens Energy-Aktie steht trotz starker Auftragslage unter Druck. Zwei Analystenhäuser bewerten das Papier – mit deutlichen...