Die Kaufpreise von Wohnungen und Häusern sind im ersten Quartal so kräftig gesunken wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Der nominale Rückgang betrug 6,8 Prozent zum Vorjahresquartal, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Das war der zweite Rückgang in Folge nach einem Minus von 3,4 Prozent im vorherigen Quartal. Besonders kräftig fielen demnach die Kaufpreise in den sieben Metropolen (-10,4 Prozent für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie -6,4 Prozent für Wohnungen).
Hausverkäufer befinden sich nun in einer Zwickmühle: Verkaufen sie sofort und die Immobilienmärkte erholen sich in den kommenden Jahren, realisieren sie womöglich Verluste. Handelt es sich aber um den Beginn einer dauerhaften Flaute, könnte es klüger sein, jetzt zu verkaufen.
Forscher raten vom sofortigen Verkauf eher ab
Reiner Braun vom Forschungsinstitut Empirica rät zum Abwarten. „Wer das Geld braucht und in der Gewinnzone ist, kann verkaufen. Wer zwei bis drei Jahre warten kann, sollte das tun“, erklärt der Immobilienforscher gegenüber DWN.
Laut Braun gibt es aktuell einen „Patt mit Tendenz zu stabilen Preisen“. Die Wohnimmobilienpreise würden nicht aufgrund fehlenden Bedarfs sinken, sondern aufgrund der steigenden Zinsen. „Steigt der Zins weiter, fallen die Preise stärker und umgekehrt.“
Allerdings dürfte der Neubau mit zwei bis drei Jahren Verzögerung einbrechen, weil viele Aufträge im Jahr 2022 storniert worden seien. „Damit wächst das Angebot kaum noch, während die Nachfrage durch die Zuwanderung steigt“, schreibt Braun.
Bei wenig energieeffizienten Gebäuden sinke der Preis besonders kräftig, weil Unsicherheit über die künftigen Vorschriften und Kosten herrsche. Die Rückgänge seien aber derzeit übertrieben hoch. „Das wird sich bei mehr Klarheit stabilisieren“, schätzt Braun.
Auch der Immobilienforscher Roman Witkowski hält die derzeitige Abkühlung für einen „temporären Effekt“. „Der soziodemografische Druck auf die Immobilienmärkte bleibt bestehen, zum Beispiel durch steigende Lebenserwartungen und einen anhaltenden Trend zur Singularisierung“, erklärt der Ökonom, der zur Immobilienpreisentwicklung promoviert hat.
Darum könne man weiter mit einer steigenden Nachfrage nach Wohnraum rechnen. Dieser stünde ein zu geringer Neubau gegenüber. In der Summe dürften die inflationsbereinigten Preise „mittelfristig“ steigen, allerdings werde es regionale Unterschiede geben, erklärt Witkowski.
Preise steigen laut manchen Indizes wieder
Das Statistische Bundesamt veröffentlicht Zahlen zur Preisentwicklung mit dreimonatiger Verzögerung. Bislang liegen daher bloß Angaben über das erste Quartal 2023 vor. Andere Indizes berichten aber bereits die Entwicklung im zweiten Quartal und melden eine Verlangsamung der Preisrückgänge oder einen erneuten Anstieg.
Laut der Inseratsplattform Immoscout24 sind die Angebotspreise im zweiten Quartal bundesweit leicht gestiegen. Demnach betrug das Plus 1,8 Prozent bei bestehenden und neu gebauten Wohnungen und Einfamilienhäusern.
Der Immobilienbewerter Value meldet eine Verlangsamung der Preisrückgänge. Demnach sanken die Angebotspreise von Wohnungen (-1,1 Prozent zum Vorquartal) und von Eigenheimen (-1,8 Prozent) im zweiten Quartal langsamer als im Vorquartal. Im letzten Quartalsmonat Juni sei sogar erstmals ein leichter Preisanstieg zu beobachten gewesen. Gleichzeitig würde sich der Anstieg der Mieten beschleunigen.
„Das Ende des Preisverfalls ist in Sicht“, erklärt daher ein Value-Mitarbeiter laut einer Mitteilung. Die ohnehin angespannte Situation an den Mietmärkten werde sich weiter verschärfen. Spätestens in zwei Jahren werde es „richtig ungemütlich“, was die Kaufpreise stabilisieren werde.
Laut dem Europace-Index stagnieren die Preise von Bestandswohnungen seit Jahresanfang, die Preise von neugebauten Häusern sinken weiterhin und die Preise von Eigentumswohnungen steigen seit März. Der Index erscheint monatlich und bildet nach eigenen Angaben 20 Prozent aller Immobilienfinanzierungen für Privatkunden in Deutschland ab.
Langfristig könnten reale Preise sinken
Indes ist auf lange Sicht ungewiss, ob die Preise im Schnitt nach Abzug der Inflation steigen werden, erklärt Roman Witkowski gegenüber DWN. Die schrumpfende Bevölkerung könnte das reale Preisniveau nach unten drücken.
Letztendlich komme es auf die Migration nach Deutschland an. „Wenn die Zuwanderung stark genug ausfällt, um den prognostizierten Bevölkerungsrückgang zu kompensieren, dann wird sie auch einen Rückgang der Immobiliennachfrage und damit der Preise verhindern können“, erklärt Witkowski, der in seiner Dissertation aus dem Jahr 2019 untersuchte, wie sich die Wohnimmobilienpreise bis 2060 entwickeln werden.
Laut den Forschungen von Witkowski sind die Wertentwicklungsaussichten im Süden und Westen besser als im Norden und Osten, besonders in Bayern und Baden-Württemberg. In und um München sowie in Berlin sei mit „teils erheblichen Preissteigerungen“ bis zum Jahr 2060 zu rechnen, schreibt er in seiner Dissertation.
Laut einer aktuellen Analyse des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts im Auftrag der Postbank sollen die inflationsbereinigten Preise von Eigentumswohnungen in vielen Gebieten bis zum Jahr 2035 sinken. Demnach beträgt der Rückgang über den gesamten Zeitraum in fast der Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte mindestens 2 Prozent. In 10 Prozent der Gebiete sollen die Preise stagnieren.
Schlecht sind die Aussichten demzufolge für viele ostdeutsche Regionen, für Teile des Ruhrgebiets und Teile des Saarlands. Steigen sollen die realen Preise hingegen in den großen Metropolen und in weiten Teilen von Bayern und Baden-Württemberg.
Für Selbstnutzer gibt Reiner Braun derweil keine Timing-Empfehlung für den Kauf. „Grundsätzlich gilt: Kaufen, wenn man das Passende findet und bezahlen kann, ohne auf Kante zu nähen“, erklärt der Berliner. Allerdings sollte man den Preis runterhandeln und einen Gutachter mitnehmen. Bei unfertigen Immobilien von einem womöglich bald insolventen Bauträger solle man vorsichtig sein.