Unternehmen

Aldi testet Online-Lebensmittelhandel

Aldi macht erste Schritte im deutschen Online-Lebensmittelhandel. Im Ruhrgebiet kann man testweise Produkte im Internet bestellen und nach Hause liefern lassen.
29.08.2023 15:54
Lesezeit: 3 min

Lange hat der Discount-Erfinder Aldi gezögert, auf dem Heimatmarkt in den riskanten Onlinehandel mit frischen Lebensmitteln einzusteigen. Ebenso wie der Rivale Lidl überließ der Billiganbieter den schnell wachsenden Markt Newcomern wie Picnic oder Flink und etablierten Supermarktketten wie Rewe. Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, dass bislang niemand mit solchen Angeboten nachhaltig Geld verdient.

Doch jetzt will sich Aldi Süd nicht länger aufs Zuschauen beschränken. Im Ruhrgebiet startet der Discounter seinen ersten deutschen Testlauf in Sachen Online-Lebensmittelhandel, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Kundinnen und Kunden in Mülheim an der Ruhr, Duisburg und Oberhausen können sich ab sofort für den Lieferdienst «meinAldi» registrieren und sich die online bestellte Ware per Elektro-Lieferwagen nach Hause bringen lassen. Das Angebot reiche «von frischem Obst und Gemüse über Brot, Käse und Milch bis hin zu Drogerieartikeln», teilte das Unternehmen mit.

Experimente mit Auslandstöchtern

Es ist ein bemerkenswerter Schritt für das Traditionsunternehmen. Bislang hatte der Discounter in seinem deutschen Online-Shop Produkte vom Staubsauger bis zum Messerblock angeboten und einen Bogen um das schwierige Geschäft mit schnell verderblichen Lebensmitteln gemacht. Experimente mit Lebensmittel-Lieferungen gab es allerdings bei Auslandstöchtern in den USA, in Großbritannien und der Schweiz.

Auch das neue Angebot im Ruhrgebiet sei nur ein lokal und zeitlich begrenzter Testlauf, betonte Aldi Süd. «Zum aktuellen Zeitpunkt ist eine flächendeckende Umsetzung nicht geplant.» Denn der Onlinehandel mit Lebensmitteln in Deutschland sei wegen der hohen Kosten für Personal und Logistik im Moment unrentabel.

Auffällig ist: Der Vorstoß fällt in eine Zeit, in der sich in der Branche die Spreu vom Weizen zu trennen beginnt. Insbesondere bei den Schnelllieferdiensten wie Flink, Gorillas oder Bringmeister findet eine knallharte Auslese statt, bei dem immer mehr Unternehmen durch Verkauf oder Rückzug vom Markt verschwinden.

Rivale Lidl lässt sich angesichts des Aldi-Süd-Vorstoßes nicht in die Karten schauen. Man mache «zur zukünftigen strategischen Ausrichtung grundsätzlich keine Angaben», hieß es am Firmensitz in Neckarsulm. Auch Aldi Nord äußerte sich zunächst nicht über seine Pläne in diesem Bereich.

Edeka und Rewe sind längst weiter als die Discount-Marktführer. Vor allem Rewe hat sein E-Commerce-Angebot in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut und liefert mittlerweile Kunden in mehr als 90 Städten und deren Umland ihre online bestellten Lebensmittel bis zur Haustür. Außerdem ist der Handelsriese am Schnelllieferdienst Flink beteiligt.

Edeka ist bei dem schnell expandierenden Lieferdienst Picnic eingestiegen. Außerdem gibt es zahlreiche selbstständige Edeka-Händler, die frische Produkte ins Haus liefern.

«Abgewartet und zugeguckt»

Dass Aldi Süd erst jetzt den Markt prüft, hält der E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein nicht für einen Fehler. Im Gegenteil. «Es war schlau von Aldi Süd, nicht übereilt in den Onlinehandel mit Lebensmitteln einzusteigen und dabei viel Geld zu verbrennen. Sie haben abgewartet und zugeguckt, welches Liefermodell so gut funktioniert, dass man damit am Ende tatsächlich Geld verdienen kann. Jetzt probieren sie es aus.»

Das Aldi-Süd-Konzept ähnelt dem von Picnic. Das heißt, die Zustellung soll nach dem Milchmann-Prinzip erfolgen, bei dem die Lieferfahrzeuge innerhalb eines Liefergebietes feste Routen abfahren. Für die Kunden schränkt dies die Wahl der Lieferzeit ein, doch senkt die stärkere Bündelung der Touren die Lieferkosten.

«Mit dem Milchmann-Modell ist Aldi Süd auf Anhieb beim Thema Profitabilität eine Riesenstück weiter als die Wettbewerber Flaschenpost, Flink oder Rewe», urteilt Heinemann. Der Discounter habe damit an Standorten mit hoher Bevölkerungsdichte durchaus Chancen, in die schwarzen Zahlen zu kommen. «Aldi wird den Hebel für ein Ausrollen dieses Modells erst umlegen, wenn der Test in diesem Punkt erfolgreich war.»

Auch Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung verfolgt das Aldi-Experiment mit großem Interesse. «Der Test könnte einen Hinweis darauf geben, ob die Kundschaft bereit ist, einen angemessenen Aufpreis für einen Lieferservice im Discountbereich zu zahlen.» Denn der Mindestbestellwert für die Lieferungen liegt bei 20 Euro. Bis zu einem Einkaufswert von 50 Euro kommt eine Servicegebühr von 4,50 Euro hinzu. Nur bei größeren Bestellungen ist die Lieferung kostenlos.

Solche Liefergebühren sind bei den Kunden zwar alles andere als beliebt, für den Branchenkenner aber eigentlich unvermeidlich. «Wir müssen uns als Konsumentinnen und Konsumenten von der Vorstellung verabschieden, dass Lebensmittelhändler Produkte zum gleichen Preis zu uns nach Hause liefern können, den sie im Laden verlangen.» Besonders bei Discountern werde das angesichts der ohnehin niedrigen Gewinnmargen und der hohen Logistikkosten nicht funktionieren. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

 

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft kippt den Bluescreen, doch das wahre Problem bleibt
05.07.2025

Microsoft schafft den berühmten „Blauen Bildschirm“ ab – doch Experten warnen: Kosmetische Änderungen lösen keine...

DWN
Panorama
Panorama So bleiben Medikamente bei Sommerhitze wirksam
05.07.2025

Im Sommer leiden nicht nur wir unter der Hitze – auch Medikamente reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen. Doch wie schützt man...