„Bringt eure Finanzen in Ordnung und hört auf, Deutschland zu beschuldigen“, überschreibt Otmar Issing, ehemaliges EZB-Direktoriumsmitglied und Chef-Volkswirt Otmar Issing seinen Artikel für die FT. „Glaubwürdigkeit in der Eurozone kann nur dann hergestellt werden, wenn die Verträge und Regeln wieder respektiert werden. Wer weiterhin vorsätzlich gegen die Regeln verstoße, dürfe die anderen nicht erpressen und sollte überlegen, den Euroraum zu verlassen“.
Issing war im Jahr 1998 maßgeblich am Entwurf der geldpolitischen Strategie der EZB beteiligt. Er schied im Mai 2006 turnusgemäß aus dem Direktorium der EZB aus.
Schon vor kurzem hatte Issing betont, Deutschland solle in der Euro-Krise nicht als Sündenbock abgestempelt werden. Die Idee eines stabilen Euros und einer unabhängigen Notenbank sei schließlich keine deutsche Erfindung. Unlängst gab er zu bedenken, dass die Währungsunion zu einer Transferunion werde, in der Milliarden deutscher Steuergelder in marode Länder fließen.
In seinem Artikel für die FT führt Issing aus, Deutschland sei nicht nur der größte Wirtschaftsfaktor in Europa, es erziele auch die besten Ergebnisse und sei wirtschaftlich sehr gut aufgestellt. Es sei im Interesse aller, wenn das Land beispielgebend werde. Issing glaubt, dass die Zeit kommen werde, in der die deutsche Wirtschaft nicht mehr Gegenstand von Neid sei.
Gegenwärtig laufe die Diskussion über eine deutsche Führung jedoch lediglich darauf hinaus, dass Deutschland mehr Geld auf den europäischen Tisch legen solle. Doch das Prinzip, dass es keine „Bail-outs“ geben dürfe, sei fundamental für Staaten, die zwar dieselbe Währung teilten, aber dennoch souverän blieben, wenn es um die Finanzen gehe.
„Die Eurozone wurde als Zusammenschluss von soliden Staatsfinanzen sowie des stabilen Geldes entwickelt“, so Issing weiter. „Jedes Land ist für seine eigene Politik verantwortlich. Diese Schlussfolgerung aus dem „no Bailout“-Grundsatz ist ein wesentliches Element dieses institutionellen Arrangements“.
Die Länder, die sich nun in Schwierigkeiten befinden, hätten die Probleme durch ihre eigenen politischen Fehler verursacht.
„Man kann argumentieren, dass Spanien (zum Zeitpunkt des Eintritts in der Euro-Zone) finanziell gut dastand. Das Finanz-Schlamassel war das Resultat für einen unkontrollierten Bauboom, beschleunigt durch Steuerflucht, was in einer unvermeidlichen Pleite endete. Oder nehmen Sie Italien. Als dort die Zinsen (für Staatsanleihen) auf deutsches Niveau fielen, als Resultat des Beitritts zur Währungsunion, erntete das Land Dividenden in zig-Milliardenfacher Höhe. Diese Ersparnisse wurden vergeudet. Und jetzt soll in zunehmendem Maße Deutschland an Italiens unglücklicher Situation schuld sein“, erläutert Issing.
Zu Eurobonds bezieht Issing eine deutliche Position: „Gemeinsam herausgegebenen Eurobonds würden gegen das Prinzip („Bail-out“) verstoßen. Dies würde ein Signal an hoch verschuldete Länder senden, dass sie bescheidene Kreditkosten in Anspruch nehmen können, ohne Anstrengungen zu unternehmen, die öffentlichen Finanzen unter Kontrolle zu bringen. Dies würde schlechte Politik belohnen und solide Haushaltsführung bestrafen. Wer könnte dies einen Akt der Solidarität nennen“? fragt Issing.
Zur Banken-Union schreibt Issing: „Irrige Ideen dominieren derzeit auch in den Diskussionen über eine Bankenunion. Es gibt gute Argumente für die Schaffung einer einzigen Aufsichtsbehörde und eines Mechanismus zu einheitlichen Bankenauflösungen. Doch es ist schwer zu rechtfertigen, wenn in einem Land die Steuerzahler für die verantwortungslosen Praktiken der Banken eines anderen Landes bezahlen. Was wäre die Reaktion der italienischen oder spanischen Steuerzahler gewesen, hätte man sie gefragt für das unverantwortliche Verhalten der IKB oder der Hypo Real Estate oder anderer deutscher Banken zu zahlen, die vom Staat gerettet werden mussten? Wenn die Situation aber genau umgekehrt ist, werden solche Transfers auch noch als ein Akt der Solidarität dargestellt“.
Der Banken-Fonds, der ab 2016 startet und in acht Jahren 55 Milliarden Euro für die Abwicklung maroder Banken bereitstellen soll, wird nicht ausreichen. Dem Banken-Fonds soll daher eine Kredit-Linie eingeräumt werden, um am Markt Kapital aufnehmen zu können.
Im Februar 2014 verständigten sich die EU-Finanzminister, dass der ESM auch für die direkte Rekapitalisierung von Banken genutzt werden kann, wenn der Bilanz- und Stresstest zu große Kapitallücken aufdeckt, der von den betroffenen Ländern nicht gedeckt werden kann. Damit ist der Steuerzahler weiterhin in der Pflicht.