Technologie

Forschung in Deutschland: Gender Studies statt Quantencomputer

Quantencomputer gelten als bahnbrechende Innovation. Das Rennen um diese revolutionäre Technologie ist längst gestartet und die EU hat sich positioniert. Doch was ist die Zukunft der Technologie und welchen Nutzen hat sie für deutsche Firmen?
19.09.2023 16:00
Aktualisiert: 19.09.2023 16:00
Lesezeit: 4 min
Forschung in Deutschland: Gender Studies statt Quantencomputer
Physiker Markus Duwe zeigt einen Quantenprozessor an einem Prototypen eines Quantencomputers in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt PTB. (Foto: dpa) Foto: Julian Stratenschulte

Ein herkömmlicher Computer arbeitet mit sogenannten Bits. Ein Bit kann zwei verschiedene Zustände annehmen: 1 und 0. Durch die Verschaltung von Millionen solcher Bits können Computer komplexe Rechenoperationen durchführen. Quantencomputer hingegen arbeiten mit sogenannten Q Bits, diese arbeiten auf der Grundlage der Quantenmechanik, das heißt, sie können wie die normalen Bits die Zustände eins oder null, aber auch jeden Wert dazwischen und somit theoretisch unendlich viele Werte annehmen.

Digitale Computer arbeiten seriell: Um etwa die optimale Route zu finden, muss ein digitaler Computer jeden Routenabschnitt einzeln berechnen, um schließlich das optimale Ergebnis zu präsentieren. Ein Quantencomputer ist ein Multitasking Meister, er kann alle möglichen Routen parallel berechnen und die perfekte Route im Handumdrehen finden.

So könnten Quantencomputer schon bald hochkomplexe Systeme wie das Verkehrsnetz in sekundenschnelle optimieren, sie schaffen es, Tumore zu kartieren und das Innere von Planeten zu berechnen. Aber auch die Vernetzung von Mensch und Maschine wird per Quantencomputer soll spielend möglich sein, die Steuerung von Computern durch Gedanken gilt als Hoffnungsschimmer für die Medizin. Aber auch Forschung und Militär werden die neue Technologie zu nutzen wissen, die sich im internationalen Wettbewerb als Gamechanger etablieren dürfte.

Deutschland und die EU im Rennen um den Quantencomputer

Die Bundesregierung plant für die Entwicklung leistungsfähiger und skalierbarer Quantencomputer in Deutschland drei Milliarden Euro ein. Das Ziel ist es, einen universellen Quantencomputer zu entwickeln, der sich auf Augenhöhen mit Technologieführern wie Google oder IBM befindet. Diese Form von Computer soll bis 2026 entwickelt und einsatzbereit sein. Doch kann die Bundesregierung dieses ambitionierte Ziel erreichen, bevor es die anderen Großmächte schon längst übertroffen haben?

Zurzeit dominiert die USA das Forschungsgebiet: Mit 16 Hochschulen und passenden Masterstudiengängen liegen sie damit deutlich vor Deutschland und der EU. Große Firmen wie IBM und Google gelten zudem als die wichtigsten Entwickler neuster Quantentechnologie.

China feierte derweil schon 2021 massive Erfolge bei der Entwicklung von Quantencomputern. Erklärtes Ziel der chinesischen Physiker war es, die Konkurrenz weit hinter sich zu lassen. Peking versucht, seinen Entwicklungsvorsprung auszubauen, die kommunistische Regierung förderte jüngst verschiedene Forschungsprojekte mit 15,3 Milliarden Dollar und überstieg damit die Investitionen der USA und der EU bei Weitem. Zum Vergleich: Das auf zehn Jahre angelegte Quantum Flagship-Programm der EU hat ein Budget von einer Milliarde Euro. Tatsächlich ist China noch Vorreiter in der Quantentechnologie, ein Umstand, der sich mit der verschärfenden Krise des Landes aber durchaus noch ändern könnte.

Denn nicht die finanziellen Mittel sind es, die den weiteren Wettlauf um diese Technologie so unvorhersehbar machen, sondern die fehlenden Fachkräfte. Die Quantentechnologie ist derart fortgeschritten, dass sie ein hoher Grad an Spezialisierung vonnöten ist, um an den neuartigen Computern zu arbeiten. Derzeit beträgt das Verhältnis der ausgeschriebenen Stellen zu den vorhandenen Fachkräften eins zu fünf, sodass viele Ausbildungsgänge mit Fachrichtung Quantentechnologie unbesetzt bleiben.

NRW: die Wiege des deutsch Quantencomputing?

Im März 2022 wurde etwa in Nordrhein-Westfalen das Netzwerk „Ein Quantum NRW“ gegründet, um das Bundesland als Hotspot der Quantenforschung zu positionieren und Deutschland einen Platz an der Weltspitze zu sichern. Zehn Universitäten und drei außeruniversitäre Einrichtungen haben sich dazu bereiterklärt, in Siegen daran zu forschen, Quantencomputing für den deutschen Mittelstand nutzbar zu machen.

Infolgedessen haben Prof. Dr. Christof Wunderlich und seine Kollegen 2020 das Start-up „eleQtron“ gegründet. Das Hauptziel des Unternehmens ist die Entwicklung von Hardware für Quantencomputer. Zukünftig sollen auch Dienstleistungen für mittelständische Unternehmen im Bereich Quantencomputing angeboten werden.

Den Unternehmen wird dann Zugriff auf Quantencomputer gewährleistet, um firmeninterne Daten auszuwerten. Die Anwendungsmöglichkeiten sind dabei nahezu grenzenlos. Branchen von Finanzwesen bis hin zu Medizin profitieren von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Quantencomputer. Verfahren des Quantencomputing können überall dort eingesetzt werden, wo große Datenmengen erfasst und ausgewertet werden müssen. Letztlich lassen sich Prozesse damit feiner steuern, simulieren und vorherbestimmen. eleQtron arbeitet mit der Bundesregierung zusammen und ist eines der deutschen Vorzeigeprojekte in Sachen Quantencomputing.

Quantencomputer für Europa: Eine verpasste Chance?

Die EU kann durchaus ambitionierte Projekte vorweisen. Ein deutsch-finnisches Start-up hat es sich etwa zur Aufgabe gemacht, die Kosten für Quantencomputer zu verringern. Wenn der Betrieb und die Anschaffung eines Quantencomputers vorher mehrere Millionen Euro kostete, macht das Start-up IQM Spark es möglich, einen Quantencomputer für weniger als eine Million Euro zu betreiben.

Das Start-up bietet weltweit Universitäten und Laboren eine weitreichende Möglichkeit, bisher war in dieser Preiskategorie nur ein temporärer Zugriff über das Internet möglich. Der IQM Spark wird in seiner Basisversion mit einem 5 Qbit-Quantenprozessor ausgeliefert und kann mit unterschiedlichen Hardware-Optionen erweitert werden. Der Betrieb erfordert allerdings den Einsatz von aufwendiger Tieftemperatur-Technologie, denn Quantencomputer funktionieren nämlich dann am besten, wenn man bestimmte Leitungen bis auf den absoluten Nullpunkt (273,15 Grad Celsius) herunterkühlt. Deswegen ist noch unklar, wie Unternehmen diese Technologie nutzen werden.

Doch so löblich die ambitionierte Entwicklungsarbeit einiger junger Start-ups im Bereich des Quantencomputing ist, so fraglich bleibt es, ob das Quantum Flagship Programm der EU und das Konzept der Bundesregierung ausreichen, um den gewaltigen finanziellen und personellen Bedarf an der Weiterentwicklung im Quantencomputing zu decken.

Denn die Chancen, die sich durch Quantencomputer noch ergeben werden, dürfen auch aus geopolitischer Sicht nicht unterschätzt werden. Der 5G Netzausbau durch den chinesischen Ausrüster Huawei in Deutschland hatte seinerzeit schon gezeigt, wie anfällig die EU für ausländische Spionage ist. Quantencomputing besitzt ein ungleich größeres Potenzial zur Kommunikationsüberwachung, da es traditionelle Verschlüsselungsmethoden in geringer Zeit aufbrechen kann.

Bildungskultur in Deutschland: Gender Studies statt Quantencomputing

Deutschland wäre hier der traditionelle Motor europäischer Innovationskraft. Doch ein Blick auf die Verteilung der Bildungskapazitäten zeigt, wie die Prioritäten hierzulande verteilt sind. So gibt es in der Bundesrepublik derzeit acht Lehrstühle für Kernforschung, dafür aber 173 für Gender Studies. Auch Quantencomputing gilt in Deutschland als unterrepräsentiert, während das geopolitische Kräftemessen nicht durch Geschlechterwissenschaften begradigt werden dürfte.

Für Unternehmer ist es jetzt von Bedeutung, Prozesse in ihren Supply Chains zu analysieren und herauszufinden, in welchen Gebieten die Anwendung von Quantencomputern gewinnbringend eingesetzt werden kann. Ob sie dann europäische Unternehmen wie das deutsche eleQtron für die Nutzung der neuen Technologie konsultieren können, bleibt abzuwarten. Derweil ziehen manche Unternehmen wie Bosch bereits jetzt die Reißleine und kooperieren mit dem US-amerikanischen Hersteller IBM, anstatt die hiesigen Entwicklungen abzuwarten.

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Virgil Zólyom

                                                                            ***

Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.

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