Weltwirtschaft

Uran steigt um 30 Prozent - Was steckt dahinter?

Lesezeit: 4 min
16.09.2023 13:29  Aktualisiert: 16.09.2023 13:29
Der Uran-Preis ist seit Jahresbeginn um 30 Prozent gestiegen. Denn die Krise der Atomkraft scheint vorbei zu sein. Deutschland ist eine Ausnahmeerscheinung.
Uran steigt um 30 Prozent - Was steckt dahinter?
Der Uran-Preis steigt. Denn die Welt hat die Atomkraft wiederentdeckt. (Foto: dpa)
Foto: Radovan Stoklasa

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Preise für Uran, das als Brennstoff für Atomreaktoren benötigt wird, sind im Verlauf dieses Jahres bereits um 30 Prozent in die Höhe geschossen. Denn die Kernkraft erlebt eine weltweite Renaissance. Sowohl in Europa, als auch in den USA und Asien wurden zuletzt neue Reaktoren ans Netz genommen und die Laufzeit bestehender Anlagen wurde verlängert. Sogar in Deutschland, das den unter Kanzlerin Angela Merkel begonnenen Atomausstieg unbeirrt fortsetzt, hat die FDP gerade die Option auf einen Wiedereinstieg in die umstrittene Energieform gefordert.

In Japan werden Kraftwerke, die nach der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 stillgelegt wurden, wieder in Betrieb genommen. Saudi-Arabien strebt mit Macht nach einem eigenen Atomprogramm - möglicherweise mit chinesischer Hilfe. Auch in der Türkei entstehen Atomkraftwerke, da sich das Land von teuren Energieimporten unabhängig machen will. Und Projekte für kleine modulare Reaktoren (small modular reactors), an denen Unternehmen wie General Electric und Rolls-Royce beteiligt sind, haben Schritte in Richtung Marktreife unternommen.

Das Comeback der Kernenergie hat Folgen für den Uranmarkt, nachdem eine jahrzehntelange Flaute Bergbauunternehmen von der Produktion des Brennstoffs abgehalten hat. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens UxC sind die Benchmark-Preise in diesem Jahr um 30 Prozent auf etwa 62 Dollar pro Pfund gestiegen, womit Uran zu den Rohstoffen mit der besten Wertentwicklung gehört. Abgesehen von einem kurzen Anstieg im letzten Jahr nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist dies der höchste Stand seit 2011, als die Kernschmelze in Fukushima zur Abschaltung Dutzender Reaktoren führte.

Uran-Angebot läuft nur langsam an

Entlang der komplexen Uran-Versorgungskette, vom Abbau bis zur Anreicherung, gibt es gefährliche Engpässe. Zudem könnten die Staaten des Westens Uran aus Russland sanktionieren, das der weltweit größte Anreicherer ist. "Der Markt braucht jetzt wieder eine neue Produktion, aber die Vorlaufzeiten dafür sind weder schnell noch einfach", zitiert das Wall Street Journal Amir Adnani, den Geschäftsführer von Uranium Energy, einem aufstrebenden Bergbauunternehmen im US-Bundesstaat Texas.

Der jüngste Staatsstreich im uranreichen Niger hat die Sorge um drohende Engpässe weiter verstärkt. Auf das westafrikanische Land entfallen etwa 5 Prozent des weltweiten Uranangebots und 24 Prozent der Importe in die Europäische Union, sagen die Analysten von Morgan Stanley. Frankreichs riesiger Bestand an Atomkraftwerken ist von der Krise im Niger besonders stark betroffen. Händler befürchten hier mögliche Störungen bei den Lieferungen sowie Verzögerungen bei neuen Projekten.

Das Uran, das normalerweise auf den Rohstoffmärkten gehandelt wird, liegt in Form von Triuranoctoxid (U3O8) vor, einem leicht verarbeiteten Konzentrat, das auch als Yellowcake bekannt ist. Dieses gelbe Pulver wird in gasförmiges Uranhexafluorid umgewandelt, dann angereichert und zu Brennstäben verarbeitet, die in den Atomkraftwerken zum Einsatz kommen können. Nur eine Handvoll Unternehmen in den Vereinigten Staaten, Kanada, Frankreich, Russland und China können Uran umwandeln.

ConverDyn, das einzige US-Unternehmen, das Yellowcake in gasförmiges Uranhexafluorid verarbeiten kann, hat im Juli seine Anlage in Illinois nach einer fast sechsjährigen Pause wieder in Betrieb genommen. Nach Angaben von mit der Angelegenheit vertrauten Personen ist die Anlage bis 2028 ausgebucht, was die starke Nachfrage widerspiegelt. Während des Neustarts traten technische Probleme wie Leckagen auf. Dies zeigt, wie schwierig es für die Branche ist, nach einer längeren Zeit des Stillstands wieder auf Touren zu kommen.

Uran-Produktion wird steigen - in ferner Zukunft

"Es gibt einen weltweiten Uranmangel, der in den westlichen Ländern besonders stark ausgeprägt ist", sagte Kevin Smith, Geschäftsführer für Energiemetalle beim Handelsunternehmen Traxys. Beim Uran laufen die Boom-Bust-Zyklen in der Regel in Zeitlupe ab, weil es so lange dauert, bis die Atomprojekte in Gang kommen. Uran, das heute gekauft wird, wird erst ab dem Jahr 2026 Kernkraftwerke antreiben können. Zu diesem Zeitpunkt erwarten die Händler, dass die weltweite Nachfrage stark anziehen wird.

Der Branchenverband World Nuclear Association (WNA) erklärt in einem aktuellen Bericht, dass die Erzeugungskapazität bis zum Jahr 2040 um drei Viertel steigen wird. Nach der Entdeckung eines Uranvorkommens dauert es zwischen acht und 15 Jahren, bis ein Bergbauunternehmen Uran produzieren kann. "Die Lage spitzt sich zu", sagte Jeanne Tortorelli, die für die Versorgung der 21 Reaktoren des in Maryland ansässigen Unternehmens Constellation Energy mit Kernbrennstoff zuständig ist, auf einer Branchenveranstaltung in diesem Monat.

Nach Angaben der IAEA sind weltweit 410 Atomreaktoren in Betrieb, weitere 57 befinden sich im Bau. Die USA verfügen über 93 Reaktoren, einer wird gebaut. Frankreich verfügt über 56 Reaktoren, einer wird gebaut. China verfügt über 55 Reaktoren, 21 weitere werden gebaut. Russland verfügt über 37 Reaktoren, und drei weitere werden gebaut. In Indien baut man derzeit acht Reaktoren, welche die bestehenden 19 Reaktoren ergänzen sollen. In Japan wurde ein Drittel der einst 33 betriebsfähigen Reaktoren wieder in Betrieb genommen. Für weitere 16 Reaktoren werden derzeit die Genehmigungen eingeholt.

Uran-Unternehmen im Aufwind

Die Bergbauunternehmen profitieren bereits von den höheren Preisen. Die Aktien des kasachischen Unternehmens Kazatomprom, des weltweit größten Produzenten, sind im vergangenen Monat in London um 11 Prozent gestiegen. Der kanadische Konkurrent Cameco legte im gleichen Zeitraum um 8,7 Prozent zu, obwohl das Unternehmen Anfang September mitteilte, dass die Produktion in diesem Jahr hinter früheren Prognosen zurückbleiben würde. Cameco machte Ausrüstungsprobleme, Wartungsarbeiten, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Probleme in der Lieferkette verantwortlich.

Eine der wichtigsten nicht-kanadischen Lieferquellen von Cameco ist Kasachstan, wo das Unternehmen ein Joint Venture mit Kazatomprom unterhält. Das meiste kasachische Uran erreicht den westlichen Markt, indem es per Zug durch Russland transportiert wird, bevor es von St. Petersburg aus verschifft wird. Doch seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat Cameco diese Route gemieden. Doch auch die alternative Route behindert, die über das Kaspische Meer, Aserbaidschan und Georgien und über das Schwarze Meer führt, brachte zuletzt Verzögerungen.

Auch der Inflation Reduction Act in den USA hat den Markt beflügelt, sagt Bram Vanderelst, Leiter der Uranabteilung bei Curzon Uranium. Das Gesetz sieht Steuergutschriften für Energieversorger vor, die Reaktoren über die geplante Schließung hinaus betreiben. "Wenn man diese Dinge zusammen betrachtet, hat es das Potenzial, den Preis wirklich dorthin zu bringen, wo er sein sollte, nämlich bei 70 Dollar oder nördlich von 70 Dollar", zitiert das Wall Street Journal Mark Chalmers, den CEO von Energy Fuels in Colorado. Er erwartet, dass mindestens eine seiner Minen bis Anfang 2024 die Produktion wieder aufnimmt.

Ein weiteres Versorgungsrisiko, auf das sich der Markt einstellt, sind mögliche Sanktionen der USA gegen russisches Uran. Im US-Repräsentantenhaus und im Senat wurden bereits Gesetzesentwürfe zur Reduzierung oder zum Verbot von Importen eingebracht. Händlern zufolge könnte ein vollständiges Verbot - auch wenn dies unwahrscheinlich ist - für einige amerikanische Versorgungsunternehmen verheerende Folgen haben. Russland verfügt über mehr als 40 Prozent der weltweiten Anreicherungskapazität.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit neuem Rekordhoch - geht es jetzt Richtung 100.000 US-Dollar?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag legt die wichtigste Kryptowährung direkt nach. Seit dem Sieg von Donald Trump bei...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...

DWN
Politik
Politik Weltstrafgericht erlässt auch Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant - wegen Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen
21.11.2024

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren...

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...

DWN
Politik
Politik Neue EU-Kommission: Nach heftigen Streit auf „umstrittenes“ Personal geeinigt
21.11.2024

Nach erbittertem Streit haben sich die Fraktionen im EU-Parlament auf die künftige Besetzung der Europäischen Kommission geeinigt. Warum...