Angesichts der fortschreitenden Dekarbonisierungsbemühungen steigt der Bedarf nach Rohstoffen, deren Namen bis vor Kurzem selbst angehende Spitzenpolitiker mit selbstattestierter Kernkompetenz in diesem Bereich bisweilen kaum unfallfrei aussprechen konnten. Kobalt, Lithium, Grafit, Germanium, Zirkonium - all diese und eine Vielzahl weiterer Mineralien mehr sind für die Produktion von Batterien, Brennstoffzellen, Windkraft- und Photovoltaikanlagen sowie Elektromotoren unerlässlich. Jene Länder, die die entscheidenden Metalle für die Energiewende der vornehmlich „Ersten Welt“ produzieren, versuchen mit unübersehbarem Nachdruck, mehr Wert aus ihren Ressourcen zu schöpfen, einige wollen auch das Angebot kontrollieren. Sehen wir bald ein „Metall-Kartell“, welches dem Rest der Welt seine Bedingungen aufpresst?
Zwischen Angebot und Nachfrage klafft eine große Lücke
Besonders auf Grund des bestehenden oder zukünftig zu erwartenden Versorgungsrisikos mit diesen Rohstoffen versieht die EU mittlerweile 34 Mineralien mit dem Attribut „kritisch“. Auch deshalb, da sich deren weltweite Produktion auf nur wenige Länder konzentriert, von denen nicht alle auf Grund ihrer politischen wie gesellschaftlichen Strukturen als verlässliche Partner eingestuft werden. So entfällt beispielsweise 70 Prozent des weltweiten Kobalt-Abbaus auf die Demokratische Republik Kongo. Bei Nickel versorgen Indonesien, die Philippinen und Russland gut zwei Dritteln des Weltmarktes. Die Edelmetallmärkte und den Sektor der Platinmetalle dominieren Südafrika und Simbabwe. Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht schon bis zum Ende der laufenden Dekade eine durchschnittliche Versechsfachung der Nachfrage nach den für den Sektor der sauberen Energien benötigten Metalle. Bis Mitte des Jahrhunderts geht die Agentur von Nachfragesteigerungen um das Zwanzig- bis Vierzigfache aus. Nach den derzeitigen Plänen wird es bei keinem dieser wichtigen Rohstoffe bis 2030 genügend in Betrieb befindliche Minen geben, um die Infrastruktur zum Erreichen der gesteckten Klimaziele zu errichten. So müsste sich die Größe des entstehenden Lithiummarktes bis zum Ende des Jahrzehnts verdreifachen, und um die prognostizierte Nachfragesteigerung bei Kupfer von derzeit 25 Mio. Tonnen pro Jahr auf dann 40 Mio. Tonnen pro Jahr zu befriedigen, sind die dafür erforderlichen Lagerstätten schlicht noch gar nicht aufgefunden worden. Erschwerend hinzu kommt der Umstand, dass sowohl die Verarbeitung der geförderten Mineralien als auch die Herstellung von Zwischen- und Endprodukten von China dominiert wird. Da sich das Land frühzeitig und sehr energisch die Rechte an Lagerstätten vor allem auf dem afrikanischen Kontinent gesichert hat, zählt China zudem zu den wichtigsten Rohstoffproduzenten, auch ohne diese sämtlich dem eigenen Boden abzuringen.
Rohstoffnationalismus nimmt zu
Insgesamt haben sich die Ausfuhrbeschränkungen, bestehend aus beispielsweise Exportsteuern, Lizenzanforderungen, Exportquoten, Minimumpreisen, Zollrestriktionen, etc., in den letzten zehn Jahren bei Erzen und Industriemetallen um das 7,7-fache erhöht, bei Edelmetallen immerhin noch um den Faktor 4,6. China verantwortet dabei mit 20 Prozent den mit Abstand größten Anteil an der Gesamtmenge der gestiegenen Exportrestriktionen, aber auch andere Top-Produzenten, wie Indonesien, Russland oder Argentinien agieren zunehmend restriktiv. Die Abhängigkeiten des Westens ist unübersehbar, und die Entwicklung einst kleiner und auf der politischen Bühne bislang unbedeutender Staaten hin zu wahren Rohstoffsupermächten ist in vollem Gange. Diese werden sich ihrer Marktmacht zunehmend bewusst und setzen sie auch ein, was in erheblichem Maße die Stabilität der bestehenden Lieferketten gefährdet und das Risiko von Engpässen in den abhängigen Teilen der Welt erhöht. China, als ausgewachsener Rohstoffgigant, hatte beispielsweise im Jahr 2010 ein Exportverbot für seltene Erden nach Japan verhängt, was dort zu erheblichem wirtschaftlichen Schaden führte. Die EU importiert eine Reihe von kritischen Mineralien, von denen acht aufgrund hoher Importkonzentration besonders problematisch sind.
Produzenten wehren sich gegen Ausbeutung
Dabei werden die Bestrebungen jener „Zukunftsmetallproduzenten“ organisiert an einem gemeinsamen Strang zu ziehen und ihre Verhandlungsbasis gegenüber den in Abhängigkeit geratenden Abnehmerländern zu stärken immer klarer erkennbar. Nicht wenige dieser rohstoffreichen Länder wurden im Zeitalter des Kolonialismus Opfer von Ausbeutung, und viele sind es auch heute noch. Nun sind diese Staaten jedoch in der Lage, ihr Schicksal selbst zu bestimmen und treiben die Realisierung eines immer größeren Teils des Wertes ihrer Bodenschätze voran, indem sie immer mehr Teile der Wertschöpfungskette, wie Verarbeitung, Zwischenproduktion und Raffination, im eigenen Land belassen. Einige Regierungen versuchen auch, das Angebot zu kontrollieren, indem sie Bodenschätze verstaatlichen, Exportquoten einführen und sogar Kartelle vorschlagen. Bei Lithium beispielsweise kooperieren Chile, Mexiko, Simbabwe und Namibia, wobei die beiden südafrikanischen Produzenten in den vergangenen 12 Monaten zeitgleich Ausfuhrverbote umgesetzt haben. Ihre lateinamerikanischen Pendants intensivierten im gleichen Zeitraum die staatliche Kontrolle bei Abbau und den Bergbaukonzessionen. Indonesien, als weltgrößter Nickelproduzent, hatte die Ausfuhr von Roherz schon seit Jahren streng reglementiert und ergänzte dies nun um Exportbeschränkungen bei Bauxit, einem wichtigen Aluminiumbestandteil. Im kommenden Jahr wird ein Exportverbot für Kupferkonzentrat in Kraft treten. Während Bergbauunternehmen noch vor Kurzem beinahe unbehelligt fördern und die Früchte ihrer Arbeit ins Ausland tragen konnten, verlangen die Rohstoffländer heute mehr und mehr Beteiligung, beispielsweise über Verarbeitungsanlagen im eignen Einflussbereich.
Eine “Organization of the Metal Exporting Countries (OMEC)” ist denkbar – aber unwahrscheinlich
Einige Produzenten - allen voran Indonesien, das mit seinem 2014 in Kraft getretenen Exportverbot von Rohnickel viele Milliarden Dollar an ausländischem Kapital anziehen konnte – werben unter ebenso betroffenen Staaten für die Idee eines OPEC-ähnlichen Kartells in Bezug auf Mineralien, um die Preise für „Energiewendemetalle“ hochzuhalten. Auch zahlreiche Politiker des südamerikanischen „Lithium-Dreiecks“ aus Chile, Argentinien und Bolivien befürworten eine solche Organisation. Eine neue Studie der International Renewable Energy Agency (IRENA) bewertet ein solches Vorhaben jedoch als wenig aussichtsreich. Demnach könnten die Produzenten des Metallsektors zwar kurzfristig Einfluss nehmen - solange die Produktion konzentriert ist und die Nachfrage steigt -, dauerhaft werden sie aber wahrscheinlich nicht die Art von geopolitischer Macht erhalten, die die Öl- und Gasproduzenten genießen.
Dies liegt vor allem daran, dass bei Batteriemetalle im Gegensatz zu Erdöl, das als Kraftstoff nur sehr schwer zu ersetzen ist, viel größere Substitutionsmöglichkeiten bestehen. Gerade in der Batterietechnik schreitet die Entwicklung rasant voran. So hat sich die EV-Branche beispielsweise bereits die massive Reduzierung von Kobalt in ihren Batterien auf die Fahne geschrieben, angesichts der hohen Kosten und aus Besorgnis über die Menschenrechtslage in der Demokratischen Republik Kongo. Allein in China hat sich der Anteil kobaltfreier Batterien in Elektrofahrzeugen in den vergangenen drei Jahren von 18 Prozent auf 60 Prozent erhöht, damit sind bereits jetzt die vormaligen Prognosen eines Kobaltdefizits in 2024 und 2025 hinfällig geworden. Zudem ist zum Beispiel Lithium ein Mineral, welches über den gesamten Globus verteilt ist. Die heutigen hohen Lithiumpreise machen die Erschließung von Lagerstätten, deren Zugang früher zu teuer war, effizient und fördern die Ausweitung des Lithiumbergbaus in einer Vielzahl von Ländern. Zwar kann es für die beteiligten Länder kurzfristig von Vorteil sein sich zusammenzutun, zum Beispiel um die Preise hochzuhalten. Aber gerade die hohen Preise werden dafür sorgen, dass weitere Unternehmen von außerhalb der Gruppe hinzukommen und den Effekt abschwächen. Das Ansinnen eines mit der OPEC vergleichbaren Kartells steht für den Metallsektor zwar immer wieder zur Debatte, besonders realistisch ist dessen Umsetzung jedoch nicht.