Wirtschaft

Chinas subventioniertes Überholmanöver mit den Elektrofahrzeugen

Innerhalb kürzestes Zeit hat sich Chinas Automobilbranche neu erfunden. Vom einstigen hässlichen und kränkelndem Entlein ist ein selbstbewusster Schwan, zumindest der Elektromobilität, geworden. Europäische Hersteller fürchten um ihre Marktanteile und reagieren bereits.
28.09.2023 11:18
Aktualisiert: 28.09.2023 11:18
Lesezeit: 4 min
Chinas subventioniertes Überholmanöver mit den Elektrofahrzeugen
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen, r) und Penny Peng, Director bei BYD Europa, besuchen auf der IAA den Stand von BYD. (Foto: dpa) Foto: Sven Hoppe

Einst verpönt und für mangelhafte Verarbeitung im europäischen kollektiven Gedächtnis abgespeichert, hat sich die chinesische Autoindustrie in den vergangenen Jahren quasi neu erfunden. Chinas Elektromobilitätshersteller haben ein Level erreicht, womit sie mittlerweile den europäischen Marken das Wasser reichen können. Das schlägt sich nicht nur in einem neuen Selbstbewusstsein nieder, sondern auch in den Export- und Verkaufszahlen. Im ersten Halbjahr von 2023 überholte China bereits Japan als Exportweltmeister.

Chinesische Elektroautohersteller, vom Marktführer BYD bis zu den kleineren Konkurrenten Xpeng und Nio verstärken ihre Bemühungen, im Ausland zu expandieren, da sich der Wettbewerb im Inland verschärft und das Wachstum nachlässt. Chinas Autoexporte stiegen im August um 31 Prozent, wie Daten der China Passenger Car Association (CPCA) zeigen. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, wie einst in der Solarindustrie. Zumindest das Vorgehen ähnelt an jüngst vergangene, schmerzliche Zeiten. Wir erinnern uns: Deutschland, einst Pionier in der Solartechnologie verlor das Wettrennen gegen China. Chinesische Solarunternehmen hatten damals durch eigene, staatliche Subventionen Wettbewerbsvorteile, die für deutsche Firmen unerreichbar waren. Die Preise der Konkurrenz lag deutlich unter den heimischen Produkten und bedeutete das Aus für viele Solarproduzenten. Bitter ist vor allem dabei die Erkenntnis, dass die nötige Technologie für die chinesischen Fabriken, in denen die Photovoltaikmodule produziert wurden, von deutschen Unternehmen stammte. So gesehen hatte Deutschland die Schippe für das eigene Solargrab zeitweise in den Händen gehalten.

Chinesische Monopolstellung sind nicht erwünscht

Und wieder ist ein Kampf entfacht, nun um die günstigsten Elektroautos. War China einst der größte Absatzmarkt für die noblen Verbrennermotoren „Made in Germany“, sieht es bei der neuen Generation der E-Mobilität bereits ganz anders aus. Die klassischen Autohersteller haben ihre Dominanz in China bereits verloren. Ob anders als beim Solarwettbewerb das Ruder noch gewendet werden kann, bleibt fraglich. Es ist der Punkt erreicht, bei der sich die Politik wieder einmischen muss. So hat die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erst kürzlich eine Antisubventionsuntersuchung gegen chinesische Importe eingeleitet, um einer Monopolstellung in naher Zukunft vorzusorgen. Die Kommission hat 13 Monate Zeit, um zu prüfen, ob sie Zölle über den EU-Standardzollsatz von 10 % für Kraftfahrzeuge hinaus erheben soll. Denn wieder sind enorme stattliche chinesische Subventionen dafür verantwortlich, die Preise konkurrenzlos niedrig zu halten und den Markt zum eigenen Vorteil zu verzerren. Als erste europäische Nation reagiert Frankreich. Es stopp künftig die Förderung von E-Autos aus China, weil die Produktion nicht den erforderlichen Umweltstandards entsprechen würde. Die Prämie soll in Zukunft nur noch für Fahrzeuge bewilligt werden, die die französische Umweltbehörde Ademe als umweltfreundlich klassifiziert.

Anders als früher haben die chinesischen Automobilprodukte eine neue Qualität erreicht. Durch Chinas massive Investitionen wurde das Land zum dominierenden Hersteller der Batterietechnologie für saubere Autos. Prognosen zufolge wird der weltweite Absatz von Elektrofahrzeugen allein im Jahr 2023 um fast ein Drittel auf mehr als 14 Millionen Einheiten steigen. Dieser Schritt könnte in einem neuen Handelskrieg münden. Europa ist mal wieder auf dem Weg, ihn zu verlieren.

Schadensbegrenzung durch Kooperationen

Warum sollte sich China Drohgebärden aus dem Westen gefallen lassen? Das Land kontrolliert bereits 60 Prozent der weltweiten Batterieproduktion. Die Abhängigkeiten der deutschen Automobilhersteller von China sind groß. Die Abwärtsspirale für die einstige deutsche Vorzeigebranche zeigt sich bereits deutlich. So hat Volkswagen seine seit Jahrzehnten gehaltene Marktführerschaft in China beim Wechsel zur E-Mobilität verloren. China ist immer noch einer der wichtigsten Märkte für alle europäischen Autobauer. Doch die Zulassungsanträge für europäische E-Autos dort ist gering. Die Strategie der deutschen Autobauer, ihre produzierten E-Modelle nach China zu verkaufen, scheint nicht aufzugehen. Die Kunden in China akzeptieren nicht, was die Europäer ihnen anbieten. Sie haben ihre eigenen Vorstellungen, was zum Beispiel das Infotainment-Angebot im Auto liefern sollte. Die Marktführerschaft hat deshalb BYD aus Shenzhen übernommen.

Kalt erwischen tut es die deutschen Hersteller nicht. Es war abzusehen, dass China auch in diesem Bereich früher oder später die Marktdominanz für sich beanspruchen möchte. Nun gilt es Schadensbegrenzung vorzunehmen in Form von Kooperationen. Da bei den Batterieautos den deutschen Autobauern noch ein wenig Know-how fehlt, entwickeln sie nun gemeinsame Produkte mit den Chinesen. Die Wolfsburger werden zusammen mit dem lokalen E-Autobauer Xpeng Modelle auf Basis chinesischer Technik bauen. Bei der ehemaligen Daimler-Marke Smart ist Geely, Chinas größter unabhängiger Automobilkonzern, längst gleichberechtigter Partner geworden. Geely ist bereits stark an Marken wie Mercedes, Volvo, Polestar oder Lotus beteiligt. Jüngst erhöhte der chinesische Autokonzern seinen Anteil am britischen Autobauer Aston Martin auf 17 Prozent. Damit wird die Geely Holding zum drittgrößten Anteilseigner des Traditionsherstellers und kann einen Aktionärsvertreter in das Board of Directors von Aston Martin berufen sowie eine zweite Person als Beobachter benennen, wodurch sich Geely mehr Mitspracherecht sichert. Die Automarke Zeekr, eine chinesische Hightech-Elektromarke, gehört ebenfalls zum Unternehmen und möchte Tesla ebenbürtig werden.

E-Autos bleiben problematisch

Mehr und mehr finden sich chinesische Automarken auf dem europäischen Markt. Kein Wunder also, dass China die Internationale Automobilausstellung (IAA) im September in München dominiert hat. Mit rund 70 Ausstellern waren die Autobauer, Zulieferer und Batteriefirmen aus dem Reich der Mitte die größten Vertreter. Das lässt bereits den Ehrgeiz der Chinesen erkennen. Aktuell stammen zwar erst acht Prozent der E-Autos in Europa aus China, laut einer Studie der französischen Beraterfirma Inovev, doch der Anteil wächst rapide. Bis 2025 könnte ihr Marktanteil bereits 15 Prozent erreichen, wobei die Preise in der Regel 20 Prozent, unter denen der in der EU hergestellten Modelle liegen. Nach nur 11 Monaten soll BYD nach eigenen Aussagen bereits in 15 europäischen Ländern vertreten sein. BYD ist zugleich der größte Batterienzellenhersteller der Welt und ist damit innerhalb von nur einer Dekade zu einem Giganten der Automobilindustrie herangewachsen. Im heimischen Markt beliefert BYD die Taxiunternehmen und öffentlichen Busse mit seiner Elektromobilität und konnte damit schnell wachsen. Nach einer Umfrage des Autozulieferers Continental können sich 45 Prozent der Autofahrer in Deutschland vorstellen, ein Auto eines chinesischen Herstellers zu kaufen. Mittels Preisdumping werden sich die nötigen Käufer finden lassen.

Der Markt für Elektroautos ist generell tückischer als der von Verbrennermotoren. Die Autos mit Batterie können nicht lange auf Halde stehen, da die Batterien schnell Schaden nehmen. Das zeigt sich in deutlichen Preisnachlässen, wie aktuell bei Tesla zu sehen. Die Autos müssen an den Mann gebracht werden, sonst droht der Totalausfall. Daher können reduzierte Preise ein Hinweis für eine lange Standzeit und für eine erhöhte Anfälligkeit des Autos sein. Temperatureinwirkungen tun ihr übriges, um den Zerfall der Technik zu beschleunigen. Auch das muss auf beiden Seiten der Käufer und Hersteller mehr ins Bewusstsein rücken. Am Ziel ist die Elektromobilität noch lange nicht angekommen. 2035 soll laut der EU das vollständige Verbrenner-Aus erreicht sein. Sollten bis dahin die Batterieprobleme nicht gelöst worden sein, könnte es eine neue Käuferwelle auf bestehende Verbrennerfahrzeuge auslösen, die mittlerweile über hundertjähriges Fahrzeugwissen enthalten. Es wäre vielleicht die neue Sternstunde für die europäischen Traditionsmarken.

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Sofia Delgado

                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 

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