Unternehmen

Aufträge der Industrie schrumpfen weiter, Rezession immanent

Die Reichweite der deutschen Industrieaufträge ist auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren gesunken. Eine Rezession ist laut IMK sehr wahrscheinlich.
18.10.2023 10:56
Aktualisiert: 18.10.2023 10:56
Lesezeit: 2 min

Das Polster der deutschen Industriebetriebe wird dünner: Die Reichweite des Auftragsbestands sank im August auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Sie nahm auf 7,1 Monate ab, nachdem sie im Juli noch 7,2 Monate betragen hatte. Das ist der niedrigste Wert seit Juni 2021. Die Reichweite gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Aufträge theoretisch produzieren müssten, um die vorhandenen Bestellungen abzuarbeiten.

"Der Bestandsrückgang resultiert auch aus gesunkenen Neuaufträgen", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger. Diese fielen im August um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat und damit zum zweiten Mal in Folge, weil vor allem die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" aus dem Ausland nachließ. Verglichen mit dem Vorjahresmonat gab es sogar ein reales Minus von 4,7 Prozent. "Eine Trendwende bei der Produktion wird damit weiter aufgeschoben", sagte Krüger. Unter einem schwachen Auftragsbestand werde auf Dauer auch die Investitionstätigkeit leiden.

Die einzelnen Branchen entwickeln sich sehr unterschiedlich. "Der Rückgang im Vormonatsvergleich kam insbesondere durch die negative Entwicklung der Auftragsbestände in der Automobilindustrie zustande", erklärten die Statistiker. Diese sanken im August um 2,8 Prozent. Der Rückgang im Maschinenbau von 1,0 Prozent beeinflusste das Gesamtergebnis ebenfalls negativ. Einen Zuwachs verzeichneten hingegen die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen mit 1,4 Prozent.

Die exportlastige Industrie hat ihre Produktion zuletzt vier Monate in Folge gedrosselt. Ein Grund dafür ist die maue Weltkonjunktur. So schwächelt etwa das Exportgeschäft mit China. Zudem haben viele Zentralbanken ihre Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation kräftig heraufgesetzt, was die Finanzierungskosten nach oben treibt und die Nachfrage nach deutschen Waren dämpft.

Rezessionsrisiko in Deutschland bei 73 Prozent

Die Gefahr einer Rezession in Deutschland bleibt einer Studie zufolge sehr groß. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt im Zeitraum Oktober bis Dezember bei 73 Prozent, wie das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) am Mittwoch zu seinem Indikator mitteilte. Anfang September lag sie mit 74,0 Prozent sogar noch ein wenig höher.

Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator - der Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt - steht damit weiter auf "rot". Das signalisiert eine "akute" Rezessionsgefahr. Mögliche Folgen des Nahostkriegs auf die wirtschaftliche Entwicklung sind dabei in den Daten noch nicht abgebildet, weil diese vor dem Angriff auf Israel erhoben wurden.

"Die deutsche Wirtschaft schafft es weiterhin nicht, sich freizuschwimmen", sagte IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld. "Das Verharren der Rezessionswahrscheinlichkeit auf hohem Niveau deutet darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal allenfalls geringfügig zunimmt." Viele Experten gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt von Europas größter Volkswirtschaft in der zweiten Jahreshälfte schrumpfen dürfte.

Der marginale Rückgang der Rezessionsgefahr beruht den Angaben zufolge darauf, dass die Auftragseingänge aus dem In- und dem Ausland zuletzt deutlich gestiegen sind. Besonders ausgeprägt fiel der Zuwachs bei Vorleistungs- und Konsumgütern aus. Negative Impulse von den Finanzmärkten verhinderten jedoch, dass sich dieser positive Trend nennenswert auf die Prognose auswirken konnte. So hätten die Aktienkurse in den vergangenen Wochen um knapp vier Prozent nachgegeben. Außerdem erschwerten die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen.

Für das laufende Jahr erwarten die Düsseldorfer Forscherinnen und Forscher einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung von 0,5 Prozent. Das IMK rechnet auch im kommenden Jahr nicht mit einem kräftigen Aufschwung. Das Bruttoinlandsprodukt werde dann um 0,7 Prozent wachsen, heißt es in der kürzlich veröffentlichten Prognose. Damit ist das IMK deutlich pessimistischer als noch im Frühjahr mit 1,2 Prozent angenommen. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Waffenruhe zwischen Iran und Israel: Trump erklärt Nahost-Konflikt für beendet
24.06.2025

US-Präsident Trump verkündet Waffenruhe zwischen Iran und Israel. Nach schweren Angriffen könnte der Zwölftagekrieg beendet sein. Was...

DWN
Politik
Politik Nato-Gipfel: Den Haag wird zur Festung - Sorge vor digitaler Sabotage
24.06.2025

Die Niederlande erwarten die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten – auch US-Präsident Donald Trump. Wegen der hochkarätigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Sondervermögen Infrastruktur: Wo gehen die 500 Milliarden Euro hin?
24.06.2025

Deutschland hat Infrastrukturprobleme. Das geplante Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Mrd. Euro soll in den nächsten zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Misserfolg bei Putins Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Die marode Kriegswirtschaft interessiert kaum jemanden
23.06.2025

Das Wirtschaftsforum in St. Petersburg sollte Russlands wirtschaftliche Stärke demonstrieren. Stattdessen offenbarte es die dramatische...

DWN
Politik
Politik Zwangslizenzen: EU hebelt den Patentschutz im Namen der Sicherheit aus
23.06.2025

Die EU will künftig zentral über die Vergabe von Zwangslizenzen entscheiden – ein tiefer Eingriff in das Patentrecht, der die...

DWN
Technologie
Technologie Umfrage: Zwei Drittel für europäischen Atom-Schutzschirm
23.06.2025

Eine Forsa-Umfrage zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Aufbau eines europäischen nuklearen Schutzschildes befürworten....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Internationale Anleger kehren der Wall Street den Rücken
23.06.2025

Ölpreise steigen, geopolitische Risiken nehmen zu – und Europas Aktienmärkte wirken plötzlich attraktiv. Während die US-Börsen ins...

DWN
Politik
Politik Personalmangel im öffentlichen Dienst - DGB fordert mehr Personal
23.06.2025

Milliardeninvestitionen sollen in Deutschland die Konjunktur ankurbeln. Doch Personalmangel in Behörden könnte den ehrgeizigen Plänen...