Auf Anordnung von Präsident Wladimir Putin patrouillieren russische Kampfjets nun rund um die Uhr über neutralen Gewässern im Schwarzen Meer. Die Flugzeuge vom Typ MiG-31 seien mit Kinschal-Hyperschallraketen bewaffnet, die eine Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern bei einer Geschwindigkeit von Mach 9 haben, teilte Putin am 18. Oktober in Peking im Anschluss an seine Gespräche mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit.
„Dies ist keine Drohung“, betonte Putin, „aber wir werden eine visuelle Kontrolle - eine Kontrolle mit Waffen - über das Geschehen im Mittelmeer ausüben“. Zuvor hatten die USA im Rahmen des Kriegs zwischen Israel und Palästina zwei Luftwaffenverbände ins Mittelmeer verlegt. Die russische Reaktion erhöht die Spannungen mit den USA, die bisher im Ukraine nur ein indirekter Gegner der Russen sind, im Nahen Osten nun aber zu direkten Gegnern zu werden drohen.
Putin kristisierte in diesem Zusammenhang auch die jüngste Lieferung von amerikanischen ATACMS-Langstreckenraketen an die Ukraine. Der Schritt zeige, wie Washington sich immer stärker in den Ukraine-Konflikt einmische. All dies heize auch die Atmosphäre vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts an, so Putin. Er und Präsident Xi hätten in Peking sowohl den Konflikt in der Ukraine, als auch den Konflikt im Nahen Osten ausführlich erörtert.
Ukraine-Krieg hat die Fronten verhärtet
Russland und China stünden „gemeinsamen Bedrohungen“ gegenüber, die ihre bilateralen Beziehungen stärken würden. China hat Russland für den Ukraine-Krieg zwar keine Waffen geliefert, das Land aber diplomatisch und wirtschaftlich unterstützt und entscheidend dazu beigetragen, die Auswirkungen der westlichen Sanktionen abzumildern. Eine Lieferung von Waffen hätte möglicherweise US-Sanktionen ausgelöst, auf die sich China derzeit vorbereitet.
US-Präsident Joe Biden hatte letzten Monat zugesagt, der Ukraine eine begrenzte Anzahl von ATACMS (Army Tactical Missile System) zu liefern. Putin sagte, die USA hätten damit einen „Fehler gemacht“. Diese amerikanischen Raketen würden „nur die Qualen für die Ukraine verlängern“, und Russland werde „sicherlich in der Lage sein, diese Angriffe abzuwehren“. Die ersten ATACMS-Raketen sind von der Ukraine bereits eingesetzt worden.
Die Explosion am 17. Oktober in einem Krankenhaus in Gaza, bei der nach Angaben der Palästinenser Hunderte Menschen ums Leben kamen, sollte ein Signal sein, den Konflikt so schnell wie möglich zu beenden, sagte Putin. Nach Telefongesprächen am 15. Oktober mit den Führern Ägyptens, Syriens, des Irans, Israels und der Palästinensischen Autonomiebehörde sei klar geworden, dass niemand eine Ausweitung des Konflikts zu einem groß angelegten Krieg wolle.
Massiver Truppenaufmarsch im Nahen Osten
Die Reichweite der Kinschal-Hyperschallraketen, mit denen die russischen Kampfjets über dem Schwarzen Meer ausgerüstet sind, beträgt bis zu 2.000 Kilometer. Damit decken sie aus sicherer Entfernung das gesamte östliche Mittelmeer ab, und aufgrund ihrer Geschwindigkeit sind die Kinschal-Raketen eine echte Gefahr für amerikanische Ziele wie die Flugzeugträger „USS Dwight D. Eisenhower“ und „USS Gerald R. Ford“, die in die Region verlegt wurden.
Die beiden Flugzeugträger zusammen können bis zu 180 Flugzeuge transportieren. Hinzu kommen weitere Schiffe, welche die Flugzeugträger eskortieren. Die US-Marine hat auch das amphibische Angriffsschiff „USS Bataan“, das bis zu 20 Flugzeuge tragen kann, und weitere Seestreitkräfte in die Region entsandt. Ihre Besatzung besteht aus mindestens 1600 Marinesoldaten, obwohl ihre volle Kampfstärke bis zu 2400 Soldaten beträgt, wie Global Research berichtet.
Darüber hinaus hat das Pentagon weitere Kampfjets sowie Langstreckenbomber vom Typ B-1B Lancer in die Region entsandt. Letztere wurden am 12. Oktober von Texas nach Fairford im Vereinigten Königreich verlegt. Von dort aus könnten sie Ziele im gesamten Nahen Osten und anderswo angreifen. Doch die russischen Kampfjets über dem schwarzen Meer befinden sich weit außerhalb der Reichweite Abfangjägern oder von schiffsgestützten US-Luftabwehrsystemen.
Russlands Verbündete sehen sich von den USA bedroht
Der Umstand, dass die US-Marine nun im östlichen Mittelmeer zwei Flugzeugträgerkampfgruppen (Carrier Strike Groups, CSGs) unterhält und zahlreiche weitere Truppen in die Region entsandt hat, stellt nicht nur eine Bedrohung für die russischen Verbündeten in der Region dar (insbesondere für Syrien), sondern auch für die russischen Streitkräfte, die in Syrien stationiert sind. Gegen die Hamas selbst scheinen die entsandten Truppen hingegen unnötig.
Die US-Truppen sollen offenbar erst bei einer Ausweitung des Konflikts zum Einsatz kommen oder als Abschreckung dienen. Syrien sieht sich durch die US-Präsenz sicherlich bedroht, auch weil die von der Türkei unterstützten Dschihadisten ihre Aktivitäten in Syrien zuletzt wieder ausgeweitet haben, vor allem im Nordwesten des Landes, wo sie vor dem Hintergrund der aktuellen Eskalation eine Offensive starten könnten.
Wenn die USA bei einer Eskalation des Konflikts Syrien oder zumindest iranische und pro-iranische Kräfte in Syrien angreift, könnte dies nicht nur einen Rückfall in einen Bürgerkrieg mit allen Konsequenzen bedeuten, sondern auch einen Konflikt mit Russland. Denn Moskau unterstützt Syrien und seinen Präsidenten Bashar al-Assad seit vielen Jahren und unterhält in dem Land zudem strategisch wichtige Militäreinrichtungen.
Offener Krieg zwischen USA und Russland?
Die russischen Jets mit Hyperschallraketen sind gegenüber den viel größeren und viel teureren US-Streitkräften in der Region in einem massiven asymmetrischen Vorteil. Denn die Geschwindigkeit der Raketen macht sie für Abwehrsysteme praktisch unerreichbar. Mitte Mai meldete das russische Verteidigungsministerium, in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein amerikanisches Patriot-Luftabwehrsystem mit einer Kinschal-Rakete zerstört zu haben.
In der Ukraine haben die NATO und Russland einen offenen Krieg bisher vermieden, auch wenn Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Januar davon sprach, „wir“ würden „Krieg gegen Russland“ führen. Aufgrund der Truppenkontration der USA, die eine Bedrohung für Russland und vor allem für seine Verbündeten in der Region darstellt, und aufgrund der erheblichen russischen Fähigkeiten, US-Truppen empflindlich zu treffen, droht nun jedoch offener Krieg.
Ein mögliches Szenario besteht etwa darin, dass Israel nicht nur eine Bodenoffensive gegen die Hamas in Gaza startet, sondern gleichzeitig auch gegen die Hisbollah im Libanon und möglichweise auch Syrien. Die US-Truppen könnten dabei als Abschreckung dienen, damit der Iran und Russland es nicht wagen, ihre Verbündeten und ihre Interessen in der Region zu verteidigen. Es ist fraglich, ob die Abschreckung durch die USA heute tatsächlich noch wirken würde.