Politik

Israel-Resolution: Selbstverteidigung nur nach Regeln des Völkerrechts legitim

Das EU-Parlament verurteilt die Anschläge der Hamas auf Israel scharf und fordert die sofortige Freilassung der Geiseln. Hamas und die palästinensische Zivilbevölkerung seien nicht gleichzusetzen, heißt es in einer Resolution der Parlamentarier weiter. Die Hilfe für Gaza müsse überprüft und dann verstärkt werden. Eine „humanitäre Pause“ soll helfen, eine Eskalation des Konflikts zu verhindern.
20.10.2023 11:55
Aktualisiert: 20.10.2023 11:55
Lesezeit: 3 min

Es war eine der emotionalsten Debatten seit Langem im Plenum des EU-Parlaments. Schock, Horror und Entsetzen saßen bei den Abgeordneten noch tief, als um eine gemeinsame Erklärung zu den Ereignissen in Israel und Gaza rangen. Denn so sehr die Parlamentarier die abscheulichen Terrorangriffe der Hamas gegen Israel verurteilen und mit den Familien der Opfer trauern, so groß ist gleichzeitig die Sorge über die immer dramatischere humanitäre Lage im unter Dauerbeschuss stehenden Gazastreifen, wo die Hamas die Menschen als lebende Schutzschilde missbraucht.

Es ist in diesen Tagen schwer, mit diesem Dilemma umzugehen und die richtigen Worte zu finden. Ja, Israel hat selbstverständlich das Recht, sich zu verteidigen, war der Tenor. Doch hat es auch das Recht, den Tod Tausender unschuldiger palästinensischer Zivilisten in Kauf zu nehmen und diese auch noch von lebenswichtiger Versorgung wie Wasser, Nahrung und Strom abzuschneiden? Am Ende einigte man sich darauf, dass es einen Krieg ohne die Wahrung des Völkerrechts von Seiten Israels nicht geben darf.

Hamas muss zerschlagen werden

Am Donnerstag nahmen die Parlamentarier mit 500 zu 21 Stimmen und 24 Enthaltungen eine Entschließung an, in der sie die brutalen Angriffe aufs Schärfste verurteilten, Israel und seiner Bevölkerung ihre Unterstützung bekundeten und bekräftigten, „dass die terroristische Vereinigung Hamas zerschlagen werden muss“. Das Europaparlament fordert auch die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller Geiseln. Das Recht Israels auf Selbstverteidigung „wie es im Völkerrecht verankert ist und durch dieses eingeschränkt wird“ erkennt es an. Dementsprechend müssen alle Maßnahmen Israels strikt mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sein, heißt es in dem Text.

Das Parlament betont auch, dass sowohl die Angriffe der Hamas als auch die israelische Reaktion die Gefahr bergen, dass es in der Region zu einer verstärkten Gewaltspirale kommt. Die Abgeordneten fordern daher eine „humanitäre Pause“ und betonen, „dass Angriffe auf Zivilisten, darunter Arbeitskräfte der Vereinten Nationen, medizinische Fachkräfte und Journalisten, und auf zivile Infrastruktur einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen“.

Über den Verlust von Hunderten unschuldiger Leben und über die Verletzten infolge der jüngsten Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza bringen sie ihre tiefe Trauer zum Ausdruck. Die Entschließung fordert eine unabhängige Untersuchung nach internationalem Recht, um festzustellen, ob es sich um einen vorsätzlichen Angriff und ein Kriegsverbrechen handelte. Gegebenenfalls müssten die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Darüber hinaus fordert das Parlament eine gründliche Untersuchung, welche Rolle Iran, Katar oder Russland bei der Finanzierung des Terrors in der Region spielen. Das gesamte Korps der Islamischen Revolutionsgarde des Iran und die libanesische Hisbollah müssten in die EU-Liste terroristischer Vereinigungen aufgenommen werden.

Keine EU-Hilfen für terroristische Vereinigungen

Besonders wichtig ist den Abgeordneten auch die Unterscheidung zwischen dem palästinensischen Volk mit seinen berechtigten Bestrebungen und der terroristischen Hamas. Die internationale Gemeinschaft müsse ihre humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza fortsetzen und ausweiten. Ägypten und Israel werden aufgefordert, humanitäre Korridore einzurichten. Um Vorwürfen entgegenzuwirken, dass die EU mit ihren Hilfen die Hamas unterstützt - was die EU-Kommission weit von sich weist - fordert das Parlament die EU-Kommission nachdrücklich auf, die gesamte finanzielle Unterstützung der EU für die Palästinensischen Gebiete und die Region gründlich zu untersuchen, um sicherzustellen, dass mit EU-Mitteln weder direkt noch indirekt terroristische Vereinigungen finanziert werden.

Eine gemeinsame Haltung war knapp zwei Wochen nach den brutalen Terrorangriffen überfällig. Man wollte zudem Einheit demonstrieren, weil sich Europas Spitzenpersonal nach Meinung zahlreicher Parlamentarier mit seinen nicht abgesprochenen Reisen und Kommentaren vor den Augen der Welt blamiert habe. Viel Kritik gab es an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens eigenmächtigem Vorpreschen, weil sie ohne Absprachen und ohne Mandat mit Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nach Israel gereist war. Josep Borrell, der hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, weilte in China und Ratspräsident Charles Michel war düpiert.

Wenig besser machte es der ungarische EU-Kommissar Olivér Várhelvi, zuständig für Erweiterung und Nachbarschaft, mit einem vorschnellen Kommentar über den sofortige Aussetzung aller Zahlungen an die Palästinenser, was kurz darauf von der Kommissionspräsidentin kassiert wurde, die ankündigte, die humanitäre Hilfe auf 75 Millionen zu verdreifachen und eine Luftbrücke für Hilfstransporte auf den Weg zu bringen.

Zwei-Staaten-Lösung für einen langfristigen Frieden

„Dieser Krieg wird nur durch die Menschlichkeit Israels beendet“, sagte der Sergey Lagodinsky (Grüne/DE) während der teils hitzigen Debatte am Mittwoch und fügte hinzu: „Dies ist der Augenblick einer Gemeinsamkeit in Europa. Wir müssen zusammenstehen - auch wenn es schwer fällt.“ Josep Borrell hatte es schon zu Beginn der Sitzung gesagt: „Frieden kommt nicht von allein.“ Die internationale Gemeinschaft hätte noch nicht alles getan, was möglich ist, um das, was vor 30 Jahren in Oslo beschlossen wurde, umzusetzen. Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič bekräftigte dies: „Die EU ist ein Friedensprojekt, wir werden uns um die Weiterführung des Friedensprozesses bemühen.“

Für eine friedliche Lösung im Nahostkonflikt will das EU-Parlament eine durch Verhandlungen erzielte Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grenzlinien von 1967 „unerschütterlich“ unterstützen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Regulierung in der EU: Warum Europas CEOs jetzt handeln müssen
02.02.2025

Die EU hat mit dem KI-Gesetz strikte Regeln für Künstliche Intelligenz eingeführt. Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung,...

DWN
Panorama
Panorama Tempo 30 innerorts: Fußgängerschutz in Deutschland stärker in den Fokus rücken
02.02.2025

Die Gewerkschaft der Polizei fordert Tempo 30 innerorts, um die Verkehrssicherheit und den Fußgängerschutz zu verbessern. Besonders...

DWN
Panorama
Panorama Sind Sie reich? Ohne meinen Steuerberater sage ich nichts
02.02.2025

Die Frage kommt ja manchmal spontan, etwa in einem Interview. Und nicht immer hat man Zeit, seine PR-Abteilung tagelang Team-Meetings über...

DWN
Technologie
Technologie Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts: Kein Anspruch auf Papier - und in einem anderen Fall auf Mail-Adressen
02.02.2025

Der Arbeitsalltag vieler Menschen wird digitaler und mobiler. Das sorgt für Konflikte - auch weil Gesetze fehlen. Neue Regeln stellten...

DWN
Finanzen
Finanzen VW-Aktie: Volkswagen macht an der Börse Boden gut und könnte neuen Trend am Automobilmarkt vorzeichnen
02.02.2025

Automobil-Werte haben an der Börse keine gute Figur gemacht in den vergangenen Jahren. Wenn die Regel stimmt, dass die Börsen die Zukunft...

DWN
Technologie
Technologie Methanol als Kraftstoff: Die Zukunft der umweltfreundlichen Mobilität
02.02.2025

Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten erläutert Thorsten Rixmann, Manager der Obrist-Gruppe, warum die Zukunft des...

DWN
Panorama
Panorama Generation Beta: Eine neue Alterskohorte prägt unsere Zukunft - mehr als nur ein Label?
01.02.2025

Seit dem 1. Januar dieses Jahres wird die "Generation Beta" geboren – die nächste Alterskohorte nach der Generation Z. Experten wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Technologie-Trends 2025: Wie KMU den digitalen Wandel für sich nutzen können
01.02.2025

Digitalisierung ist der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit von KMU. Wer jetzt investiert, sichert sich 2025 entscheidende Vorteile. Diese...