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Elektronische Zeiterfassung wird Pflicht: Was Unternehmen wissen müssen

Lesezeit: 4 min
26.10.2023 12:29  Aktualisiert: 26.10.2023 12:29
Unternehmen in Deutschland steht eine Veränderung bevor: Die elektronische Zeiterfassung wird Pflicht. Künftig müssen Unternehmen alle geleisteten Arbeitsstunden elektronisch erfassen. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums hervor.
Elektronische Zeiterfassung wird Pflicht: Was Unternehmen wissen müssen
Früher gabe es die Uhrenkartenmaschine, heute muss die Arbeitszeit elektronisch erfasst werden. (Foto: istockphoto.com/tibu)
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Die Einführung der elektronischen Zeiterfassungspflicht ist Teil einer umfassenden Reform des Arbeitszeitgesetzes. Die Reform soll die Rechte der Arbeitnehmer schützen und faire Arbeitsbedingungen schaffen. Mit der elektronischen Zeiterfassung sollen Überstunden, lange Arbeitszeiten und mögliche Arbeitszeitverstöße dokumentiert und minimiert werden.

Der Weg zur elektronischen Zeiterfassung in Deutschland

Mai 2019 traf der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil, das die Mitgliedsstaaten unter Zugzwang setzte. Das sogenannte Stechuhr-Urteil verpflichtet Arbeitgeber, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzurichten, das objektiv, verlässlich und zugänglich ist. Das Urteil setzt die Vorgaben aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie um.

September 2022 reagierte das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf das Urteil des EuGH. Demnach verpflichtet das Urteil des Bundesarbeitsgerichts Arbeitgeber, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten aufzuzeichnen. Nach diesem BAG-Urteil sind Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit zu dokumentieren. Eine konkrete Form der Arbeitszeiterfassung schreibt das Urteil jedoch nicht vor. Auch wurde nicht festgelegt, ob Pausen zu erfassen sind und welche Sanktionen bei Verletzung der Regel getroffen werden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im April 2023 einen Gesetzentwurf erarbeitet, der das Urteil des BAG umsetzen soll und die Änderung des bestehenden Arbeitsgesetzes bedeutet. Der Entwurf liegt aktuell Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften vor. Ein überarbeiteter Gesetzentwurf soll möglicherweise Ende 2023 oder Anfang 2024 vorgelegt werden.

Was genau enthält der Gesetzesentwurf zur elektronischen Zeiterfassung?

Der Gesetzesentwurf verpflichtet Arbeitgeber, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer elektronisch zu erfassen. Nachträgliche Korrekturen sind erlaubt. Bisher waren Arbeitgeber nur verpflichtet, die von ihren Arbeitnehmern geleisteten Überstunden und Sonntagsarbeiten aufzuzeichnen, nicht aber die gesamte Arbeitszeit, einschließlich Beginn und Ende der Arbeitszeit. Die Erfassung der Arbeitszeit kann auch durch die Mitarbeiter selbst oder durch einen Dritten erfolgen.

Nach dem Entwurf sollen die Tarifvertragsparteien Ausnahmen vereinbaren können. Sie sollen von der elektronischen Form abweichen können und eine Erfassung in Papierform zulassen können.

Für Kleinstbetriebe, die weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, entfällt die Verpflichtung zur elektronischen Aufzeichnung.

Die elektronischen Nachweise müssen zwei Jahre archiviert werden.

Anwesenheitszeit nicht gleich Arbeitszeit

Anwesenheitszeit ist nicht dasselbe wie Arbeitszeit. Arbeitnehmer, die einen Acht-Stunden-Tag haben, arbeiten oft nicht die ganze Zeit. Jedes Unternehmen muss für sich selbst entscheiden, wo die Grenzen liegen. Müssen sich die Mitarbeiter für eine kurze Pause abmelden? Oder nur, wenn sie in die Mittagspause gehen? Wann ist eine Pause zu lang? Das sind individuelle Entscheidungen, die jedes Unternehmen für sich treffen muss.

Diese Vorteile ergeben sich für deutsche Unternehmen

Die Einführung der elektronischen Zeiterfassung mag zunächst nach einer zusätzlichen Verwaltungsaufgabe klingen, aber sie bringt tatsächlich eine Vielzahl von Vorteilen für Unternehmen mit sich:

  1. Rechtliche Konformität: Unternehmen, die die elektronische Zeiterfassung einführen, können sicherstellen, dass sie die geltenden Arbeitszeitvorschriften einhalten, wodurch das Risiko von rechtlichen Konsequenzen und Strafen minimiert wird.
  2. Effizienz und Genauigkeit: Automatisierte Zeiterfassungssysteme eliminieren menschliche Fehler und gewährleisten genaue Aufzeichnungen. Dies hilft, Konflikte und Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern zu vermeiden.
  3. Kosteneinsparungen: Die Automatisierung der Zeiterfassung reduziert den Verwaltungsaufwand erheblich, was zu Kosteneinsparungen führt und den Mitarbeitern ermöglicht, sich auf wichtigere Aufgaben zu konzentrieren.
  4. Transparenz: Elektronische Zeiterfassungssysteme bieten sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern Zugang zu den Arbeitszeitdaten, was Transparenz und Vertrauen in der Arbeitsbeziehung fördert.
  5. Bessere Personalplanung: Die genauen Aufzeichnungen über die Arbeitszeit ermöglichen es Unternehmen, Arbeitszeiten effizienter zu planen und Überstunden zu minimieren.

Da sollten Sie als Unternehmen tun

Um von der neuen Gesetzgebung und der elektronischen Zeiterfassung zu profitieren, sollten Unternehmen in Deutschland die folgenden Schritte unternehmen:

Systemauswahl: Wählen Sie ein geeignetes Zeiterfassungssystem, das den Bedürfnissen Ihres Unternehmens und den gesetzlichen Anforderungen entspricht. In Deutschland gibt es verschiedene Anbieter, die spezielle Lösungen anbieten. Der Gesetzgeber gibt keine Anbieter vor. Möglich ist die elektronische Zeiterfassung mittels:

  • Zeiterfassungs-Apps
  • Zeiterfassungssoftware
  • Tabellenkalkulationsprogramme
  • Terminals mit digitaler Zeiterfassung

Mitarbeiterschulung: Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter mit dem neuen System vertraut sind, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Schulungen sind entscheidend, um potenzielle Probleme zu minimieren.

Kommunikation: Informieren Sie Ihre Mitarbeiter über die Gründe für die Einführung der elektronischen Zeiterfassung und erläutern Sie die Vorteile, die sich für sie ergeben.

Rechtliche Beratung: Konsultieren Sie einen Rechtsanwalt oder eine Fachkraft für Arbeitsrecht, um sicherzustellen, dass Ihr Unternehmen die geltenden Vorschriften in Deutschland einhält.

Die Einführung der elektronischen Zeiterfassung als Pflicht mag anfangs eine Herausforderung darstellen, bietet jedoch langfristige Vorteile für Unternehmen und Mitarbeiter in Deutschland. Die Einhaltung der Gesetze und die Steigerung der Effizienz sollten im Mittelpunkt jeder Geschäftsstrategie stehen. Unternehmen, die diese Veränderungen proaktiv angehen, werden langfristig von einer besseren Arbeitsplatzkultur und wirtschaftlichem Erfolg profitieren.

Häufig gestellte Fragen zum Thema elektronische Zeiterfassung

Was passiert, wenn ich keine elektronische Zeiterfassung in meinem Unternehmen vornehme?

Dann begeht Ihr Unternehmen eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet wird.

Wie lange muss ich die elektronischen Nachweise archivieren?

Sie müssen die Nachweise zwei Jahre archivieren.

Wann muss ich keine elektronischen Nachweise über die Zeiterfassung meiner Mitarbeiter führen?

Die elektronische Zeiterfassung ist nicht für Kleinstunternehmen und Tarifpartner verpflichtend.

Fällt die „Vertrauensarbeitszeit“ mit der elektronischen Zeiterfassung weg?

Nein. Die Möglichkeit der "Vertrauensarbeitszeit" soll durch die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht beeinträchtigt werden, wie es im Entwurf heißt. Mit der „Vertrauensarbeitszeit“ ist ein flexibles Arbeitszeitmodell gemeint, bei dem der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet. Selbstbestimmung und Flexibilität sind weiterhin voll gegeben.

Gibt es eine Übergangsfrist für die elektronische Zeiterfassung?

Der Entwurf sieht Übergangsfristen für die Einführung der elektrischen Arbeitszeiterfassung vor:

  • Ein Jahr für alle Arbeitgeber mit 250 oder mehr Beschäftigten
  • Zwei Jahre für Arbeitgeber mit weniger als 250 Beschäftigten
  • Fünf Jahre für Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten

Die Arbeitszeiterfassung als solche muss jedoch bereits für alle Arbeitnehmer erfolgen. Die Übergangsfristen beziehen sich nur auf die elektronische Form der Erfassung.

 

***

Maria Romanska arbeitet als freie Journalistin und schreibt vor allem über Arbeitsrecht, Arbeitgeberpflichten sowie kleine und mittelständische Unternehmen.


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