Vielleicht muss man sich verabschieden von dem Gedanken, des einen guten Führungsstils. Was macht gute Führung aus? Und wie kann man gute Führung messbar machen? Ein Blick auf traditionelle deutsche Unternehmen wie Trigema sind vielleicht nicht repräsentativ für ein modernes Führungsverständnis, berechtigen aber aufgrund des Erfolgs die Wirksamkeit der Führungsstils näher zu betrachten.
Trigema-Chef Wolfgang Grupp ist als geradliniger Mann der Taten bekannt, der mit straffer Hand seine Mitarbeiter führt. Wer laut ihm ein großes Problem hat, der sei generell ein Versager, denn jedes Problem sei einmal klein gewesen und hätte als kleines gelöst werden können. Entscheidungen werden von allen getragen, damit jeder Einzelne dahinter steht, so seine Einblicke gegenüber Business Insider. In der dritten Generation führt der Senior bereits sein Unternehmen. Sein Erfolgsrezept für das gesunde Unternehmen sind Mitbestimmung der Mitarbeiter auf der einen Seite und Verantwortungs-bewusstsein auf der anderen, was dazu führt, dass er das letzte Wort als Hauptverantwortlicher hat.
Ein guter Leader steht hinter seinem Wort und seinen Entscheidungen. „Als Führungskraft ist es elementar wichtig authentisch zu sein, dies ist meines Erachtens eine zeitlose Eigenschaft“, sagt Dr. Philipps Bocks, Vorstandsmitglied von der Karl Schlecht Stiftung, die sich hauptsächlich dem Thema „Good Leadership“ widmet. Grupp verkörpert diese Authentizität in einem besonderen Maße. Er wirkt glaubwürdig. Es ist nicht leicht ein hochkomplexes System, wie es eine Gruppe darstellt, zu führen. Es verlangt von einem Vorgesetzen einiges ab, die richtige Balance zwischen Veränderung und Stabilität zu finden. „Good Leadership“ muss jeden Tag neu erlernt und gelebt werden, es ist ein Prozess. Hierzu ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion entscheidend, ergänzt Bocks.
Was Grupp seit über einem halben Jahrhundert gut zu gelingen scheint, fehlt oft bei anderen Managern. Sie zeichnen sich durch ein schwaches Leistungsmanagement aus. Dieses beinhaltet die Tendenz, Konflikten mit Mitarbeitern aus dem Weg zu gehen und einer allgemein mangelnden vorhandenen Verantwortlichkeit. Es wird in diesen Fällen nicht genug Management betrieben. Darunter leiden die Ergebnisse.
Unterdurchschnittliches Management kann auch unbemerkt bleiben, weil die Manager, die diese Tendenzen aufweisen, nicht inkompetent sind. Im Gegenteil, sie kennen ihr Geschäft oft gut, sind gute Mitarbeiter und beliebt, vermeiden es allerdings in Konfliktsituationen mit ihren Angestellten kritisch aneinander zu geraten. Die Karl Schlecht Stiftung in Aichtal setzt hier an und fördert mit zahlreichen Programmen die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen. „Insbesondere die Zukunftskompetenzen, wie Resilienz, Problemlösungskompetenz, soziale Kompetenz etc. stehen im Zentrum unserer Förderung“, den hier mangelt es besonders bei Führungskräften, weiß der Vorstand der Stiftung.
Wichtig ist die Wirksamkeit
Ob ein Unternehmen traditionell oder modern geführt wird, spielt im Endeffekt nur insoweit eine Rolle, sofern die Wirksamkeit gegeben ist. Der Rahmen muss funktionieren, indem sich die Mitarbeiter entfalten und aktiv einbringen können. Immer wieder taucht im Zusammenhang mit Führung der Begriff von „Good Leadership“ auf, den es mit Inhalt zu füllen gilt. Er muss sich den Anforderungen der Zeit genauso anpassen, wie die Menschen dahinter, die es verkörpern. Es kann sich also nur um ein agiles Konstrukt handeln.
Seit 2015 entwickeln Professoren und Studenten an der HLL Leipzig Graduate School of Management unter dem Begriff „Leipziger Führungsmodell“ ein Führungsverständnis, welches den Ansprüchen unserer Zeit gerecht werden soll. Es identifiziert dabei vier Dimensionen, die gute Führung ausmachen: Purpose, Verantwortung, Unternehmergeist und Effektivität. Als Purpose steht die Frage nach Sinn, Zweck und Legitimation von Entscheidungen, Handlungen und Geschäftsmodellen. Es bedarf ein verantwortungsvolles Handeln von Führungskräften. Mit dem Begriff Unternehmergeist ist die Erneuerungs- und Transformationsfähigkeit von Menschen, Organisationen und der Gesellschaft gemeint. Die Aufgabe von Führungskräften ist es, diese Erneuerungen und Transformationen zu begleiten, zu gestalten und zu kommunizieren. Unter Effektivität wird im Leipziger Führungsmodell die Übersetzung von unternehmerischen Entscheidungen in Strategien, Strukturen und Prozesse verstanden.
In dem Forschungsprojekt „Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership“ kommen die Experten zu dem Schluss, das gute Führung die Blickrichtung der Führungskräfte verändert. Sie richtet sich auf die Entwicklungspotenziale der Mitarbeitenden und nicht auf die des Unternehmens. Dafür notwendig sind angstfreie Handlungsräume, größtmögliche Handlungs- und Entscheidungsfreiheit und eine mittel- bis langfristige Entwicklungsplanung. Daher eignet sich ihr „Good-Leadership“-Ansatz nicht für Unternehmen, die auf schnellen Profit zielen.
Von der Fehlerkultur zur Lernkultur
Von der Führung und dessen Fähigkeiten hängt so manches ab für ein Unternehmen. Nicht alles läuft immer rund und nach Plan. Doch noch immer sind viele Unternehmen von einer Fehlerkultur geprägt. Fehler einzugestehen ist ein großes Problem für Unternehmen und deren Vorgesetze, wie die EY-Studie „Fehlerkultur Report 2023“ zeigt. 64 Prozent der in der Studie befragten Führungskräfte haben in den vergangenen beiden Jahren eigene Fehler gar nicht oder nur teilweise zugegeben. Erschreckend hohe Zahlen, die auf wenig Toleranz und Akzeptanz hindeuten.
Besonders hoch ist der Wert in der Finanzbranche. Hier gaben 82 Prozent der Führungskräfte an, falsche Entscheidungen teilweise oder ganz nicht öffentlich zu thematisieren. Die Angst vor Sanktionierung und Prestigeverlust sind die Treiber. Es fehle an Demut bei den Führungskräften. Demut in der Bereitschaft, sich selbst richtig einzuschätzen, wertschätzend gegenüber anderen zu sein und Offenheit, von anderen lernen zu wollen. Auch alte Gewohnheiten (50 Prozent) Gesichtsverlust (48 Prozent) und fehlendes unternehmerisches Denken der Mitarbeiter (38 Prozent) hindern bisher den konstruktiven Umgang mit Fehlern. Führungskräfte selbst sorgen sich zu 43 Prozent vor Karrierenachteilen und gaben an, sogar Angst vor einem Jobverlust (34 Prozent) zu haben.
Wünsche der Mitarbeiter umsetzen
Es gilt an der Fehlerkultur in Unternehmen zu arbeiten und diese in eine Lernkultur zu verwandeln. Dazu wünschen sich die Hälfte der Befragten den intensiveren Einsatz innovativer und agiler Methoden bzw. ein Vergütungssystem, das Innovationen fördert und Fehler nicht bestraft. Mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) wünschen sich Innovationsprogramme, die Mitarbeitende ausdrücklich zum Ausprobieren und Experimentieren ermutigen. Ebenfalls gewünscht werden Trainings für Führungskräfte (48 Prozent) und Mitarbeitende (45 Prozent). Das Ziel von Führungskräften sollte es sein, den Mitarbeitern alles zu ermöglichen, um für ein gemeinsames Ziel höchsten Einsatz bringen zu können. Dafür bedarf es die Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse zu kennen. Echte Kommunikation ist dabei das verbindende Element.