Politik

Gaza-Krieg: Scholz findet Vorwürfe gegen Israel „absurd“

Im Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza befinden sich bis zu 120 Opfer israelischer Luftangriffe. Israel zufolge wird von der Klinik aus Krieg gegen Israel geführt.
14.11.2023 15:03
Aktualisiert: 14.11.2023 15:03
Lesezeit: 3 min
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Angesichts der anhaltenden Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und der Hamas wird die Lage im Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt wird nach Berichten von Augenzeugen immer dramatischer. Man bereite mittlerweile die Bestattung von Leichen auf dem von Israel belagerten Krankenhausgelände selbst vor, berichteten zwei Beteiligte am Dienstag in Telefonaten mit der Nachrichtenagentur Reuters. Die Situation sei untragbar. Es seien inzwischen bis zu 120 Leichen auf dem Gelände, der hygienische Zustand sei miserabel. Das israelische Militär präsentierte unterdessen ein Video, das ein Hamas-Versteck unter einem Kinderkrankenhaus in Gaza-Stadt zeigen soll. Es seien auch Spuren der Geiseln gefunden worden, die beim Überfall der militant-islamistischen Palästinenser-Organisation auf Israel am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt worden sind.

Nach israelischen Erkenntnissen liegt auch unter dem Al-Schifa-Krankenhaus in einem Tunnelsystem eine Kommandozentrale der Hamas. Deshalb wird die Klinik von den Streitkräften belagert und musste ihren Betrieb mangels Strom und Wasser nahezu einstellen. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte mit Chirurg Ahmed Al Mochallalati und dem Sprecher der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, Aschraf Al-Kidra, separat sprechen. Kidra sprach von 100, Mochallalati von etwa 120 Toten.

"Wir planen, sie heute in einem Massengrab innerhalb des Al-Schifa-Geländes zu begraben", sagte Kidra. "Es wird sehr gefährlich werden, da wir keinen Schutz bekommen." Er betonte: "Wir haben keine andere Option, die Leichen der Märtyrer haben begonnen zu verwesen." Mochallalati erzählte, es stinke unerträglich, das Risiko von Infektionen sei hoch. Das israelische Militär habe bislang noch nicht die Erlaubnis erteilt, die Leichen auf dem Gelände zu begraben. Die Insassen würden dies nun auf eigene Verantwortung tun.

Laut Kidra sind in der Klinik in den vergangenen Tagen auch drei Neugeborene gestorben. Im Gespräch mit Reuters bot er an, Babys aus dem Krankenhaus in eine andere Klinik zu evakuieren. Demnach sind derzeit 36 Neugeborene dort. Das israelische Militär hatte am Morgen erklärt, es werde versucht, Brutkästen zu liefern. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza halten sich im Al-Schifa-Krankenhaus mindestens 650 Patienten auf.

HAMAS WILL FÜR WAFFENRUHE BIS ZU 70 GEISELN FREILASSEN

Bei dem Vergeltungsfeldzug Israels für das Hamas-Massaker vom 07. Oktober sind nach palästinensischen Angaben bislang mehr als 11.000 Menschen im Gazastreifen getötet worden, darunter etwa 40 Prozent Kinder. In dem Küstenstreifen leben etwa 2,3 Millionen Menschen. Bei dem Angriff von Hamas-Kämpfern waren israelischen Angaben zufolge im Oktober bis zu 1400 Menschen getötet worden, die meisten davon Zivilisten, und etwa 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden.

Armeesprecher Daniel Hagari veröffentlichte am Montagabend Videos und Fotos, die zeigen sollen, dass die radikal-islamische Hamas im Keller des Rantisi-Kinderkrankenhauses in Gaza-Stadt Waffen gelagert und dort offenbar auch Geiseln festgehalten hat. Die Hamas wies dies zurück und bezeichnete die Aufnahmen als gefälscht. Zugleich bot die Organisation aber an, bis zu 70 als Geiseln gehaltene Frauen und Kinder freizulassen, wenn Israel im Gegenzug einer fünftägigen Waffenruhe zustimmt.

Hagari erklärte, die Truppen hätten im Keller der Klinik eine Kommandozentrale mit einem Waffenarsenal gefunden, in dem Granaten und andere Sprengstoffe von Hamas-Kämpfern gelagert worden seien. "Und wir haben auch Anzeichen gefunden, die darauf hindeuten, dass die Hamas hier Geiseln hält. Dies wird derzeit von uns untersucht. Aber wir haben auch Informationen, die dies bestätigen," ergänzte Hagari. Er zeigte im Fernsehen Aufnahmen von rudimentären Wohnräumen, darunter eine kleine Küche, sowie einen nahe gelegenen Tunnelschacht, der nach seinen Angaben zum Haus eines hochrangigen Hamas-Marinekommandeurs führte. "Die Hamas hat dieses gesamte Gebiet unter ihre Kontrolle gebracht und führt von diesem Krankenhaus aus ihren Krieg gegen die Israelis."

"WENIGER EINSCHNEIDENDE MASSNAHMEN"

US-Präsident Joe Biden rief zum Schutz der Krankenhäuser im Gazastreifen auf. "Meine Hoffnung und Erwartung ist, dass es weniger einschneidende Maßnahmen in Bezug auf die Krankenhäuser geben wird und dass wir mit den Israelis in Kontakt bleiben", sagte Biden am Montag vor Journalisten im Weißen Haus. Es gebe auch Bemühungen, einen Waffenstillstand zu erreichen, um die Freilassung von Gefangenen zu ermöglichen. "Darüber wird mit den Kataris verhandelt, die sich engagieren. Ich bleibe also ein wenig hoffnungsvoll, aber die Krankenhäuser müssen geschützt werden". Großbritannien forderte längere humanitäre Kampfpausen für größere Gebiete im Gazastreifen, um Hilfslieferungen für die palästinensische Bevölkerung zu ermöglichen. "Wir beraten mit den Vereinten Nationen und anderen Partnern, wie wir dies am besten erreichen können", sagte Entwicklungshilfeminister Andrew Mitchell.

Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte, Israel habe nicht nur das Recht, sondern sogar "die Pflicht", sich gegen die Hamas zu verteidigen. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Hamas sich erhole und Waffen sammele, um Israel wieder anzugreifen, sagte er mit Blick auf Forderungen nach einer längeren Waffenruhe. "Die Vorwürfe, die gegen Israel erhoben werden, sind absurd", sagte Scholz. Die Hamas sei eine Terrororganisation und Israel eine Demokratie. (Reuters)

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