Politik

Gaza-Krieg: Palästinenser sollen „freiwillig emigrieren“

Der israelische Finanzminister hat die Palästinenser im Gazastreifen dazu aufgerufen, „freiwillig“ aus ihrer Heimat zu emigrieren. Die sei die „humanitäre Lösung“.
14.11.2023 15:30
Aktualisiert: 14.11.2023 15:30
Lesezeit: 2 min

Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich ruft die Palästinenser im Gazastreifen zur freiwilligen Emigration auf. Der Küstenstreifen könne nicht unabhängig überleben, erklärte der rechtsextreme Politiker am Dienstag. Daher sei es besser, die Palästinenser würden von dort in andere Länder ziehen. Arabische Staaten haben mehrfach eine Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen als inakzeptabel bezeichnet.

Smotrich, der an der Spitze einer der beiden religiös-nationalistischen Parteien in der rechts-konservativen Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu steht, unterstützt mit seinen Äußerungen die Forderung zweier israelischer Abgeordneter. Diese hatten in einem Beitrag für die Zeitung "Wall Street Journal" geschrieben, andere Länder sollten Familien aus dem Gazastreifen aufnehmen, die auswandern wollten. Dies schürt die Sorge in der arabischen Welt, dass Israel die Palästinenser aus dem Gazastreifen vertreiben wolle, in dem sie zusammen mit dem Westjordanland ihren eigenen Palästinenser-Staat gründen wollen. Damit würde sich auch die Massenvertreibung der Palästinenser im Zuge der Gründung Israels im Jahr 1948 wiederholen. Die Nakba - Deutsch Katastrophe oder Unglück - vor 75 Jahren hat sich tief eingegraben ins Bewusstsein der arabischen Welt. Damals wurden rund 700.000 Palästinenser aus ihrer angestammten Heimat im früheren britischen Mandatsgebiet Palästina vertrieben. Viele von ihnen kamen in Flüchtlingslagern anderer arabischer Staaten unter, zum Beispiel in Jordanien.

"FREIWILLIGE AUSWANDERUNG IST RICHTIGE HUMANITÄRE LÖSUNG"

"Ich begrüße die Initiative der freiwilligen Auswanderung von Gaza-Arabern in Länder auf der ganzen Welt", erklärte Smotrich. "Das ist die richtige humanitäre Lösung für die Bewohner des Gazastreifens und der gesamten Region nach 75 Jahren Flucht, Armut und Gefahr." Der Finanzminister erklärte, ein so kleines Gebiet wie der Gazastreifen könne allein nicht überleben. In dem 40 Kilometer langen und maximal 14 Kilometer breiten Küstengebiet am Mittelmeer leben rund 2,3 Millionen Menschen. Es ist eine der am dichtesten besiedelten Regionen weltweit. "Der Staat Israel wird die Existenz einer unabhängigen Einheit im Gazastreifen nicht länger akzeptieren können", sagte Smotrich.

Allerdings besteht Unklarheit über die längerfristigen Absichten Israels in Bezug auf den Gazastreifen, aus dem es 2005 nach 38 Jahren der Besatzung abgezogen hatte. Netanjahu hat erklärt, er beabsichtige nach einem Ende des Kriegs gegen die Hamas keine dauerhafte Präsenz des Militärs im Gazastreifen. Zugleich sagte er, Israel werde die Kontrolle der Sicherheit dort auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten. Die gegenwärtige Regierung in Israel steht so weit rechts und ist so anti-liberal wie keine zuvor. Neben Netanjahus Likud gehören ihr mehrere ultraorthodoxe und rechtsextreme Parteien an. Eine Zwei-Staaten-Lösung wird von ihr abgelehnt.

Nach dem überraschenden Angriff der radikal-islamischen Hamas, die seit der Wahl 2006 das Sagen im Gazastreifen hat, am 7. Oktober hat Israel das Palästinenser-Gebiet komplett abgeriegelt. Seither halten die Vergeltungsangriffe des israelischen Militärs an, das sich insbesondere in Gaza-Stadt mit Bodentruppen heftige Gefechte mit Hamas-Kämpfern liefert. Im Zuge seiner Angriffe hat das israelische Militär die Menschen im Norden des Gazastreifens aufgefordert, in den Süden auszuweichen. Dort sei es für sie sicherer, hieß es zur Begründung. Israel hat sich nach dem Hamas-Überfall die Zerschlagung der militanten Islamisten-Gruppe zum Ziel gesetzt. Sobald sich die Lage stabilisiert habe, könnten die Palästinenser in den Norden zurückkehren, hieß es von israelischer Seite.

Allerdings sind bereits jetzt große Teile des Gebietes weitgehend zerstört. Nach palästinensischen Angaben wurden in dem Krieg mehr als 11.000 Palästinenser getötet. Bei dem Hamas-Angriff Anfang Oktober wurden nach israelischen Angaben rund 1200 Menschen getötet - Israel hatte zunächst von 1400 gesprochen - und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie KI als Jobkiller: Weltweit große Unterschiede bei der Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz
27.11.2025

In Deutschland lehnen 42 Prozent der Menschen die wachsende Verwendung von KI ab. In China ist die Zustimmung deutlich höher. Was die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Milliarden für dänischen Wasserstoffmarkt: Wird die Pipeline bald Realität?
27.11.2025

Europa muss seine Energieversorgung neu ordnen und verlässliche Partner finden, um die Industrie zukunftsfähig zu halten. Kann eine...

DWN
Panorama
Panorama Eilmeldung Washington DC: Schüsse nahe dem Weißen Haus - Zwei Nationalgardisten angeschossen
26.11.2025

In der Nähe des Weißen Hauses in Washington sind zwei Nationalgardisten von einem Schützen angeschossen worden. Sie befinden sich in...

DWN
Politik
Politik Deutsche Bank gegen Verband der Familienunternehmer: Mietvertrag gekündigt auf Grund der Einladung eines AfD-Politikers
26.11.2025

Der Verband „Die Familienunternehmer“ lädt einen AfD-Politiker ein – entgegen der politisch gewollten Brandmauer der etablierten...

DWN
Politik
Politik Bündnis Sahra Wagenknecht: AfD unterstützt Neuauszählung der Bundestagswahl
26.11.2025

An gerade mal 9.500 fehlenden Stimmen scheiterte im Februar der Einzug des BSW in den Deutschen Bundestag. Seitdem fordert die Partei eine...

DWN
Politik
Politik Grüngasquote für Energiewende: Mehr Umweltschutz und mehr Kosten für Industrie und Verbraucher
26.11.2025

Die schwarz-rote Regierung plant eine Quote, um die schleppende Wasserstoffwirtschaft und Energiewende in Deutschland weiter...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz bei GOVECS – das Ende der elektrischen Schwalbe
26.11.2025

Das Münchner Unternehmen Govecs stellt unter dem Namen der in der DDR populären Moped-Marke seit einigen Jahren Elektroroller her. Nun...

DWN
Politik
Politik Chatkontrolle: EU-Staaten setzen auf freiwillige Maßnahmen statt Pflichtkontrollen
26.11.2025

Die EU ringt seit Jahren darum, wie digitale Kommunikation geschützt und zugleich besser überwacht werden kann. Doch wie weit sollen...