Unternehmen

Ministerin Baerbock bremst Fachkräfte-Einwanderung aus

Jahr für Jahr fehlen der deutschen Wirtschaft 400.000 Fachkräfte, errechnete in einer jüngsten Analyse die Deutsche Industrie und Handelskammer (DIHK). Doch trotz aller vollmundigen Ankündigungen läuft die Anwerbung von Fachkräften im Ausland nur schleppend an. Der entscheidende Bremsklotz ist ausgerechnet das Auswärtige Amt unter Ministerin Annalena Baerbock.
Autor
23.11.2023 11:35
Aktualisiert: 23.11.2023 11:35
Lesezeit: 3 min

Kurz vor dem Abflug zu einem Besuch im fernen Brasilien hatten im Sommer Außenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht: Um den Fachkräftemangel in Deutschland tatkräftig anzugehen, wolle die Bundesregierung die Einwanderung ausländischer Fachkräfte nach Deutschland erleichtern – dies habe sie „zu einer ihrer Prioritäten gemacht“. Zu diesem Zwecke wolle die Regierung „das modernste Einwanderungsrecht Europas“ schaffen. Darüber hinaus versprach Baerbock, dass im Auswärtigen Amt die Verfahren zur Visa-Vergabe beschleunigt und die Arbeitsabläufe flexibilisiert würden.

Bremsklotz Auswärtiges Amt

Doch trotz aller vollmundigen Ankündigungen - bei der Umsetzung hapert es noch gewaltig. Die Wirtschaft schlägt Alarm: Ausgerechnet Bearbocks Auswärtiges Amt erweist sich ob seiner Reformresistenz als Bremsklotz. Der Präsident des DIHK, Peter Adrian, spricht von einem „Flaschenhals“ und meint damit die Konsulate und Botschaften des Außenministeriums. Solange die Antragsverfahren nicht insgesamt schlanker und digitaler werden, werde das Problem nicht gelöst werden können. Die bisherige Praxis zeige, dass es regelmäßig mehrere Monate dauere, bis ein Antragssteller überhaupt einen Termin bei einer deutschen Auslands-Vertretung bekomme, um seine Unterlagen einreichen zu können. Darüber hinaus unterscheiden sich – je nach Standort – auch noch die Anforderungen nach Art und Umfang der einzureichenden Unterlagen. Von digitaler Antragsbearbeitung keine Spur. Im Auswärtigen Amt wird gerne noch mit Papier geraschelt. Dem DIHK liegen inzwischen Klagen von deutschen Mittelständlern vor, dass Antragssteller nicht selten sechs Monate auf einen Termin in einer deutschen Auslandsvertretung warten müssen, manchmal sogar bis zu einem ganzen Jahr. Berichte häufen sich, dass in manchen Auslandsvertretungen sich Wäschekörbe unbearbeiteter Visaanträge stapeln würden.

Um den Mehltau, der sich über das Auswärtigen Amt gelegt hat, ein wenig abzutragen, hat die DIHK mit dem Auswärtigen Amt eine Vereinbarung getroffen, dass die weltweit in 92 Ländern vertretenen Auslandshandelskammern (AKH) die Prozesse dadurch beschleunigen, dass sie die Antragssteller bei der Zusammenstellung der Unterlagen beraten und auch gleich eine Vorprüfung der Unterlagen vornehmen. Doch bei der Umsetzung dieser Vereinbarung stoßen die Auslandskammern auf Probleme bei der Zusammenarbeit mit den Diplomaten. So klagen die Kammern, dass es zu lange dauere, bis mit den Konsulaten und Botschaften ein Termin zur Annahme der Unterlagen vereinbart werde.

Forderung der Wirtschaft

Es sei dringend erforderlich, so die DIHK in einer Analyse, dass die Kammern einen beschleunigten Zugang bei den diplomatischen Auslandsvertretungen erhielten. Zudem sei es offenkundig, dass die Unternehmen, die im Ausland Fachkräfte anwerben wollen, einen erheblichen Unterstützungsbedarf hätten – und zwar „über den gesamten Rekrutierungsprozess hinweg“. Dies gelte für Anwerbung als auch für den Einwanderungsprozess selbst und schließlich auch für die Integration.

Auch der Bundesverband für Mittelständische Wirtschaft (BVMW) sieht das Problem ähnlich. Ihr Leiter für Außenwirtschaft, Reinhold von Ungern-Sternberg, erklärte gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN), dass es in Deutschland nicht an guten Gesetzen zur Einwanderung fehle, stattdessen hätte Deutschland ein Umsetzungsproblem. So seien die Auslandsvertretungen teilweise überlastet. Um diesem Problem zu begegnen, sei man in einigen Ländern dazu übergegangen, Dienstleister zu beschäftigen, die die Anträge bearbeiten. Doch sei, so der BVMW-Außenwirtschaftsexperte, die Qualität der Dienstleister nicht immer gut, was dazu führe, dass auch professionell gestellte Anträge „sich monatelang hinziehen“. Wiederum andere Wirtschaftsvertreter berichten, dass die Motivation der Mitarbeiter in den Konsulats- und Rechtsabteilungen sehr zu wünschen lasse.

Ein Koch aus Paderborn

Dass das Auswärtige Amt seine Rolle bei der Personalgewinnung für die deutsche Wirtschaft noch nicht so recht gefunden hat, zeigt ein anderes Beispiel aus Paderborn. Dort hatte ein aus Vietnam stammender Gastwirt in seinem alten Heimatland einen Koch angeworben. Doch das deutsche Konsulat in Ho-Chi-Minh-Stadt verweigerte dem Koch das Visa mit der bizarren Begründung, dass das Restaurant in Paderborn kein lupenreines vietnamesisches Restaurant sei, dies hätten die Angestellten des Konsulats durch Vergleiche von Speisekarten herausgefunden. Rechtsanwalt Rudolf Zacharias, der den Gastwirt vertreten hat, erklärte gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Man greift sich an den Kopf. In Deutschland suchen wir händeringend Personal und das Konsulat in Vietnam legte uns Steine in den Weg.“ Inzwischen hat der Gastwirt aus Paderborn seinen Koch aus Vietnam bekommen. Nachdem sich auch das Arbeitsamt in Paderborn eingeschaltet hatte, drehte das Auswärtige Amt schnell bei und gab dem Koch das Visum.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Bundestag beschließt Anreize für Firmeninvestitionen
26.06.2025

Investitionen gelten als Schlüssel zur wirtschaftlichen Erholung. Mit neuen Abschreibungsregeln und geplanten Steuersenkungen will die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Angriffe auf Iran: Droht ein neues Gasloch wie bei Russland?
26.06.2025

US-Luftangriffe auf den Iran setzen neue Dynamik im globalen Energiemarkt frei. Droht Europa nach dem russischen Gas-Schock der nächste...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Der Vertrauensbruch
26.06.2025

Die Ampel hatte versprochen, alle Bürger bei der Stromsteuer zu entlasten. Jetzt will Kanzler Merz nur die Industrie begünstigen – und...

DWN
Technologie
Technologie Digitalgesetz DMA: Start-ups warnen vor EU-Zugeständnissen an USA
26.06.2025

Hohe Zölle, harsche Kritik aus Washington, wachsende Nervosität bei jungen Tech-Firmen: Im transatlantischen Zollkonflikt droht Brüssel,...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse: Bundestag plant Verlängerung bis Ende 2029
26.06.2025

Die Mietpreisbremse soll weitere vier Jahre gelten – doch sie ist umstritten wie eh und je. Während der Eigentümerverband sie für...

DWN
Politik
Politik Autoverbot: Berlin bald autofrei? Erfolg für Volksbegehren
26.06.2025

Die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ kann ihr Gesetzesvorhaben für ein weitgehendes Autoverbot in der Hauptstadt weiter...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strompreise: Deutschland hat die fünfthöchsten der Welt
26.06.2025

Strom in Deutschland ist immer noch sehr teuer. Mit durchschnittlich 38 Cent pro Kilowattstunde rangieren die deutschen Strompreise...

DWN
Finanzen
Finanzen Depotübertrag: Wie Sie Ihr Wertpapierdepot wechseln - und dabei bares Geld sparen
25.06.2025

Ein Depotübertrag kann für Sie als Anleger zahlreiche Vorteile bieten, von geringeren Gebühren bis hin zu attraktiven Prämien für...