Finanzen

Lastenausgleich 2024: Was heißt das und werden wir nun enteignet?

Lesezeit: 6 min
22.06.2024 12:58
Steht Deutschland vor einem finanziellen Umbruch? Die aktuellen politischen Bewegungen und juristischen Überlegungen könnten auf potenziell einschneidende Veränderungen hindeuten. Ein Blick auf die Hintergründe und einen möglichen Lastenausgleich 2024 offenbart brisante Fragen zur Zukunft des Vermögens der Bürger. Müssen wir uns nun Sorgen um unser Erspartes machen?
Lastenausgleich 2024: Was heißt das und werden wir nun enteignet?
Kommt 2024 ein neuer Lastenausgleich? (Foto: iStock/photoschmidt)
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Angesichts der immer weiter wachsenden Schulden des deutschen Staates und sinkenden Steuereinnahmen drängt sich eine wichtige Frage auf: Steht Deutschland möglicherweise vor einem neuen Lastenausgleich? Eine solche Entwicklung könnte für Besitzer von Vermögen erhebliche finanzielle Konsequenzen haben.

Was genau ist ein Lastenausgleich? Es ist ein Mechanismus, um Belastungen, Kosten oder Verluste bei den Staatsfinanzen auszugleichen, indem das Vermögen der Bürger angezapft wird. Im Grunde genommen ist es eine Art Enteignung, bei der die Bürger eine bestimmte Summe zahlen müssen.

Dies ruft Erinnerungen an die Vergangenheit wach: Denn bereits in der Nachkriegszeit mussten die Deutschen Vermögensabgaben leisten, um Lasten auszugleichen. Im Jahr 1952 wurde im Nachgang des zweiten Weltkriegs und der Währungsreform von 1948 das „Lastenausgleichsgesetz“ eingeführt, um den Opfern von Kriegsfolgen zu helfen. Insbesondere Hausbesitzer wurden bei der einmaligen Vermögensabgabe stark zur Kasse gebeten. Zwar erhielten sie einen Freibetrag, aber alles darüberhinausgehende Vermögen wurde mit einer Sondersteuer von 50 Prozent belegt. Viele Hausbesitzer konnten ihre neuen Schulden aus der Zwangshypothek nicht tilgen. Wer die Tilgungsraten nicht zahlen konnte, verlor sein Eigentum. Für Eigentümer eine harte Belastung, die einer Enteignung gleichkam.

Könnte sich eine solche Situation wiederholen? Die Sorge vor Vermögensabgaben und einem erneuten Lastenausgleich geht um. Die Frage ist, ob es bereits rechtliche Grundlagen gibt, die eine solche Vermögensumverteilung ermöglichen. Und falls ja, welche Folgen hätte das für die Menschen in Deutschland?

Staatsschulden steigen ins Unermessliche

Gemäß Angaben des Statistischen Bundesamtes erreichte die Staatsverschuldung Ende des Jahres 2023 die erschreckende Summe von rund 2,445 Billionen Euro. Eine gigantische Zahl, die nur schwer zu begreifen ist – und sie bedeutet, dass jeder Deutsche im Durchschnitt mit einer Verschuldung von 28.949 Euro belastet ist. Dies entspricht einem Anstieg von über 3,3 Prozent oder 77,7 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr 2023.

Nach dem aktuell noch heiß diskutierten Entwurf für den Haushalt 2025 wird sich die Neuverschuldung nächstes Jahr um voraussichtlich weitere 51,3 Milliarden Euro erhöhen.

Warum wird eine hohe Staatsverschuldung mit der Bedrohung eines neuen Lastenausgleichsgesetzes assoziiert? Kurz gesagt: Privatvermögen ist das makroökonomische Gegenstück der Staatsschulden. Umso mehr die deutsche Staatsverschuldung steigt, umso größer wird das Risiko von direkten staatlichen Zugriffen auf das Vermögen der Bürger zum Schuldenabbau.

Auf den Spuren des Lastenausgleichs

Die Idee eines Lastenausgleichs ist keineswegs neu. Kurz nach dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 wurden Vorschläge diskutiert, um den finanziellen Auswirkungen der Lockdown-Maßnahmen entgegenzuwirken. Damals veröffentlichte der Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages eine kurze Studie mit dem Titel „Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie“.

Einige prominente Stimmen, darunter auch die des ehemaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD), sprachen sich für eine solche Maßnahme aus. Gabriel argumentierte, dass die Wirtschaft vor einer dramatischen Entwicklung stehe. „Unsere Eltern und Großeltern haben schon mal eine Lösung finden müssen – die nannten wir ‚Lastenaustausch‘. Darüber muss man dann öffentlich reden.“ Diese Äußerung machte er im April 2020, als die genauen Auswirkungen der Pandemie und ihre Kosten noch ungewiss waren.

Seitdem bleibt das Thema Lastenausgleich und dessen potenzielle Auswirkungen in der Diskussion präsent. Auch die Parteivorsitzende der SPD, Saskia Esken, äußerte ihre Unterstützung für eine einmalige Vermögensabgabe als Mittel zur Sanierung der Staatsfinanzen nach der Krise. Diese Idee fand bei der Linkspartei und den Grünen Anklang. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, betonte die Notwendigkeit eines fairen Lastenausgleichs, um die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter zu finanzieren.

Besonders bemerkenswert ist der Vorschlag der SPD aus Februar dieses Jahres. Im Zukunftsprogramm 2023-2027 der Bremer Landesregierung wird erläutert, dass die Corona-Krise und der Krieg in der Ukraine dringenden Handlungsbedarf schaffen. Viele Menschen leiden unter Einkommensverlusten und zusätzlichen Belastungen, während andere von der Krise profitiert haben. Daher sieht die SPD die Notwendigkeit eines Lastenausgleichs, „ähnlich dem, wie er nach den großen Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs in den frühen Jahren der Bundesrepublik vorgenommen wurde“. Kritiker mögen zwar einwenden, dass dies nur die Meinung der Bremer Landesregierung darstellt. Aber die SPD ist Teil der Bundesregierung und stellt den Bundeskanzler – daher sollte man diese Forderung durchaus ernst nehmen.

Neue Erkenntnisse rechtfertigen Eingriff ins Vermögen

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) antworte im August 2023 in einem Bürgerdialog, dass die Befürchtungen eines Lastenausgleichs im Jahr 2024 unbegründet seien, und betitelte sie als „Fake-News“ seitens der AfD. Die AfD hatte wiederholt vor einem Lastenausgleich gewarnt. Auf eine Anfrage der Partei aus 2022 erläuterte die Bundesregierung, dass laut dem Koalitionsvertrag weder ein Lastenausgleich noch eine Vermögensabgabe oder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer geplant seien. Solche Fragen seien reine Annahmen und die Regierung nehme grundsätzlich nicht zu hypothetischen Fragen Stellung.

Überraschenderweise beauftragte die Bundesregierung jedoch kurz darauf den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, die rechtliche Zulässigkeit eines Vermögensausgleichs zu überprüfen. Diese unerwartete Initiative wirft Fragen auf: Warum wird ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, wenn offiziell betont wird, dass eine Vermögensabgabe nicht geplant ist? Gibt es hier eine Diskrepanz zwischen den offiziellen Aussagen und den tatsächlich unternommenen Schritten?

Beunruhigend ist, dass das Ergebnis der Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes aus September 2022 eine weitreichende Interpretation offenbart. Es wird darauf hingewiesen, dass nicht nur Kriege oder außergewöhnliche Ereignisse einen Vermögensausgleich rechtfertigen könnten. Die Untersuchung zeigt, dass letztlich der Gesetzgeber über die Gründe und die Legitimation einer Vermögensabgabe entscheidet. Laut des Artikels 106 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes (GG) seien einmalige Vermögensabgaben möglich und der Wissenschaftliche Dienst sieht keinen Grund für eine enge Auslegung dieser Bestimmung. Er selbst kommt zu dem Schluss, dass auch die Auswirkungen der Klimakrise oder des Konflikts in der Ukraine einen Grund für eine solche Abgabe darstellen könnten – gleichwohl er auch auf gegenteilige Meinungen verweist.

Diese Erkenntnisse offenbaren eine mögliche Flexibilität des Gesetzgebers hinsichtlich eines Eingriffs in die Vermögenssubstanz der Bürger. Die Tatsache, dass das Ergebnis des Gutachtens mit den Forderungen im Wahlprogramm der Bremer Landesregierung übereinstimmen, könnte für Vermögensbesitzer zumindest ein Warnsignal darstellen.

Hans-Böckler-Stiftung hält eine Vermögenssteuer für zulässig

Im Kontext der Expertise weiterer Rechtsexperten erhält die Debatte zur Frage zusätzliches Gewicht. Im Februar 2023 veröffentlichte die Hans-Böckler-Stiftung, vertreten durch den Juristen Alexander Thiele, ein Gutachten. Dieses verdeutlicht klar, dass das Grundgesetz im Grunde keine Hindernisse für die Einführung einer Vermögenssteuer aufweist und diese sogar als legitime Form der Besteuerung benennt.

Thieles Analyse betont, dass die Vermögenssteuer, wie andere Steuerarten auch, bestimmte Grenzen hat, die aber nicht so streng sind, wie manche denken. Wichtig ist der Grundsatz der Lastengleichheit, der besagt, dass Steuern entsprechend der finanziellen Möglichkeiten einer Person erhoben werden sollten. Besonders interessant ist, dass eine Vermögenssteuer, die auf erwarteten statt tatsächlichen Erträgen basiert, im Einklang mit dem Eigentumsrecht des Grundgesetzes stehen würde.

Das Gutachten macht deutlich, dass die genaue Form einer Vermögenssteuer von der gesellschaftlichen Situation abhängt, aber grundsätzlich nicht verfassungswidrig ist. Ein Argument für die Steuer könnte das zunehmende soziale Ungleichgewicht sein, da eine Demokratie für soziale Ausgewogenheit sorgen sollte. Diese deutliche Position der Hans-Böckler-Stiftung bringt eine zusätzliche rechtliche Sichtweise in die Debatte ein.

Die Neuausrichtung des Lastenausgleichsgesetzes

Und dann wäre da noch die Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) von 1952, die ab dem 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Wenn die Regierung beschließt, eine Vermögensabgabe einzuführen, muss sie auch klar definieren, wofür das Geld verwendet wird. Das Grundgesetz erlaubt zwar eine solche Abgabe zum „Wohle der Allgemeinheit“ (siehe Artikel 14, 3), legt aber nicht fest, wofür das Geld genutzt werden soll. Dazu bedarf es eines Gesetzes, das „Art und Ausmaß der Entschädigung“ regelt.

Das Lastenausgleichsgesetz könnte so ein Spezialgesetz sein. In 2019 gab es eine kleine, aber möglicherweise bedeutende Änderung in diesem Gesetz: Eine Anpassung, die auf den ersten Blick nur schwer als solche zu erkennen ist. Sie erfolgte nämlich in Artikel 21 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (SozERG), auf den das Lastenausgleichsgesetz sprachlich verweist. Das Wort „Kriegsopferfürsorge“ wurde durch „Soziale Entschädigung“ ersetzt. Die Änderung trat ab dem 01.01.2024 in Kraft.

Doch warum diese Änderung? Können die Kosten der Corona-Pandemie oder auch der Klimapolitik unter dem Stichwort „Kriegsopferfürsorge“ als Lastenausgleich im Lastenausgleichsgesetz geltend gemacht werden? Die Antwort ist nein. Diese Änderung der Begrifflichkeit zu „Soziale Entschädigung“ könnte insofern darauf hindeuten, dass die Regierung plant, mit einem Lastenausgleich auf neue Herausforderungen zu reagieren. Denn dafür bestünde nun möglicherweise eine völlig neue Grundlage.

Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP äußerte Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Direktor des Walter-Eucken-Instituts und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, dass nächstes Jahr keine Vermögensabgabe oder Ähnliches eingeführt wird. Die Änderungen im Gesetz seien lediglich technische Anpassungen und das Lastenausgleichsgesetz beziehe sich nur auf Schäden aus den Weltkriegen. Die Annahme, dass es rechtliche Grundlagen für Eingriffe in das Vermögen der Bürger gibt, wurde verneint.

Andere Auslegungen vertreten eine gegenteilige Meinung. Sie sehen den Anwendungsbereich des Gesetzes durch die Änderung von „Kriegsopferfürsorge“ zu „Soziale Entschädigung“ erweitert und das LAG nicht explizit auf Schäden der Weltkriege beschränkt. Folgt man dieser Interpretation, könnte das Gesetz in Zukunft auch für die Finanzierung anderer sozialer Zwecke in Frage kommen.

Die Zukunft wird zeigen, ob es zu Vermögenseingriffen kommt

Fest steht, dass die Debatte um Vermögensabgaben und einen möglichen Lastenausgleich von Unsicherheit geprägt ist. Die geltenden Gesetze sind vielschichtig und lassen Raum für unterschiedliche Auslegungen. Solange die Gerichte keine klaren Urteile fällen, bleiben die Meinungen der Rechtsexperten geteilt.

Nur in einem Punkt gibt es Einigkeit: Ein Eingriff in die Vermögenssubstanz der Bürger ließe sich nur rechtfertigen, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen und sie dem Allgemeinwohl dient. Das Bundesverfassungsgericht hat solche Maßnahmen in einer Stellungnahme auf extreme Notfälle beschränkt, ohne genau zu definieren, was das bedeutet.

Bislang sieht das Bundesfinanzministerium keinen außergewöhnlichen Anlass, Instrumente zum Vermögensausgleich einzuführen. Wir können nur hoffen, dass sich daran nichts ändert. Letztlich bleibt die Entscheidung über einen Lastenausgleich eine politische. Sie könnte in Erwägung gezogen werden, wenn andere Finanzierungsmöglichkeiten des Staates ausgeschöpft sind.

Verbraucher sollten wachsam bleiben, insbesondere im Hinblick auf Äußerungen aus sozialdemokratischen Kreisen, die aktuelle Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes und die bevorstehenden Gesetzesänderungen ab 2024. Es ist entscheidend, die Entwicklungen zu verfolgen, um mögliche finanzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechend darauf reagieren zu können.


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