Politik

EU-Finanzminister wollen Reform der Schuldenregeln beschließen

Am Freitag wollen sich die EU-Finanzminister auf eine Reform der Schuldenregeln verständigen. Der jüngste Vorschlag aus Spanien stellt dazu einen möglichen Kompromiss dar.
07.12.2023 12:43
Aktualisiert: 07.12.2023 12:43
Lesezeit: 2 min
EU-Finanzminister wollen Reform der Schuldenregeln beschließen
Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und Bundesfinanzminister Christian Lindner im Oktober. Ihre Annäherung soll nun einen Kompromiss der EU-Schuldenregeln ermöglichen. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Am Freitag könnte es soweit sein. Die EU-Finanzminister sollen sich nach schwierigen Verhandlungen in den vergangenen Monaten auf ein Grundgerüst zur Reform der europäischen Schuldenregeln verständigen. Die Bundesregierung hält eine Einigung für möglich, nachdem es zuletzt Annäherungen zwischen Deutschland und Frankreich gegeben habe. Auf dem Tisch liegen Vorschläge der spanischen EU-Ratspräsidentschaft, die Kompromisse auslotet. So sieht die aktuelle Diskussionsgrundlage aus:

WIE ZU HOHE SCHULDEN REDUZIERT WERDEN SOLLEN

Im Fokus sind die jährlichen Nettoprimärausgaben - eine Kennziffer, die jede Regierung direkt beeinflussen kann. EU-Kommission und betroffene Länder sollen künftig in individuellen Verhandlungen einen Abbaupfad für die Ausgaben über vier Jahre festlegen. Ziel ist dabei, die Obergrenzen der EU wieder einzuhalten: eine maximale Neuverschuldung von drei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung und eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent. Damit würde man sich nur noch auf eine Steuerungsgröße konzentrieren statt mehrere, die bislang zumindest teilweise schwer zu steuern sind für Regierungen.

KANN ES AUCH LÄNGERE ZEITRÄUME GEBEN?

Ja, wenn bestimmte Reformen oder Investitionen erfolgen. Dann können statt vier auch sieben Jahre gewährt werden, um die Verschuldung über Vorgaben bei den Ausgaben nach unten zu bekommen. Einer der Knackpunkte in den Verhandlungen ist derzeit, ob Reformen und Investitionen in grüne und digitale Projekte aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU dabei schon ausreichend sind für die längere Phase. Die Europäische Union hatte einen großen Sonderfonds aufgelegt, um nach der Pandemie Investitionen anzuschieben.

ZWEI-KLASSEN-GESELLSCHAFT

Die spanische EU-Ratspräsidentschaft unterscheidet zwischen etwas zu hoch verschuldeten Ländern und sehr hoch verschuldeten Ländern. Letztere Gruppe - also etwa Italien, Griechenland oder Frankreich - sollen beim Abbau schneller vorangehen. Oberhalb von 90 Prozent Gesamtverschuldung sollen Staaten die Werte jedes Jahr um mindestens ein Prozentpunkt verbessern. Bei Werten zwischen 60 und 90 Prozent sollen es 0,5 Prozent pro Jahr sein. Im Vergleich zur bisherigen Regel ist das weniger ambitioniert, aber auch realistischer. Die sogenannte Zwanzigstel-Regel sieht bisher vor, dass Länder mit einer Schuldenquote von über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung jedes Jahr ein Zwanzigstel der Differenz zwischen 60 Prozent und der tatsächlichen Quote abbauen müssen. Das überfordert vor allem hoch verschuldete EU-Mitglieder.

SICHERHEITSPUFFER BEIM DEFIZIT

Die Obergrenze beim jährlichen Defizit soll bei drei Prozent bleiben. Länder sollen aber nicht immer in der Nähe der Obergrenze sein und dann bei überraschenden Schocks keinen Spielraum mehr haben. Dafür soll ein zusätzliches Sicherheitsnetz gespannt werden. Dieses soll helfen, auch in schwierigen Situationen die drei Prozent einzuhalten. Die genaue Höhe ist noch umstritten, laut jüngsten Vorschlägen sollten es 1,5 Prozent sein. Um dies möglich zu machen, sollen Regierungen ihre strukturellen Primärausgaben jedes Jahr ein wenig verbessern müssen. Das genaue Tempo dabei ist noch offen. Es dürfte aber weniger streng werden als die aktuellen Vorgaben. Laut den derzeit ausgesetzten Schuldenregeln müssen strukturelle Defizite mindestens um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr zurückgeführt werden.

STRENGERE ÜBERWACHUNG

In der Vergangenheit wurden die Schuldenregeln oft nicht durchgesetzt. Das soll sich dieses Mal ändern. Die EU-Kommission soll bei Verstößen Strafen verhängen können, wenn Regierungen ihren vereinbarten Pfad bei den Ausgaben in einem Jahr oder über einen mehrjährigen Zeitraum verlassen. Unklar ist allerdings noch, ab welcher Abweichung Verfahren eingeleitet werden, um Länder wieder auf Kurs zu bringen. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Sicherheitsgarantien Ukraine: Warum Washington plötzlich auf einen Deal drängt
27.11.2025

Wachsende Irritationen in Europa treffen auf ein Washington, das den Ton sichtbar verschärft und ein Friedensabkommen zur Bedingung für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Studie von KfW Research: Industriestandort Deutschland benötigt mehr Wagniskapital
27.11.2025

Deutschlands Industrie steht unter Druck: KfW Research sieht schrumpfende Wertschöpfung und zu wenig Risikokapital. Chefvolkswirt Dirk...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Immer mehr Arbeitsplätze wandern ins Ausland ab: Wirtschaftsstandort Deutschland wackelt
27.11.2025

Hohe Preise für Energie, belastende Lohnnebenkosten, eine ausufernde Bürokratie und politische Vorgaben des Staates: Immer mehr Firmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Microsoft-Aktie im Fokus: Rekordinvestitionen in Cloud und KI stärken das Wachstum
27.11.2025

Microsoft setzt mit massiven Investitionen in Cloud-Infrastruktur und künstliche Intelligenz auf Wachstum und Innovation. Können diese...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundespräsident Steinmeier: Europa muss Potenzial als Wirtschaftsmacht ausschöpfen
27.11.2025

Krieg, Machtverschiebungen und zähe Entscheidungen in der EU belasten die Wirtschaftsmacht Europa. Auf dem Wirtschaftsforum in Madrid...

DWN
Finanzen
Finanzen Novo Nordisk-Aktie: Kursrückgang nach enttäuschenden Studien – trotz positivem Analystenkommentar
27.11.2025

Die Novo Nordisk-Aktie steht seit vielen Monaten unter Druck. Auch im Donnerstaghandel an der Frankfurter Börse verbucht die Novo...

DWN
Panorama
Panorama Rabattschlacht: Warum Fake-Shops am Black Friday besonders riskant sind – und wie Sie sie erkennen
27.11.2025

Der Black Friday lockt mit Rekordrabatten – doch zwischen echten Deals verstecken sich zunehmend Fake-Shops. Professionell gestaltet und...

DWN
Immobilien
Immobilien EH-55-Förderung kehrt zurück: Was Bauherren ab Dezember beachten müssen
27.11.2025

Ab Mitte Dezember fließt wieder Geld für Neubauten im EH-55-Standard. Die KfW öffnet ein bekanntes Förderfenster – doch nur unter...