Immobilien

Wie Baugruppen helfen können, die Krise am Immobilienmarkt zu überwinden

Lesezeit: 6 min
01.02.2024 14:48
Immer mehr Bauherren schließen sich mit anderen Gleichgesinnten zu Baugruppen zusammen, statt allein vor den Problemen auf der Baustelle und bei der Grundstücksfinanzierung zu stehen. Insbesondere in den deutschen Großstädten hat sich diese neue Form von Eigentümer-Gemeinschaften einen Namen gemacht. Das größte Problem scheint dabei, Einigkeit bei den grundsätzlichen Entscheidungen herzustellen. Freilich gibt es auch die Vorteile bei Finanzierung und Architektenbetreuung, die die mühseligen Diskussionsprozesse überwiegen können.
Wie Baugruppen helfen können, die Krise am Immobilienmarkt zu überwinden
Endlich in die eigenen vier Wände: Baugruppen helfen Familien ihren Traum zu realisieren. (Foto: iStock.com/Bet Noire)
Foto: Bet_Noire

Der Eschengraben in Berlin-Pankow ist eine Straße, die man, im Straßenraum hinter einer Shell-Tankstelle und den Backsteinbauten der früheren Willner-Weißbierbrauerei versteckt, schnell übersieht. Kopfsteinpflaster, teilweise gibt es nicht einmal ein ordentliches Trottoir. Gleichwohl ist die Wohnstraße an der Grenze zum Prenzlauer Berg in den vergangenen Jahren zu einer Art Baugruppen-Alley avanciert. Fast ein gesamter brachliegender Block wurden von Häuslebauern im Rahmen von Baugruppen-Verträgen mit Reihenhäusern errichtet. Nur ein Anschauungsbeispiel von vielen, die in der Hauptstadt Schule gemacht haben.

Schon 2013 hat die Senatsbauverwaltung des Landes Berlin eine ganze Fallsammlung derartiger Gemeinschaftsprojekte veröffentlicht. Unter dem Titel „Selfmade City" ist im Jovis-Verlag ein Standardwerk über kooperatives Bauen vorgelegt worden, das sogar international für Furore sorgte. Es stellt mehr als 300 derartiger Projekte vor, die allein 2007-2013 in Berlin entstanden sind.

Vom Mengeneffekt sind diese von Einzel-Bauherren realisierten Wohneinheiten sicherlich nicht mit Blöcken in neuen Wohnquartieren auf der grünen Wiese zu vergleichen. Doch Michael Müller (SPD), lange Zeit Regierender Bürgermeister, bescheinigte den versammelten Bauherren und ihren Planern als „wichtige Teilhaber" die Stadtentwicklung Berlins architektonisch verändert zu haben. Auch die Stadt Wien hat versucht, gezielt städtische Grundstücke an Bauherren-Gemeinschaften zu vergeben, um damit Farbe und Vielfalt ins Stadtzentrum zu bringen. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten hat mit Architekten gesprochen, welche Chancen sie einer Renaissance der Bauherren-Gemeinschaften am heutigen Markt einräumen.

Worum geht es bei Baugruppen? Im wesentlichen ist es der Versuch gleichgesinnter Bauwilliger, ihr Traumhaus oder ihre Traumwohnung gemeinsam in einem Bauprojekt zu verwirklichen, ohne dass ein Bauträger zwischengeschaltet ist und an der Investition mit verdient. Günstiger bauen, heißt dabei Kosten zu reduzieren, Baustoffe billiger einzukaufen, Planungsprozesse zu verschlanken und auch das Amt mit nur einem Vorhaben zu belämmern. Im Kern dreht es sich freilich zunächst um das Grundstück, dass von der Baugemeinschaften mit einem Doppel-, Reihen- oder Mehrfamilienhaus bebaut wird. Die Bauherren erwerben daran einen Miteigentumsanteil - zumeist in Rechtsform einer GbR.

Gruppen bei Grundstücken häufig in der engeren Wahl

Für nicht wenige Bauherren reizvoll erscheint, nicht am Stadtrand in die typische Einfamilienhaus-Siedlungen (mit all ihren Nachbarschaftseigenarten) investieren zu müssen. Gemeinsam können Interessenten sich auch um die Vergabe eines im B-Plan neu geschnittenen Grundstücks oder einer städtischen Baulücke oder Brache mitten in urbanen Altstadtquartieren bewerben und die zumeist deutlich höheren Bodenwerte im Zusammenschluss schultern. „Hier bieten wir Architekten uns als Konzept-Büros an", sagt der mit Baugruppen bestens vertraute Florian Köhl. „Das geht so weit, dass wir auch Banken als Finanzierungspartner gewinnen." Ob die jeweiligen Bauherren schließlich selbst einziehen oder den mit ihren Investitionen geschaffenen neuen Wohnraum an Dritte vermieten, ist schließlich eher eine Frage der Finanzierung bzw. möglicher (durch die öffentliche Hand gewährter) Wohnbauförderung.

Momentan ist es so, das die Bundesregierung das Energiesparen mit zinsbegünstigten Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt, wenn ein Neubau der Effizienzklasse EH 40 entspricht, um endlich den angestrebten Klimazielen näher zu kommen. Nachhaltige Baumaterialien und vor allem der Verzicht auf Öl, Gas oder Biomasse als Rohstoffe sind die Eckdaten für ein so genanntes Effizienzhaus. Es darf maximal 40 Prozent der Energie eines Standardhauses verbrauchen. Bundesbauministerin (SPD) hat angedeutet, dass es auch bei EH55 als Maßstab bleiben könnte. Ob dies dann wider gefördert wird, ist aber fraglich.

Bis 2024 sind die Fördertopfe der KfW für klimafreundliches Bauen ohnehin gerade ausgesetzt worden, nachdem von März bis heute 8000 Förderzusagen erteilt und 46.000 energieeffiziente Wohneinheiten gefördert worden sind. Der KfW ist gewissermaßen das Geld ausgegangen. Wann die KfW 2024 ihre Förderung fortsetzt, hängt sicherlich von den Einsparanstrengungen der Koalition und dem Haushaltsspielraum in 2024 ab.

Sich zu informieren lohnt sich: In jedem Fall hält die KfW verlockende Angebote für Bauherren bereit und stellt Förderkredite von bis zu 150,000 Euro je Wohnung in Aussicht - für Neubau und Erstkauf. Die Laufzeit beträgt bis zu 35 Jahren und umfasst eine bis zu 10-jährige Zinsbindung. Die Zinssätze liegen seit Mitte Dezember nun leicht erhöht bei 0,44 Prozent.

Gleichfalls möchte das von der SPD geführte Bundesbauministerium jungen Familien dabei helfen, aus beengten Mietwohnungen ins vermögenswirksame Eigentum zu gelangen. Mit dem Nebeneffekt, so die Hoffnung, dass sich der Engpass am Immobilienmarkt wie ein Knoten auflöst, und wieder Mietwohnungen frei gezogen und neuen bedürftigen Mietern angeboten werden können.

Das KFW-Programm „Wohneigentum für Familien" fördert den Bau von Haus oder auch Eigentumswohnung für Familien mit Kindern und Alleinerziehende mit niedrigem bis mittlerem Einkommen (bei einem Kind maximal 90,000 Euro zu versteuerndem Einkommen). Die Höchstbeträge der Kreditzusagen werden von der KfW mit 170,000 bis zu 270,000 Euro angegeben.

Summen, die in den deutschen Groß- und Mittelstädten allerdings zumeist nicht ausreichen, um als Käufer am normalen Bauträgermarkt zum Zuge zu kommen. In einer Baugruppe könnte die Kalkulation da schon deutlich besser aussehen, wenn sowohl Selbstnutzer als auch Kapitalanleger sich zusammen über ein Bauvorhaben verständigen und sich verpflichten. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Bauherren (VPB) lassen sich durch Baugruppen „gut 20 Prozent der Baukosten" einsparen. Selbst bei der Grunderwerbssteuer fällt nur der Kaufpreis des Grundstückes an, ohne den Bauträger als Mittelsmann.

Von Anfang an eingebunden werden sollten bei derartigen Investitionsmaßnahmen fachkundige Energieberater, die man in einer Expertenliste der Deutschen Energie-Agentur (dena) finden kann. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen bietet obendrein unter [www.qng.info] Zugang zum Informationsportal Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude, dies ist für die Gewährung der höheren Kreditsummen Voraussetzung.

Einigkeit zwischen den Eigentümern ist größte Hürde

Eine weiter gehende Form der Baugruppen sind Co-Housing-Projekte. Unter dem Motto „Lieber gemeinsam statt einsam" geht es den Partnern zumeist auch darum, das Miteinander in Wohnanlagen zu verbessern und dies bereits in der Planungsphase zu berücksichtigen. Um bei den Investitionssummen auf eine kritische Größe zu kommen, handelt es sich nicht selten um Gruppen von 20 Bauherren und über 60 Bewohnern, die Wert legen auf Gemeinschaftseinrichtungen, eine große Gemeinschaftsküche mit Speisessaal etwa, aber auch gemeinsam genutzte Gärten und Terrassen. Einigkeit besteht darin, sich im Team um Erhalt und Pflege der Immobilie kümmern, statt dies an eine externe Hausverwaltung abzugeben. In dieser Phase sind die Baugruppen dann längst zur Wohneigentümergemeinschaft (WEG) übergegangen, die zumeist mit Drei-Viertel-Mehrheit Beschlüsse über das Miteinander treffen.

Den Weiterungen beim Zusammenleben sind planerisch kaum Grenzen gesetzt: Manche der Projekte bestechen mit eigener Bücherei oder Gemeinschaftswerkstatt, einer zentralen Wäscherei und sogar Carsharing und Fuhrpark. In ländlichen Gegenden scheint sich der Obst- und Gemüsebau als Gemeinschaftsaufgabe durchzusetzen. Persönliche Rückzugsmöglichkeiten und Gemeinschaftsgefühl werden stetig neu austariert. Die Community handelt das soziale Miteinander aufs Neue aus. Dass dabei immer wieder Probleme auftreten, dürfte klar sein. Dadurch, dass die Wohneinheiten im rechtlichen Sinne Wohnungseigentum darstellen, führt dies aber nicht zwingend zu Dramen, wenn sich Hausgemeinschaften auflösen. Es geht ums Erwachsenen-Wohnen, nicht um eine WG.

Wie Architekten als Moderatoren fungieren

In den Corona-Zeiten ist die Planung von Baugruppen leider etwas in den Hintergrund getreten. Die internen Diskussionsrunden waren vorübergehend epidemiologisch abgesetzt, könnte man meinen. Selbst Berlin schien vorübergehend das Interesse zu verlieren. Während Rot-Rot-Grün regiert hat, hieß es sogar öffentlich, der Senat sei „an Mittelstands-Konstellationen" gar nicht interessiert. Statt dessen wurden per Vorkaufsrecht Altbauten fürs politische Klientel erworben, während der Neubau auf breiter Front stagnierte.

Kommt nun die Rückbesinnung? Die Finanzberater von Dr. Klein raten potenziellen Bauherren, einfach mal in ihrer Nachbarschaft nach Baugemeinschaften oder Baugruppen zu googeln. In Berlin werden aktuell zum Beispiel auf der Plattform Co-Housing-Berlin „Mitstreiter gesucht", wie es auf der Homepage heißt. In Hamburg werden derweil Bau-Gemeinschaften gefördert, wenn sie noch einen Schritt weitergehen und sich genossenschaftlich organisieren.

Inzwischen scheinen die Erfahrungen insbesondere der Architektenschaft so weit analysiert und ausgewertet zu sein, dass Büros mit modifizierten Angeboten den Markt erneut aufzurollen versuchen. So zum Beispiel das Architektenteam fatkoehl aus Berlin, das mit unzähligen weiteren Planern Teil des Netzwerks Berliner Baugruppen ist. Für Architekt Florian Köhl kommt es darauf an, die Vorzüge des seriellen Bauens zu berücksichtigen. „Es kann nicht jeder eine Wohnung mit völlig individuellem Grundriss erhalten, das ist beim Baupreis am Markt nicht wettbewerbsfähig", weiß Kohl, der im Berliner Spreefeld an der Grenze von Kreuzberg und Friedrichshain bewiesen hat, dass sich gute Architektur und Bau-Qualität durchaus zu günstigen Preisen realisieren lassen. „Ein unterschiedlicher Ausbau-Standard ermöglicht den jeweiligen Bauherren individuelle Lösungen, aber auch auf ihr Budget zugeschnittene Preise", so seine ganz praktische Erkenntnis.

Die derzeitigen Schwierigkeiten am Immobilienmarkt sieht Köhl deshalb als Chance. „In Krisen laufe ich als Architekt zu Hochform auf", sagt er. Es komme darauf an, „die richtigen Partner zusammenzubringen, die die besonderen Vorzüge des Miteinander-Lebens schätzen und auch die soziale Interaktion und Inklusion zu berücksichtigen." Momentan seinen eher Familien und Kapitalanleger mit ihren Ersparnissen und ihrer Bonität die starken Motoren am Markt, um neuen Wohnraum zu schaffen, während die Bauträger der Vergangenheit Liquiditätsprobleme haben und den Vorständen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften die Fantasie fehlt.

Die Antriebsfeder Steuerersparnisse und die Sehnsucht nach individuellen Wohnformen, das war auch schon in den 90er-Jahren nach der Deutschen Einheit genau die Melange, die damals einen Bauboom in den neuen Bundesländern ausgelöst hat. „Heute können Baugemeinschaften genau der Baustein in der Weiterentwicklung der Städten sei, die lebenswerte Architektur, soziales Miteinander und Inklusion zusammenbringen", sagt Florian Köhl und hofft, „dass Baugruppen mit ihrem Gebäude auch ein Zugewinn für das Quartier und die Nachbarschaft bedeuten."

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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