Politik

So will CDU-Chef Merz in Berlin an die Macht

Vor dem Hintergrund des Streits in der Ampel-Koalition sieht CDU-Chef Merz nun die Chance, selbst die Macht in Berlin zu übernehmen. Im Interview erläutert er, wie er sich das vorstellt.
25.12.2023 09:32
Aktualisiert: 25.12.2023 09:32
Lesezeit: 3 min

CDU-Chef Friedrich Merz setzt angesichts des Haushaltsstreits der Ampel-Koalition auf einen raschen Wechsel hin zu einer unionsgeführten Bundesregierung. Er und CSU-Chef Markus Söder seien sich «einig, dass wir so schnell wie möglich diese Regierung ablösen wollen», sagte der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion im Bundestag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Falls die Ampel scheitere, komme dafür eine vorgezogene Bundestagswahl am 9. Juni in Betracht, dem Tag der Europawahl.

Der Weg zu einer vorgezogenen Neuwahl ist jedoch kompliziert: Unter anderem müsste Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Parlament die Vertrauensfrage stellen und verlieren. Das ist derzeit nicht absehbar.

Mit zeitgleichen Wahlen im Bund und in Europa könne auch die Wahl zum Europaparlament durch eine hohe Beteiligung gestärkt werden, sagte Merz. Europawahlen gelten in Deutschland als Denkzettelwahlen. Für 2024 wird befürchtet, dass die AfD besonders gut abschneiden könnte. Manche hoffe, dass eine hohe Wahlbeteiligung das verhindern könne.

Merz antwortete auf die Frage, ob die CDU bis Juni überhaupt einen Bundestagswahlkampf organisieren könne: «Das wäre anspruchsvoll.» Er stelle die Parteizentrale aber wegen der Europawahl bereits so auf, dass die CDU in der Lage sei, diese bundesweite Wahl zu bestreiten. Das Adenauerhaus werde dann so aufgestockt, dass parallel der Wahlkampf für den Bundestag geführt werden könne.

Merz skeptisch gegenüber neuer Koalition mit der SPD

Skeptisch äußerte sich Merz zum Vorstoß von Söder für eine neuerliche große Koalition. Es sei «ohnehin die Frage: Reicht das überhaupt rechnerisch noch mit einer sich weiter so marginalisierenden SPD für eine Koalition», sagte Merz. «Und ganz offen gestanden: Meine größte Sympathie hat das nicht.» Er ergänzte: «Die SPD ist mittlerweile bei 14 Prozent. Mit einer solchen Partei kann man keine große Koalition mehr bilden.» Zugleich betonte Merz: «Wir gehen sicher nicht mit einer Koalitionsaussage in die Wahl.» Die Union liegt derzeit in Umfragen zwischen 31 und 34 Prozent.

Bayerns Ministerpräsident Söder hatte Ende November angesichts der Haushaltskrise der Ampel-Regierung eine Neuwahl am 9. Juni 2024 ins Gespräch gebracht, dem Tag der Europawahl. Zugleich erteilte er einer Regierung mit den Grünen eine Absage und nannte eine Neuauflage der großen Koalition eine denkbare Variante.

Merz: Vorgehen nach Hessen-Wahl beispielhaft

Der CDU-Chef gab nun als strategisches Unions-Ziel aus: «Wir müssen nach der nächsten Bundestagswahl stark genug sein, mindestens zwei Optionen zu haben, mit wem wir denn dann in eine Regierung gehen können.» Die Hessen-Wahl von Anfang Oktober nannte er beispielhaft. Da habe die CDU mit 34,6 Prozent ein Ergebnis erreicht, «das für uns auch ein gutes Wahlergebnis im Bund wäre». Ministerpräsident Boris Rhein habe zwei Alternativen gehabt, mit SPD und Grünen intensive Gespräche geführt und sich für Koalitionsverhandlungen mit der SPD entschieden. «Ich möchte eine ähnliche Situation für uns als Union bei der Bundestagswahl sehen, ganz gleich wann sie stattfindet.»

Wie hält es der CDU-Chef mit den Grünen?

Darauf angesprochen, ob er angesichts seiner anhaltend scharfen Kritik an Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den Sozialdemokraten eine Präferenz für die Grünen habe, antwortete Merz: «Es gibt im Augenblick eher vom menschlich-emotionalen eine gewisse Präferenz. Aber in der Sache sind die Unterschiede trotzdem sehr, sehr groß», ergänzte er. «Wenn die Grünen bei dieser Wirklichkeitsverleugnung bleiben, bei diesem Realitätsverlust bleiben, dann wird es sehr, sehr schwer.» Die Frage müsse aber nach der Wahl beurteilt werden.

In seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen sei die CDU mit den Grünen in der Regierung, erinnerte Merz und fügte hinzu: «In dem Augenblick, wo es ums Mitregieren geht, werden Grüne und Sozialdemokraten sehr flexibel, sehr beweglich, sehr anpassungsfähig.» Mit Blick auf den früheren Lieblingspartner der Union, die FDP, sagte Merz, mit Umfragewerten von vier bis fünf Prozent sei die Existenz der Partei «erneut ernsthaft bedroht. Ich bedaure das, kann es allerdings auch nachvollziehen aus der Sicht der Wähler dieser Partei.»

«FDP muss sich entscheiden»

So, wie die FDP in der Ampel mitregiere - «Regierung und Opposition gleichzeitig» - werde das «auf Dauer nicht honoriert. Das geht nicht. Da muss die FDP sich entscheiden.» Falls sich die FDP für einen Verbleib in der Ampel entscheide, dürfte dies ihren Abwärtstrend verstärken, sagte Merz. «Ich hätte es gerne anders, aber ich sehe es im Augenblick rechnerisch nicht als eine realistische Option», sagte er vor dem Hintergrund früherer schwarz-gelber Zusammenarbeit. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik Rechtsruck in Polen – schlechte Aussichten für Berlin?
02.06.2025

Polen hat einen neuen Präsidenten – und der Wahlausgang sorgt europaweit für Nervosität. Welche Folgen hat der Rechtsruck für Tusk,...

DWN
Politik
Politik Trump zieht Investoren ab – Europa droht der Ausverkauf
02.06.2025

Donald Trump lockt mit Milliarden und Zöllen Investoren zurück in die USA – Europa verliert an Boden. Bricht der alte Kontinent im...

DWN
Politik
Politik Plan von Klingbeil: Steuerentlastungen für Unternehmen – das sind die Details
02.06.2025

Die schwarz-rote Koalition will zeigen, dass sie Probleme angeht – auch die schwächelnde Wirtschaft. Finanzminister Lars Klingbeil will...

DWN
Technologie
Technologie Robotikbranche 2025 in schwieriger Phase – Umsatzrückgang droht
02.06.2025

Die deutsche Robotikbranche kämpft 2025 mit rückläufigen Umsätzen und schwankenden Rahmenbedingungen. Welche Teilbereiche sind...

DWN
Finanzen
Finanzen Biontech-Aktie hebt ab: Milliardenkooperation mit US-Pharmaunternehmen
02.06.2025

Die Biontech-Aktie erhält neuen Aufwind: Eine milliardenschwere Allianz mit Bristol-Myers Squibb weckt Hoffnung bei Anlegern und...

DWN
Finanzen
Finanzen Hensoldt-Aktie auf Rekordjagd: Was Anleger jetzt wissen sollten
02.06.2025

Die Hensoldt-Aktie überrascht mit einem historischen Kursfeuerwerk – doch ist der Höhenflug gerechtfertigt? Anleger sollten genauer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KfW-Analyse: Mittelstand zieht sich aus dem Ausland zurück
02.06.2025

Eine aktuelle KfW-Analyse zeigt: Immer mehr Mittelständler ziehen sich aus dem Auslandsgeschäft zurück. Was steckt hinter dem Rückzug...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Personalstrategie: Warum Top-Kandidaten oft scheitern – und was das über unser System verrät
02.06.2025

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Bei der Personalauswahl geht es immer weniger um Kompetenz – und immer mehr um Bauchgefühl,...