Politik

Präsident der Bundesnetzagentur: „Die Zeit der billigen Energie ist vorbei"

Trotz massiven Zubaus von erneuerbaren Energien wird der Strompreis in Deutschland nicht fallen. Das sagt der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller in einem Interview. Gleichzeitig verschiebe sich der Kohleausstieg immer weiter – mit Folgen für Umwelt, Energiewirtschaft und Politik.
27.12.2023 14:59
Lesezeit: 2 min
Präsident der Bundesnetzagentur: „Die Zeit der billigen Energie ist vorbei"
Das Stromnetz in Deutschland ist noch nicht bereit für den Kohleausstieg. (Foto: dpa) Foto: Henning Kaiser

Der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller rechnet mit weiter hohen Strompreisen für Verbraucher. „Die Großhandelspreise für Strom sind deutlich gefallen gegenüber 2022. Dennoch ist das Preisniveau höher als vor dem russischen Angriffskrieg. Daran wird sich so schnell nichts ändern“, sagte Müller der „Rheinischen Post“. „Die Zeit der billigen Energie ist vorbei, jedenfalls, solange wir noch große Mengen konventionell erzeugter Energie verbrauchen.“

Der Behördenchef verteidigte in diesem Zusammenhang die Sparbeschlüsse der Ampel-Koalition, die wegen des Verfassungsgerichtsurteils zum Klima- und Transformationsfonds die Zuschüsse für Netzentgelte 2024 gestrichen hat: „Das war eine schwere Entscheidung für die Bundesregierung. Leider kann man kein Geld einsparen, ohne dass dies Auswirkungen hat. Insofern kann ich die Entscheidung nachvollziehen.“ Durch den Wegfall der geplanten Subvention von 5,5 Mrd. Euro wird nach seiner Rechnung ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt 120 Euro mehr Netzentgelt im Jahr zahlen.

„Kraftwerksstrategie fehlt“

Neben hohen Kosten für die Verbraucher scheint das deutsche Stromnetz aber auch nicht stabil genug für den von der Politik gewünschten vorgezogenen Kohleausstieg. Industriepräsident Siegfried Russwurm kritisierte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne), dass es hierzu an den nötigen Entscheidungen bezüglich neuer Anreize zum Bau zusätzlicher Gaskraftwerke fehle. „Es ist höchst ärgerlich, dass wir in die Situation kommen könnten, Kohlekraftwerke länger weiterbetreiben zu müssen, weil es keine ausreichenden anderen Reservekapazitäten gibt.“

Die Bundesregierung setzt beim Umbau des Stromsystems auf erneuerbare Energien. Ziel ist es, dass 80% des verbrauchten Stroms in Deutschland im Jahr 2030 aus erneuerbaren Quellen kommt. Derzeit ist es etwas mehr als die Hälfte. Die Ampel-Koalition hatte sich zudem darauf verständigt, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Allerdings muss dann sichergestellt werden, dass Phasen ohne Sonnenschein und Wind überbrückt werden können. Hierzu sind große Speicheranlagen und der Zubau von 50 Gaskraftwerken nötig. Letzteres erscheint Russwurm in der Kürze kaum umsetzbar.

Denn die Wirtschaft wartet seit langem auf eine Kraftwerkstrategie von Habeck. Sie sollte bereits im Sommer vorgelegt werden. Energieunternehmen scheuen bisher Investitionen, weil sich die neuen Kraftwerke mit dem neuen Nutzungsmix nicht rechnen. Nötig wäre ein Anreizsystem, das nicht nur den Stromverkauf honoriert, sondern auch, wenn Betreiber Kraftwerkskapazitäten bereits vorhalten. Die nötigen Eckpunkte sind aber noch nicht bekannt. „Von ausreichenden Speicherkapazitäten sind wir weit entfernt“, kritisiert Russwurm. Und genügend wasserstofffähige Gaskraftwerke in kurzer Zeit zu bauen, sei „Zukunftsmusik“.

Stromimporte wackelig

Zudem sind offenbar auch die Annahmen der Ampel zum Stromimport zu optimistisch. Berlin habe unterstellt, „dass wir in Zeiten, in denen Strom bei uns knapp ist, erhebliche Mengen aus dem Ausland importieren können und deshalb nur 25 Gigawatt zubauen müssen“, betonte Russwurm. Das sei aber „eine höchst optimistische These“, die davon ausgehe, dass unsere Nachbarn immer dann Überschussstrom hätten, wenn wir ihn brauchten. Aber auch 25 Gigawatt Zubau bedeute 50 neue Kraftwerke. Und wenn dieser Zubau nicht gelinge, werde man die Kohlekraftwerke im Netz halten müssen.

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