Sergej Ambartsumyan wollte groß rauskommen in Berlin. Am Alexanderplatz plante der Armenier mit dem russischen Unternehmen Monarch, einen Wolkenkratzer direkt am Haupteingang des Alexa-Shopping-Centers zu errichten. Dass es Probleme gab, womöglich schon bei der Finanzierung des 150 Meter hohen Wohngebäudes, war länger ein Gerücht. Nun hat der Investor offen zugegeben, dass er das Bauvorhaben abgeben müsse. Die russische Baufirma Monarch sucht dringend einen Käufer für ihr Luxus-Engagement. Mitten in der Wirtschaftskrise, das könnte länger dauern.
Die Baustellen-Einrichtung ist schon gut ein Jahr verwaist. Die letzten Handwerker haben notdürftig den Fuß des Baukrans mit Planen und Planken eingehaust, damit es zu keinen unerwünschten Besuchern hoch oben über der Baustelle kommt. Denn der geplante Alexander Tower selbst ist noch nicht einmal der Baugrube entwachsen. Im Vergleich zum Elbtower in Hamburg, den der österreichische Immobilien-Mogul Rene Benko der Hansestadt am Elbufer Im Rohbau hinterlassen hat, ist das Pendant des baulichen Größenwahns in Berlin eher eine unauffällige Schmuddelecke auf dem Weg ins benachbarte Shopping-Paradies.
Spatenstich 2019 - seither stocken die Bauarbeiten
Beim Spatenstich im November 2019 hatte Sergej Ambartsumyan, Chef des russischen Unternehmens Monarch noch getönt, der Luxus-Wohnturm nach Plänen des österreichischen Architektenbüros Ortner & Ortner könne womöglich schon Ende 2023 in voller Höhe der Baugrube entwachsen sein. Doch das bisherige Niveau entspricht bestenfalls der betonierten Kellerdecke. Einzig die vier Untergeschosse sind als Rohbau ausgebildet, samt den rudimentären Treppenhäusern und tristen Aufzugsschächten.
Landeseigene BIM ist irritiert
Die russische Investoren-Firma hat sich mittlerweile von der Vision verabschiedet, ihren Alexander Tower mit 35 Geschossen und 377 hochpreisigen Wohnungen selbst fertigstellen zu können. Es heißt, Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine habe die hochtrabenden Pläne vereitelt. Wegen der internationalen Sanktionen gegen Russland hätten die Geldgeber Schwierigkeiten, ihre Assets und Gelder aus Russland heraus zu bekommen. Das behauptet jedenfalls Rechtsanwalt Detlev Stoecker, der die Monarch-Gruppe vertritt in Berlin. „Wir verhandeln seit August sehr intensiv und exklusiv mit einem potentiellen Investor", sagt Stoecker. Spätestens bis Ende Januar soll feststehen, ob mit diesem neuen Investor eine Absichtserklärung zur Übernahme des Hochhausprojektes zustande kommt. Bis März könne der Verkauf möglicherweise abgeschlossen werden.
Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) verfolgt die vorgetragenen Verkaufsabsichten eher argwöhnisch. Im ursprünglichen Kaufvertrag für das ursprünglich landeseigene Grundstück hatte sich Monarch gegenüber dem Land Berlin verpflichtet, ganz penibel die vereinbarten Meilensteine beim Baufortschritt einzuhalten. Das Vertrauen ist weitgehend aufgebraucht, die bisherigen Zusagen haben sich eher wohl in Luft aufgelöst denn in ein zielorientiertes Miteinander. „Wir vertrauen ja die ganze Zeit schon, dass da was passiert", sagt BIM-Geschäftsführerin Birgit Möhring. „Aber leider passiert nichts, wir haben Stillstand auf der Baustelle."
Berlin prüft Rückkauf des Monarch-Turms
Bleibt der dem russischen Zaren gewidmete Alexander Tower womöglich ein Potemkinsches Luftschloss? Schon der grüne Finanzsenator Daniel Wesener beabsichtigte, den Rückkauf des Grundstücks durch den Senat zu veranlassen. Im Sommer hatte die BIM schließlich eine Vertragsstrafe in Höhe von fünf Millionen Euro verhängt. Gezahlt hat der Konzern leider nicht. Und die Vollstreckung der Strafe scheiterte in der Taiga, oder wo auch immer die Konten des russischen Konzerns schlummern. Birgit Möhring gibt die Hoffnung nicht auf, möglicherweise noch irgendwo sonst im Ausland auf Vermögenswerte zu stoßen. Derzeit sei die Vollstreckung ausgesetzt, weil die BIM abwarten will, ob Monarch der Verkauf des Hochhausprojektes tatsächlich gelingt. „Das Interesse des Landes Berlin ist natürlich, dass auf der Baustelle wieder etwas passiert", bekräftigt Möhring.
Monarch-Anwalt Stoecker beteuert: „Wir sind der Meinung, wir schulden diese Strafe nicht, weil wir für die geopolitische Lage nichts können." Nur wenn alle an den derzeitigen Verhandlungen Beteiligten zusammen arbeiten, lasse sich eine Lösung in der Sache finden. Sollte der Verkauf scheitern, glaubt die BIM, noch einen weiteren Hebel in der Hand zu halten. Im Kaufvertrag sei ein Ankaufsrecht des Landes verankert, zum damals festgestellten Verkehrswert anno 2019. Verrechnet werden müssten dann noch die Baukosten, die der russische Konzern aufgewendet hat. Birgit Möhring will jedenfalls „nicht ausschließen, dass das Land sich irgendwann überlegen muss, ob es dieses Ankaufsrecht ausübt". Zur Höhe des Kaufpreises für das Grundstück lehnte sie Angaben ab.
Politiker sprechen sich für Ankauf aus
Es scheint so, als würde auch die neue Koalition für den Ankauf votieren. „Meine Geduld ist mittlerweile am Ende", sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mathias Schulz. „Ich meine, der Senat muss jetzt die zweite Stufe ziehen und den Rückkauf ernsthaft vorbereiten." Schulz glaubt nicht, dass Monarch der Verkauf des Hochhausprojekts in naher Zukunft gelingen wird. Berlin müsse sicherstellen dass am Alexanderplatz keine Bauruine entsteht. Und auch die oppositionellen Grünen fordern ein entschiedeneres Eingreifen des Landes und der BIM. Sie sehen in dem gescheiterten Wohnturm eine Möglichkeit, jetzt neue Akzente bei der Versorgung mit Wohnungen zu setzen - für Sozialwohnungen statt Luxus-Apartments.