Nach Angaben des Bankenverbands wird die deutsche Wirtschaft 2024 voraussichtlich stagnieren. „Wir erwarten, dass das Wirtschaftswachstum auch im nächsten Jahr nah an der Nulllinie liegen wird", sagte der Präsident des Bankenverbands und Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank,, Christian Sewing, in einem Interview. Eine rasche und kräftige wirtschaftliche Erholung sei nicht in Sicht. Doch der private Konsum und die Investitionen könnten wieder anziehen, sollten „die wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken im kommenden Jahr allmählich nachlassen und die Inflation weiter sinken“.
Sewing rechnet demnach mit einer Inflationsrate in Deutschland 2024 zwischen 2,5 und 3,0 Prozent. Der Rückgang der Inflationsrate werde sich in den kommenden Monaten allerdings verlangsamen. „Im Dezember und Januar könnte die jährliche Teuerungsrate sogar zeitweilig wieder steigen", sagte der Bankenverbandspräsident. Als Gründe nannte er das Ende der Gas- und Strompreisbremse sowie die Tatsache, dass in der Gastronomie wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben werde.
Ende des Baubooms
Für die Baubranche sagte Sewing schwierige Zeiten voraus: „Der Bauboom der vergangenen Jahre ist zu Ende." Die in kurzer Zeit deutlich gestiegenen Zinsen und die schon seit längerem gestiegenen Baukosten wirkten sich spürbar auf die Baubranche aus. Die Kreditnachfrage bei Banken für Bau- und Sanierungsvorhaben sei deutlich zurückgegangen. Die Nachfrage nach Wohnraum sei jedoch weiterhin hoch: „Die Immobilienpreise dürften sich im Jahr 2024 stabilisieren und im Anschluss wieder anziehen."
Insgesamt zeigt sich die deutsche Wirtschaft bei der Frage nach Zinssenkungen zurückhaltend und warnt vor einer zu frühen Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB). „Von übereilten Senkungen sollte die EZB Abstand nehmen", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters: „Erst wenn die Inflation sich nachhaltig auf einem niedrigen Niveau stabilisiert, kann Entwarnung gegeben werden und auch erst dann sollte sie ihre Leitzinsen senken." Die Bekämpfung der Inflation sei von zentraler Bedeutung. Denn stabile Preise schafften Verlässlichkeit und Planbarkeit. „Und dies nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Unternehmen", sagte Jandura.
Warnung vor Inflation
Ähnlich sehen das die Familienunternehmer. „Bei hoher Inflation neigen alle Euro-Regierungen zu noch mehr wettbewerbsverzerrenden Subventionen und zu höheren Schulden", sagte deren Präsidentin Marie-Christine Ostermann. „Wenn die EZB also ihre Aufgabe der Inflationsbekämpfung ernst nimmt, ist das für den Mittelstand langfristig deutlich besser als eine zu frühe Zinssenkung."
Die EZB hat ihren Leitzins im Kampf gegen die Inflation auf das Rekordniveau von 4,5 Prozent hochgeschraubt - zuletzt aber zwei Mal in Folge die Zinsen nicht mehr geändert. Die Verbraucherpreise in der Währungsunion legten im November nur noch um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Damit rückt die EZB-Zielmarke von zwei Prozent in Reichweite. An den Finanzmärkten wird daher teils schon für das kommende Frühjahr mit einer ersten Zinssenkung gerechnet. Dadurch könnten die Finanzierungskosten sinken, was die Wirtschaft ankurbeln dürfte.
„Wenn die Zinsen sinken, dürfte im Handwerk vor allem der Wohnungsbau profitieren, da die private Nachfrage nach Wohnbauten begünstigt werden dürfte", hieß es beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Auch das Investitionsklima im Handwerk sollte von geringeren Finanzierungskosten stimuliert werden.
Der Außenhandelsverband BGH sieht nicht primär die EZB, sondern die Politik in der Verantwortung, für mehr Wirtschaftswachstum zu sorgen. „Für die Belebung der Konjunktur und für mehr wirtschaftliche Dynamik liegt der Ball im Spielfeld der Politik", sagte BGA-Präsident Jandura. Die Unternehmen erwarteten von der Politik einen deutlichen Kurswechsel: Solide Finanzen, wirtschaftliche Impulse durch eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung, wirksamer und massiver Bürokratieabbau, bezahlbare Energiepreise und stabile Sozialversicherungsbeiträge.