Politik

CO2-Abgabe steigt, Klimageld verschoben, Hauseigentümer wollen klagen

Lesezeit: 4 min
18.01.2024 13:57  Aktualisiert: 18.01.2024 13:57
Das Hickhack um Robert Habecks missglücktes Heizungsgesetz wirkt noch nach in den Köpfen. Prompt droht Christian Lindner gleichfalls ein Waterloo bei CO2-Preis und Klimageld. Erst hatte die Ampel den Bürgern einen fairen Ausgleich versprochen, nun soll die Sache auf den Sank-Nimmerleinstag verschoben werden. Die Volksseele köchelt schon wieder. Die Hauseigentümer drohen mit Klage. Die Ansage des Kanzlers ist ein Flüstern.
CO2-Abgabe steigt, Klimageld verschoben, Hauseigentümer wollen klagen
Jetzt musst Du mal ran mit den unbequemen Wahrheiten: Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) im Gespräch auf der Regierungsbank im Bundestag. (Foto: dpa)
Foto: Michael Kappeler

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Am Anfang des Jahres gab es schon den ersten zarten Jubel. Deutschland habe noch nie so wenig des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) verbraucht wie im vergangenen Jahr - was für ein Erfolg für den Klimaschutz.

Dass in Wirklichkeit wohl die Wirtschaftsflaute den Rückgang der Werte verursacht hat, wurde unter den Teppich gekehrt. Bloß nicht die schöne Story mit Fakten überfrachten, lieber weiter im Text, beim Umbau des Landes. Der grüne Wirtschaftsminister hatte mit seinem GEG-Gesetz vorgelegt, in 2024 muss nun der FDP-Finanzminister an die Front. CO2-Preis erhöhen, Geld einsammeln, aber den Bürgern besser nichts abgeben vom zugesagten Ausgleich.

Die bittere Wahrheit hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) diese Woche erst in einem Interview verkündet. Das sogenannte Klimageld für die Bürger, das den ab diesem Jahr deutlich erhöhten CO2-Preis ausgleichen soll, werde nicht mehr in dieser Legislaturperiode eingeführt. Damit ist die Katze aus dem Sack, der Bürger soll nicht nur Zuhause beim Heizen sparen, sondern auch noch die Investitionen in die Klimawende subventionieren. Eine Steuererhöhung. „Ob wir die Förderlandschaft politisch umbauen, das wird nach der nächsten Wahl zu entscheiden sein", so Lindner. Damit legt er die Axt an die Ampel.

Wie viel die Tonne CO2 jedes Jahr teurer wird

Zunächst schien es so, als würde der Klimageld-Rückzieher im im lauten Hupen beim Bauernprotest untergehen. Nach dem Motto: Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Aus den Reihen von B90/Grüne kommt jetzt zeitversetzt aber doch Protest gegen die Pläne Lindners. „Das Klimageld muss kommen, es ist ein wichtiges Projekt der Ampel", konterte die stellvertretende grüne Fraktionsvorsitzende Julia Verlinden. Das Finanzministerium müsse vorhandene Spielräume im Haushalt nutzen und den versprochenen sozialen Ausgleich der CO2-Kosten einhalten.

Der neue Streit ruft nun auch die anderen Parteienvertreter Interessengruppen auf den Plan. Den Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) etwa: „Die Ankündigung des Bundesfinanzministers, das Klimageld würde erst nach 2025 kommen, ist nicht akzeptabel", so VZBV-Chefin Ramona Pop, die frühere grüne Bürgermeisterin der Bundeshauptstadt Berlin.

Linke wollen wieder Machtwort des Kanzlers

Die Linkspartei erwartete „ein Machtwort von Olaf Scholz“. Die FDP könne nicht „einseitig den Koalitionsvertrag auf kündigen“, giftete Dietmar Bartsch auf der Internet-Plattform X. Der linke Bundestagsabgeordnete bezifferte den Anspruch der Bürger sogar explizit: 200 Euro für die Gering- und Normalverdiener im Lande sowie alle Rentner müsse Lindner schon springen lassen, um sein Gesicht zu wahren und nicht die nächste Koalitionskrise der Ampel heraufzubeschwören.

Inzwischen liegt nun auch ein Offner Brief der Sozialverbände auf dem Tisch. Sie verstärken den Druck auf die Bundesregierung. 16 Verbände haben den Appell mit unterzeichnet, darunter auch die Arbeiterwohlfahrt, Diakonie, Sozialverband VdK, die Naturschützer von BUND und Klima Allianz Deutschland.

Scholz wünscht mehr Schnelligkeit

Lindner versteckt sich hinter den vermeintlichen Fakten und spricht von einem Systemwechsel, der erst einmal vorbereitet werden müsse - am Sankt-Nimmerleinstag. Der Kanzler pfeift ihn zurück, so die Mitteilung. Das Klimageld müsse „mit gebotener Schnelligkeit" kommen. Ein eher leises Machwörtchen, das in den Tiefen des politischen Raums verhallt ist. Der Streit geht weiter.

Der Preis für den Ausstoß von CO2 mit fos­silen Ener­gien wird laut Bun­des­re­gie­rung stärker ange­hoben als zunächst geplant: Von 30 Euro pro Tonne CO2 um fünf Euro auf 45 Euro anno 2024 - und 2025 dann auf 55 Euro. Damit ver­teuern sich Erdgas und Heizöl. Das Vergleichsportal beziffert die Mehrkosten bei durchschnittlich 20,0000 Kilowattstunden auf 60 Euro pro Haushalt. Beim Heizöl werden laut Portal Verifox 95 Euro mehr fällig als im Vorjahr.

Mieter und Vermieter teilen Kosten untereinander auf

Der Knackpunkt aus Sicht der Hauseigentümer ist, dass bei Miet­woh­nungen die CO-Kosten zwi­schen Mietern und Ver­mieter auf­ge­teilt werden. Nun haben auch sie sich eingeschaltet und die Ablehnungsfront eingereiht. Bald ist die Meuterei auf der County komplett, möchte man meinen.

Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund will jetzt in Sachen CO2-Preis nach Karlsruhe ziehen - dort soll bereits die Grundsteuer gekippt werden. Das hohe Gericht bekommt wohl Aktenberge auf den Tisch.

„Wir halten die Aufteilung des CO2-Preises für einen Eingriff in die Rechte der privaten Eigentümerinnen und Eigentümern. Sie müssen beispielsweise für die warme Dusche der Mieterinnen und Mieter aufkommen. Der Vermieter nimmt keinen Einfluss darauf, wie warm und wie lange ihr Mieter duscht. Zudem halten wir auch die grundsätzliche Konstruktion des Wie für fehlerhaft – und grundgesetzwidrig“, meutert Warnecke.

In Kraft getreten ist diese Regelung zwar schon Anfang 2023, aber erst jetzt dämmerte es den Hausbesitzern, was das für sie bedeutet und dass ja auch noch weitere Schritte der geplanten 10-Stufen-Regelung anstehen. Je schlechter das Haus gedämmt ist, desto größer die Belastung für den Ver­mieter. Dass das nicht lange unkommentiert bleibt, war eigentlich erwartbar.

Warum die Eigentümer nun auch meutern?

Der Aufwand wurde für die Hausbesitzer erst zum Jahresende beim Erstellen der Nebenkosten-Abrechnungen evident. Jeder Ver­mieter ermit­telt die Kos­ten­ zwi­schen sich und den Mietern, berück­sich­tigt sie bei der Position Heiz­kos­ten. Bei Zentralheizungsanlagen geht die Kostennote des Brennstoffhändlers an den Eigentümer, der legt das um. Kompliziert wird es bei Gasetagenheizungen oder vermieteten Häusern. Dann erhalten die Mieter die Rech­nung über den Brenn­stoff selbst. Sie sind gefordert, zu ermitteln, wie hoch der CO2-Kos­ten­an­teil des Ver­mie­ters ist und diesem inner­halb von zwölf Monaten eine Rech­nung zu schi­cken. Ver­mieter haben dann ihrerseits zwölf Monate Zeit für die Rückerstattung - eine Verrechnung ist möglich.

Die Bun­des­re­gie­rung hat eigens ein kos­ten­loses Online-Tool bereit­ge­stellt, die Mietern bei der Berechnung helfen soll. Die Anwendung aus dem Bun­des­mi­nis­te­rium für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz fragt Ver­brauch, CO2-Preis und Emis­si­ons­faktor ab, die aus der Brenn­stoff­rech­nung hervorgehen. Das Online-Tool berück­sich­tigt Son­der­fälle wie Gas­herde ohne Zähler oder die Ausnahmen bei Denk­mal­schutz-Objekten. Alles für Mieter ziemlich kompliziert.

Berechnungen der Nebenkosten kompliziert

Richtig unübersichtlich wird die Lage wegen der Energie-Effizienz des Gebäudes. Schränken staat­liche Vor­gaben die Mög­lich­keiten ener­ge­ti­scher Sanie­rungen für Eigen­tümer erheb­lich ein, müssen sie sich weniger stark oder gar nicht am CO2-Preis betei­ligen. Dabei geht es nicht nur um Denk­mal­schutz­-Vor­gaben, die einer Dämmung der Wände ent­ge­gen­stehen könnten. Auch die Lage in Milieu­schutz­-Ge­bieten zählt, wenn es Vor­gaben am Erschei­nungs­bild gibt.

Die nächste Legislatur? Sehr unbestimmt!

Beim Klimageld hat Warnecke übrigens auch kein Verständnis für das Hin und Her. „Das Klimageld für die Bürger muss kommen." Wie kann eine Regierung ein angekündigtes Vorhaben auf die nächste Legislaturperiode verschieben, die womöglich einen Regierungswechsel bringt? Das ist die Gretchenfrage hinter Christian Lindners gebrochenem Versprechen an die Bürger.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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