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René Benkos großer Immobilien-Crash zieht nun KaDeWe-Group in die Insolvenz

Lesezeit: 6 min
31.01.2024 12:48  Aktualisiert: 31.01.2024 12:48
Deutschlands bekanntestes Kaufhaus, das KaDeWe in Berlin, ist in die Insolvenz geraten. Gemeinsam mit dem Alsterhaus in Hamburg und dem Oberpollinger in München gehört es zum Imperium des österreichischen Immobilien-Hasardeurs René Benko. Was bedeutet das und wie geht es weiter?

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Der lange Schatten des René Benko hat nun auch die drei Flaggschiffe des deutschen Einzelhandels eingeholt. Das Berliner KaDeWe, das Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in der Münchner Innenstadt sind in die Insolvenz gerutscht. Es ist die Folge des Zusammenbruchs von Benkos weit verzweigtem Immobilien-Konzern. Nach und nach stürzt gerade die undurchsichtige Gesellschaftsstruktur der Signa-Gruppe wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

KaDeWe-Pleite: Die Mitarbeiter in Berlin kennen sich schon damit aus

Für viele der Mitarbeiter im anno 1907 gegründeten Berliner KaDeWe ist es keine ganz neue Lage. Schon in der Vergangenheit ist das wohl bekannteste deutsche Warenhaus an der Schöneberger Tauentzienstraße immer wieder zum Spielball von Spekulanten und Glücksrittern geworden. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg, damals von Hertie übernommen, galt es deshalb nur als zweite Wahl - das im Krieg ausgebombte Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz war der unbestrittene Platzhirsch unter den Berliner Shopping-Palästen.

Weltberühmt und zur Attraktion von Berlin-Besuchern wurde das KaDeWe erst später im alten West-Berlin während des Kalten Krieges. Für Diplomaten und handverlesene Kundschaft aus Ost-Europa wurde es zum wahren Schaufenster des Westens. Die Feinschmecker-Etage im Obergeschoss galt das Sinnbild des hedonistischen Kapitalismus - alles vorrätig zu halten, egal ob frischen Fisch oder exotisches Frischobst, war die Devise. Und auch heute besteht die Kundschaft wieder zu 50 Prozent aus Berlin-Besuchern - bei Touristen sitzt das Geld lockerer als bei den Bürgern in der Hauptstadt.

Doch seit der Wiedervereinigung ist alles anders. Um den Waren-Abverkauf geht es schon lange nicht mehr allein, das alte Geschäftsmodell von Gründer Adolf Jandorf ist passé. Sechsmal wurde das Haus im Laufe der letzten 100 Jahre umgebaut und auf über 60,000 Quadratmeter erweitert. Siebenmal änderten sich auch die Betreiber. Zuletzt ging es in erster Linie um Mietverträge und Konzessionsgeschäfte - das neue Shop-in-Shop-Modell des modernen Warenhausgeschäfts. Im Kern also dreht sich Business um Immobilien-Deals.

„Ich kann mich noch gut an Thomas Middelhoff zu Zeiten von QuelleKarstadt erinnern", sagt ein älterer Mitarbeiter. „Der hat auch versucht, unser Kaufhaus mit überhöhten Mietforderungen auszusaugen." Das KaDeWe war damals noch das Aushängeschild des traditionsreichen Karstadt-Konzerns, die vom Versandhändler Quelle aus Fürth übernommen worden war. Ein Umstrukturierungsplan Middelhoffs schlug fehl - die in der neuen Arcandor AG gebündelten Kaufhäuser gingen 2009 pleite. Die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, die Middelhoff blindlinks gefolgt war, büßte ein Vermögen ein, nun gut 400 Millionen Euro sind wohl noch über.

Der deutsch-amerikanische Spekulant Nicolas Berggruen und sein von ihm geschmiedetes Immobilien-Konsortium namens Highstreet (mit Goldman Sachs und Deutscher Bank) übernahm 2010 die Kaufhäuser, um sie 2012 an die österreichische Signa-Gruppe René Benkos weiterzureichen. Ein schönes Geschäft für die Finanz-Jongleure. Für die Mitarbeiter kommt bei Pleiten derweil bekanntlich vor allem die Arbeitsagentur mit der Zahlung des Insolvenzgeldes auf. So läuft die moderne Arbeitsteilung und Rückversicherung oft, wenn es um zwielichtige oder riskante Geschäftsmodelle geht. Der Steuerzahler federt alle Probleme zumeist geduldig ab.

CEO der KaDeWe-Group möchte Fesseln aus Mietverträgen abschütteln

Nun heißt es also schon wieder: Land unter im Kaufhaus-Paradies. Wobei die Lage bei den drei Shopping-Tempeln diesmal deutlich besser ausschaut als bei den ebenfalls vom Benko-Crash betroffenen Galeria-Kaufhäusern bundesweit. Die KaDeWe-Group hat ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg beantragt - dem wurde stattgegeben. Rechtsanwalt Christian Graf Brockdorff wurde als sogenannter Sachwalter berufen. So soll der Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten bleiben und das Unternehmen geschützt werden. Auch beim Carsch-Haus in Düsseldorf und dem Lamarr in Wien soll es weitergehen, sie werden gerade umgebaut und sollen 2025 das Luxus-Segment der KaDeWe-Group erweitern.

Worum es Michael Peterseim, dem Chef der KaDeWe-Group, vor allem geht, ist die Fesseln der bestehenden Knebelverträge mit Benkos Signa-Gruppe abzuschütteln. Im Kern geht es um dessen unvorteilhafte Index-Mietverträge, die die wirtschaftlich eigentlich recht gut laufenden Geschäfte der Warenhäuser immer schwerer belastet haben - zugunsten der Immobilien-Sparte Benkos, auf Kosten der Handelshäuser. Die Mieten seien leider „nicht marktüblich" und sollen „sogar weiter ansteigen", beklagt Peterseim. So sollen angeblich bis zu 20 Prozent des Umsatzes an die Eigentümer fließen, wo sie in der Bilanz als vermeintliche sichere Einnahmen für ein immer schneller rotierendes Rad bei der Schuldenaufnahme gesorgt habe, an dem Benko drehte.

In der Berliner Politik ist man entsprechend sauer, dass Vater Staat wieder mal Feuerwehr spielen soll, um das Kaufhaus und die Arbeitsplätze zu retten. Die Wirtschaftsverwaltung hat eigens eine „Task Force Warenhäuser" eingerichtet, um das KaDeWe und die Galeria-Standorte zu retten. Senatorin Franziska Giffey (SPD) prangerte Benkos „Knebelmietverträge" an und verwies darauf, dass man gemeinsam mit dem Bund schon während der Corona-Flaute mit Millionen an Bürgschaften eingesprungen sei. Womöglich wird die öffentlich Hand bis zu einer Milliarde einbüßen, argwöhnen bereits die ersten Steuer-Experten.

Die Insolvenz könnte CEO Peterseim immerhin helfen, dieses einst von Benko ausgeklügelte Abschöpf-Modell zu überwinden. „Alle Häuser verzeichnen auch in volkswirtschaftlich schwierigen Zeiten steigende Umsätze", beteuert der CEO der KaDeWe-Group. Im vergangenen Geschäftsjahr habe das Unternehmen überhaupt das umsatzstärkste Jahr seiner Unternehmensgeschichte verzeichnet, heißt es. Bei 728 Millionen Euro Umsatz seien 24 Prozent mehr erwirtschaftet worden als im Vor-Corona-Jahr. Das Insolvenzrecht erlaubt es nun, die Verträge allmählich an die Realität anzupassen.

KaDeWe erlebte das umsatzstärkste Jahr der Firmengeschichte

Eigentlich ist vor allem das KaDeWe eine kleine Sensation angesichts der generellen Konsum-Flaute in Deutschland. Nur dass kaum etwas in der Kasse geblieben ist davon. Ein Trick, den Benko nicht exklusiv hatte, sondern einst schon Überflieger Thomas Middelhoff ins Trudeln gebracht hat - und schließlich in den Knast.

„Eigentlich ist das Geschäftsmodell der drei Luxus-Kaufhäuser super sexy und lukrativ", sagt eine Insiderin des Unternehmens. „Die wahre Tragik der Benko-Pleite ist allerdings im benachbarten Block zwischen Passauer und Nürnberger Straße zu besichtigen, wo jetzt Bauruinen an das schicke KaDeWe angrenzen." Dass ehemalige Ellington-Hotel wurde leergezogen und das alte Parkhaus des Kaufhauses abgerissen. Doch nach den ersten Hiobsbotschaften aus dem früheren Benko-Imperium sind die Bauarbeiten schon im November eingestellt worden und die Arbeiter abgerückt.

Verblieben ist quasi eine Trümmerlandschaft in der geschäftigen City-West - aber auch an etlichen anderen Standorten hat der Crash weitere Baustellen lahmgelegt, nicht nur in Berlin. In Hamburg ist vor allem der Benko-Tower an der Elbe als „halber Olaf" in die Schlagzeilen geraten. Keiner weiß, ob die Hansestadt selbst oder der steinreiche Schweizer Ko-Investor und bekennende Fan des Hamburger SV, Klaus Michael Kühne (Kühne & Nagel, Hapag-Lloyd), das abgebrochene Projekt fortsetzen und retten werden.

Familienunternehmen aus Bangkok könnte zum weißen Ritter werden

Beim KaDeWe könnte es das „Glück im Unglück" sein, so raunen Mitarbeiter am Personaleingang, dass Rene Benko bereits vor seinem Niedergang von 50,1 Prozent der Anteile an seinen Luxus-Kaufhäusern an die thailändische Central-Group abgegeben hat, die der Milliarden schweren thailändischen Familie Chirathivat aus Bangkok gehört. Sie hat vermutlich großes Interesse auch Benkos restliche Hälfte einzusammeln in Folge des Insolvenzverfahrens. Wohl nicht um jeden Preis, aber die Thais sitzen nun einmal beim Verfahren im Fahrersitz und können es sich erlauben abzuwarten.

Das asiatische Handelsimperium in dritter Generation wird im eigenen Interesse sicherstellen, dass die guten Geschäfte weitergehen, KaDeWe und die anderen Häuser der Gruppe möglich unbeschadet aus dem ganzen Schlamassel hervorgehen.

Die Chirathivats kennen sich aus im High-Price-Geschäft. Sie betreiben nicht nur das edelste Shopping-Mall Bangkoks, sondern zählen mit einem Vermögen von zwölf Milliarden Dollar zu den wohlhabendsten Familien in ihrem Heimatland. Eigentlich nur der König von Siam ist noch reicher als sie.

Börsenkurse von LVMH und Kering beweisen: Luxus lockt Kunden an

Der CEO des Familienunternehmens, Tos Chirathivat (59), der jüngste Enkel des einst aus China nach Thailand ausgewanderten Firmengründers. ist jedenfalls schon länger auf Expansionskurs. Insbesondere in Europa hat die Central-Group große Pläne. Die Kriegskasse ist gut gefüllt, und das Geschäftsmodell mit Luxuswaren zieht unvermindert Kundschaft an - und zwar weltweit, wie auch die Börsenkurse von multinationalen Konzernen wie LVMH (Louis Vuitton, Moet Hennessy und Marken wie Christian Dior, Givenchy, Bulgari) und Kering (u.a. Gucci, Brioni, Balenciaga und Alexander McQueen) eindrucksvoll zur Schau stellen. Das Brot-und-Butter-Geschäft der Edel-Boutiquen.

Vor dem Engagement bei Benkos KaDeWe-Group waren die Thais in Italien schon bei der Luxus-Kette La Rinascente mit ihrem Stammhaus am Mailänder Dom und in Dänemark das Illum übernommen. „Deutschland ist auf unserer Landkarte, weil es die größte Volkswirtschaft Europas ist", bekannte Aufsichtsrat Sudhitham Chirathivat in einem Interview. Durch den Deal mit Benko konnte die Central-Group ihren Umsatz in Europa bereits jetzt gut und gerne verdoppeln. Das lässt die Mitarbeiter auf eine bessere Zukunft hoffen - und auf Beendigung der fragwürdigen Immobilien-Deals.

Die Leidtragenden könnten am Ende die Händler sein, die Shops und Stände in den großen Kaufhäusern angemietet haben. „Das betrifft bestimmt gut die Hälfte aller Flächen im Haus", schätzen die Mitarbeiter im KaDeWe. Die sind von der Insolvenz nicht direkt betroffen, beklagen gleichwohl erkleckliche Außenstände.

Die Crux mit dem Shop-System: Viele Stände von Selbständigen betrieben

In der Feinschmecker-Etage in der sechsten Etage etwa, wo viele selbständige Betreiber von Food-Ständen keine Zahlungen mehr erhalten haben. Weil die Umsätze an das Management gleich weitergeleitet und zunächst mit Mieten sowie Nebenkosten verrechnet wurden, so sagen Betroffene, stehen manche nun mit Ausständen im sechsstelligen Bereich im Minus. Sie wissen nicht, ob sie ihr Geld je bekommen werden. Insolvenzgeld gibt es für sie auch nicht - nur die Chance durchzuhalten und auf den nächsten sonnigen Frühling im KaDeWe zu hoffen.

Vielleicht wird es ja sogar eine Renaissance für Konsum-Tempel in Deutschland auslösen. Wer weiß, wie umfassend sich die thailändischen Teilhaber bei uns noch engagieren wollen.

 

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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