Unternehmen

Mittelstand: Das Wachstumschancengesetz bleibt hinter den Erfordernissen zurück

Die Hoffnungen der Wirtschaft im Allgemeinen und des Mittelstands im Besonderen ruhten auf dem neuen Wachstumschancengesetz, das nach der Verabschiedung im Bundestag nun im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat verhandelt wird. Doch von den großen Hoffnungen ist nicht viel übriggeblieben, wie der Chef-Volkswirt des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft (BVMW), Hans-Jürgen Völz, im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten darlegt.
Autor
01.02.2024 09:35
Aktualisiert: 01.02.2024 09:35
Lesezeit: 3 min
Mittelstand: Das Wachstumschancengesetz bleibt hinter den Erfordernissen zurück
Mittelstands-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz: Gesetz nicht hinreichend ambitioniert (Foto: BVMW)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten (DWN): Die Wirtschaft und Ihr Verband setzen sich seit Langem für ein Wachstumschancengesetz ein, um unter anderem auch die überbordende Bürokratie zurückzuschneiden. Sind Sie mit dem Gesetzentwurf zufrieden?

Hans-Jürgen Völz: Nicht wirklich. Das ganze Gesetz ist so, wie es dem Bundesrat zugeleitet wurde, deutlich zu wenig ambitioniert. Es hat erkennbar in dieser Koalition an Mut gefehlt. Dies gilt im Übrigen auch für das Bürokratieabbaugesetz IV.

DWN: Woran machen Sie das fest.

Völz: Ganz einfach: Anfang des vergangenen Jahres hat das Statistische Bundesamt im Auftrag des für den Bürokratieabbau federführenden Bundesjustizministeriums eine Verbändeumfrage durchgeführt, in der nach konkreten Vorschlägen zum Abbau der Bürokratie gefragt wurde. Insgesamt kamen 450 Vorschläge zusammen. Was vermuten Sie, wie viele finden sich nun in im Gesetz wieder?

DWN: Sie werden es uns sicher gleich sagen…

Völz: … gerade mal elf! Sicherlich hat es bei den Vorschlägen der Verbände auch die ein oder andere Doppelung gegeben. Dass aber am Ende von 450 nur elf Vorschläge übrigblieben, spricht nun nicht gerade für einen ambitionierten Rückbau der Bürokratie.

DWN: Womit erklären Sie sich diese Zurückhaltung?

Völz: Das ganze Vorhaben hatte schon gleich am Anfang einen eher holprigen Start gehabt. Normalerweise hätte ja der Bundeswirtschaftsminister die treibende Kraft beim Abbau der Bürokratielasten für die Wirtschaft sein müssen. Davon war aber nichts zu spüren. Nicht nur, dass die Federführung nicht beim Wirtschaftsminister, sondern beim Justizminister lag, war ungewöhnlich, auch sonst gehörte der Wirtschaftsminister zusammen mit dem Arbeitsminister eher zu den Bremsern. Da war es natürlich für den auf weiter Flur alleine stehenden Justizminister nicht einfach.

DWN: Nun sind ja die Alarmzeichen auch beim besten Willen nicht mehr zu übersehen, man hat das Gefühl, Deutschland werde gerade nach hinten durchgereicht. Was machen die anderen gerade besser?

Völz: Die Bundesregierung verzettelt sich in sündhaft teuren Einzelmaßnahmen. Ein Beispiel: Als das Wachstumschancengesetz angeschoben wurde, hatte der Bundesfinanzminister noch davon gesprochen, dass die Wirtschaft damit um sieben Milliarden Euro entlastet werde. Davon sind jetzt gerade mal drei Milliarden geblieben – und das für die gesamte Wirtschaft in Deutschland. Demgegenüber werden aber rund 15 Milliarden Euro an Subventionen für Chipfabriken in Dresden und Magdeburg an zwei internationale Konzerne ausgezahlt. Die Proportionen stimmen hinten und vorne nicht. Es müsste eigentlich die Aufgabe sein, die Investitionsbedingungen in Deutschland für die gesamte Wirtschaft zu verbessern – durch bessere Bildung, Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung und ein international wettbewerbsfähiges Steuerrecht. Das vorausgeschickt wird schnell klar, wo andere besser sind. Beispiel USA: Die Steuern sind dort niedriger – und zwar für Unternehmen wie auch für Verbraucher, was wiederum die Nachfrage ankurbelt. Die Energiepreise sind deutlich niedriger. Die Bürokratielasten sind geringer und ein demographisches Problem mit Arbeitskräftemangel haben die USA auch nicht.

DWN: Gibt es etwas, was das Wachstumschancengesetz nach Meinung Ihres Verbandes klar verbessert?

Völz: Es gibt gute Ansätze. Die degressive Abschreibung von Anlagen ist durchaus ein Mittel, damit sich Investitionen früher rentieren, auch die Verlängerung der Verlustrechnung von zwei auf drei Jahren verbessert die Investitionsbedingungen. Beides kann für Unternehmen ein Anreiz sein zu investieren. Jedoch klappt das nur dann, wenn auch das allgemeine Wirtschafts- und Investitionsklima in Deutschland stimmt. Aber dafür bräuchte es zusätzliche Schritte.

DWN: Welche wären das?

Völz: In unserem Verband haben wir mit 370 erfolgreichen Unternehmern aus dem Mittelstand eine Strategie entwickelt, wie Deutschland aus der Krise kommt. In dem Papier, das den Titel „Neustart Deutschland“ hat, haben wir sechs Felder mit dem höchsten Reformbedarf identifiziert: Das geht von Bürokratieabbau über Energie, von Arbeit, Steuern bis hin zum Wohnungsbau. So fordern wir die Schaffung einer staatlichen Anlaufstelle für Neugründungen oder Betriebsummeldungen. In dieser Stelle werden sämtliche Anträge digital eingereicht und vor dort aus an die verschiedenen Stellen weitergeleitet. Zudem halten wir die Einführung einer sogenannten Genehmigungsfiktion für wesentlich. Das heißt: Ein Antrag gilt automatisch als bewilligt, wenn bestimmte Fristen von der Verwaltung nicht eingehalten werden.

DWN: Was würden Sie in den Bereichen Steuern und Finanzen für dringlich halten?

Völz: Die Sozialversicherungsbeiträge übersteigen die Schallmauer von 40 Prozent. Das heißt, für den Arbeitnehmer bleibt weniger netto vom brutto. Dies wiederum hat die Folge, dass dies den Konsum belastet und die Unternehmen einem höheren Lohndruck ihrer Mitarbeiter unterliegen, die verständlicherweise den inflationsbedingten Kaufkraftverlust ausgleichen möchten. Was das für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen bedeutet, lässt sich leicht ausmalen. Wir fordern deshalb die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Das jährliche Aufkommen aus dem Rest-Soli beträgt rund zwölf Milliarden Euro. Diese Summe wird zu zwei Drittel von rund 500.000 Unternehmen gezahlt, die den Soli unverändert auf die Körperschaftssteuer zahlen. Es wäre viel besser, die Unternehmen könnten dieses Geld für Investitionen in Forschung und Entwicklung verwenden. Nicht zu vergessen eine Senkung der Unternehmenssteuern auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Geschäftsklima: Deutsche Unternehmen trotzen globalen Risiken
24.04.2025

Während weltweit wirtschaftliche Sorgen zunehmen, überrascht der Ifo-Index mit einem leichten Plus. Doch der Aufschwung ist fragil: Zwar...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktive ETFs: Wie US-Finanzriesen Europa erobern und was das für Anleger heißt
24.04.2025

Amerikanische Vermögensverwalter drängen verstärkt auf den europäischen Markt für aktiv gemanagte ETFs, da hier im Vergleich zu den...

DWN
Politik
Politik Meloni wird Trumps Brücke nach Europa
24.04.2025

Giorgia Meloni etabliert sich als bevorzugte Gesprächspartnerin Donald Trumps – und verschiebt das diplomatische Gleichgewicht in Europa.

DWN
Politik
Politik Rot-Grüner Koalitionsvertrag für Hamburg steht
24.04.2025

SPD und Grüne wollen in Hamburg weiter gemeinsam regieren – trotz veränderter Mehrheitsverhältnisse. Der neue Koalitionsvertrag steht,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Warum irische Firmen im deutschen Green-Tech-Boom Milliardenwachstum anstreben
24.04.2025

Irlands Green-Tech-Firmen erobern den deutschen Markt – mit strategischem Fokus auf Energie, Infrastruktur und Digitalisierung.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der Goldpreis fällt – Ist der Gipfel bereits überschritten?
24.04.2025

Nach einem historischen Rekordhoch hat der Goldpreis nun zum zweiten Mal in Folge deutlich nachgegeben – ein möglicher Wendepunkt am...

DWN
Politik
Politik USA und China: Handelsgespräche stehen still – Trump setzt weiter auf Eskalation
24.04.2025

Washington und Peking liefern sich einen erbitterten Handelskrieg – von Verhandlungen fehlt jede Spur. Trumps Strategie setzt weiter auf...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Trump glaubt an Deal mit Moskau – und kritisiert Selenskyj
24.04.2025

Donald Trump sieht eine Einigung mit Russland zum Greifen nah – und gibt Präsident Selenskyj die Schuld an der Fortdauer des Krieges....