In vielen Fällen überwiegt wohl die „Rhetorik der Exzellenz“. Die Fakten jedenfalls umreißen ein sehr differenziertes Bild mit überraschenden Veränderungen. Zugegeben das BIP in den USA ist mit 76.400 Dollar pro Kopf um 60 Prozent höher als in Deutschland. Die Bundesrepublik liegt indessen vor allem bei der Gesundheit und der sozialen Absicherung vor dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Und auch viele Amerikaner haben das inzwischen für sich erkannt. Der Wind über dem Atlantik hat sich spürbar gedreht. Zeit für einen Blick in ganz neue Reality-Formate!
Seit 2006 schon ist die Doku-Soap „Goodbye Deutschland“ über deutsche Auswanderer ein Quoten-Garant beim Privatsender Vox. Zwischen ein und zwei Millionen Zuschauern wöchentlich schwanken ziemlich konstant die Einschaltquoten am Montag - und demnächst nun wieder zur besten Primetime freitags.
Was macht Wurst-Guru Töpperwien und woran bastelt Konny Reimann?
Wen heiratet Wurst-Guru Chris Töpperwien aus Neuss als nächstes in Hollywood? Wann baut Deutschlands bekanntester Handyman Konny Reimann aus Hamburg endlich mal Hawaiis historische Hauptstadt Lahaina wieder auf, die 2023 bei den Waldbränden und Buschfeuern auf Maui weitgehend zerstört worden ist?
In Amerika groß rauskommen! Für viele Deutsche ist das immer noch ihr großer Traum. Wer weit weg will, versucht sein Glück meist dort. Nur die Schweiz und Österreich liegen - wenig überraschend - in der amtlichen Auswanderer-Statistik davor.
Seit Donald Trump und Joe Biden hat sich das Bild allerdings gedreht: Während „The American Dream“, eine Service-Agentur für die amerikanische Green Card-Lotterie, im vergangenen Jahr in Europa diesmal Deutschland mit 466 glücklichen Gewinnern auf Platz 1 zählte, sind Zigtausende Amis den umgekehrten Weg gegangen.
Auch so mancher Remigrant ist darunter, um das Wort mal korrekt zu verwenden. Menschen wie Chris Johnson aus Los Angeles, der als Stuntman und Schauspieler in seinem Berufsleben viel Spaß und auch Anerkennung erlebt hat, und nun vor allem der Krankenversicherung halber in die Filmstadt Berlin umgezogen ist.
Junge Amis und Remigranten machen rüber über den großen Teich
Die Amerikaner machen zunehmend rüber über den großen Teich - laut dem US-Forschungsinstitut Gallup wollen 17 Prozent der Amerikaner ihr Land am liebsten verlassen. Im Zeitraum 2013 bis 2022 stieg ihre Zahl in den Niederlanden von 15.500 auf 24.000, in Spanien von 20.000 auf 34.000 und in Portugal verdreifachte sie sich auf fast 10.000. Das fand die britische Zeitschrift „The Economist“ aus London heraus. „Gute Gesundheitsversorgung, besserer öffentlicher Verkehr, weniger Waffengewalt. Es gibt Rassismus, aber dieser ist viel weniger tödlich“, erklärt Amanda Klekowski von Koppenfels von der University of Kent den anhaltenden Trend.
Besonders beliebt ist inzwischen aber auch Deutschland. Exakt 19.186 US-Amerikanerinnen und Amerikaner sind nach Angaben des statistischen Bundesamtes Wiesbaden anno 2019 hierher gekommen - digitale Nomaden, Young Urban Professionals, viele Künstler. Im Jahr 2016 verzeichnete die amtliche Statistik sogar 20.736 Zuwanderer mit US-Staatsangehörigkeit. Seit 2017 zogen insgesamt mehr Personen aus USA nach Good Old Germany als umgekehrt - der Begriff ist in den USA rein positiv gemeint und spielt auf so geschätzten deutschen Tugenden wie Disziplin, Kompetenz, Ausdauer, Gerechtigkeit und Strebsamkeit an. Zahlen, die natürlich nach Erklärungsmustern verlangen. Zumal der von den Demokraten lauthals angekündigte Exodus ausgeblieben ist. Unter Biden sind es sogar eher mehr geworden. Woran liegt das?
Der Wohlstandsvergleich USA Deutschland: „Germany outperforms"
Das Düsseldorfer Institut für Makro-Ökonomie und Konjunkturforschung (IMK), in der Hans-Böckler-Stiftung beheimatet und somit dem Gewerkschaftsbund DGB nahestehend, hat die Parameter erweitert und über den wirtschaftlichen Fokus hinaus die Tiefen neu ausgelotet. „Germany outperforms the U.S.“ lautet die griffige Überschrift für die englischsprachige Ausgabe der IMK-Studie. Eine kleine Kampfansage, so möchte man meinen.
Also recht wohlhabend ist er schon, der Onkel aus Amerika. Die Kapitaleinkommen der Deutschen sind vergleichsweise schmal - vermutlich weil die Amerikaner es mit den Aktien raushaben. Er konsumiert deshalb gerne, der US-Bürger, jedenfalls viel mehr als der Deutsche. Reisen tut er weniger, keine Zeit - und America first!
Der Ökonom Jan Priewe kennt alle diese Fakten auch, lässt sie dennoch nur für die „klassischen Kennzahlen“ der Wirtschaftswissenschaftler und deren Excel-Tabellen gelten. Priewe hat jedenfalls für sein Untersuchungs-Jahr 2022 gleich stolze 80 Indikatoren aus 15 unterschiedlichen Themenbereichen miteinander verglichen. Von der Lohnhöhe bis zu Verteilung der Einkommen. Er hat die Wohnsituation beider Länder berücksichtigt, die Single-Haushalte und die der Rentner, die Gerechtigkeit unter den Geschlechtern und zwischen den Ethnien und den Faktor Lebensgestaltung im Vergleich von Arbeitsleistung zur Freizeit.
1811 Stunden schuften in USA, deutsche Vielflieger reißen nur 1341 ab
Bei 10 seiner 15 ausgewählten Bereiche liegt Deutschland vor den USA. Besonders krasse Unterschiede stechen in den Bereichen öffentliche Sicherheit, Gleichstellung der Bürger, Gesundheit und Umwelt und bei der allseits beliebten Work-Life-Balance hervor - während Deutsche laut Priewes Angaben 1341 Stunden im Jahr arbeiten, schuften die Amerikaner durchschnittlich 1811 Stunden, weil ihre Ansprüche auf Urlaub niedriger sind und es in Deutschland weit mehr Teilzeitjobs gibt. Der Niedriglohnsektor ist insgesamt kleiner und der über alle Regionen ermittelte Stundenlohn höher.
Was im Ergebnis für die Ungleichheit zwischen den Ländern heißt: dass diese größer ist in den USA als hierzulande! 15 Prozent sind arm in Amerika, in Deutschland elf Prozent - schockierend, weil jeder ehrlicherweise vermutet hätte, der Unterschied sei größer. Dass die Gesundheitsversorgung in den USA Spitze ist, aber sündhaft teuer ahnte man bereits. So gibt es tatsächlich weniger Ärzte und Krankenschwestern pro 100.000 Einwohner. Der Grund ist das weitgehend freiwillige Versicherungssystem. Die Amerikaner sind damals auf die Barrikaden gegangen, als Hillary Clinton in der Amtszeit ihres Mannes etwas daran ändern wollte. Sie befürchten noch heute, die Demokraten wollen den Kommunismus einführen.
Es gibt weitere interessante Vergleiche. Es wäre schade, sie aus Zeitgründen zu verschweigen. Kündigungs- und Tierschutz gibt es in den USA kaum bzw. nur in vereinzelten Bundesstaaten. Mehr tödliche Arbeitsfälle weist die Studie aus in den USA, und eine niedrigere Lebenserwartung als in Deutschland. Die Treibhausgase sind doppelt so hoch wie in Deutschland - dafür die erneuerbaren Energien nur halb so weit verbreitet wie im Land der Windanlagen und Solarpanels. Dafür wird mehr Geld in Forschung und Bildung gesteckt - dort sechs Prozent, hier nur 4,4 Prozent. Priewe räumt ein, wie schwer vergleichbar dieser Wert ist. Bei uns müsste eigentlich die duale Berufsausbildung mit berechnet werden.In den USA die sehr unterschiedliche Finanzierung von Hochschulen wie Harvard, Yale und Stanford etwa, die Zuwendungen und Spenden bekommen und so eigenes Anlagevermögen verfügen, von den deutsche Unis nur träumen können.
Soziale Marktwirtschaft hüben und liberaler Kapitalismus drüben! Den Mindestlohn gibt der Ökonom für die USA mit 7,25 Dollar an - das er in Kalifornien für alle Fast-Food-Lokale etwa inzwischen vom demokratischen Gouverneur Gavin Newsom auf 20 Dollar die Stunde angehoben wurde in 2023, kam als Info zu spät für die Studie - da lag er noch bei 15,50 Dollar. Folge der regionalen Unterschiede in den US-Bundesstaaten. Also zwar nicht wie bei uns zwischen den Bundesländern, gleichwohl vergleichbar mit manch anderen EU-Staaten, zum Beispiel Bulgarien und Rumänien.
Tötungsdelikte und Knast - was Amerika ins Hintertreffen bringt
Ganz schlimm ist es bei Gewaltverbrechen - bei Tötungsdelikten und Inhaftierten je 100,000 Einwohner sei das Verhältnis 8 zu 1 - noch so eine Überraschung! Wo doch die USA und Russland bei den Waffen ganz vorne und beim Töten dadurch beide traditionell am Ende der Weltrangliste rangieren. Deutschland liegt in Priewes Statistik auf Platz 43 international - auch nicht sehr ermutigend.
Doch kehren wir wieder zurück zum American Dream, den sich ja nicht wenige Deutsche auch weiterhin erträumen - und die gut gebildeten Amerikaner sich inzwischen abschminken. Big Spender und Superreiche, die am liebsten per Yacht anlegen in den romantischen Häfen und Insel-Buchten Europas, sind zwar immer besonders oft Amerikaner (oder russische Oligarchen), das ist mal sicher. Reiche Deutsche sind aber neuerdings vom Pass her lieber Schweizer. Es gibt noch ganz viele Faktoren, die unbedingt in der nächsten Studie für den Deutschen Gewerkschaftsbund Berücksichtigung finden sollten: Die Oscars, die Grammys, NBA und Basketball-League-Pass, vor allem die Super-Bowl-Parties.