Finanzen

DWN-Interview: US-Dollar verliert an Glanz – Weltfinanzsystem vor dem Umbruch?

Lesezeit: 10 min
13.02.2024 06:15
Noch hat der US-Dollar seine Position als Weltleitwährung nicht eingebüßt, doch er verliert langsam an Boden. Gerade die BRICS- Staaten versuchen, sich aus den Zwängen des aktuellen Weltfinanzsystems zu befreien. Ob ihnen das gelingen kann und welche Rolle dabei Gold und Kryptowährungen spielen können, darüber sprachen die Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit Thomas Bachheimer, Generalsekretär des Goldstandard Institutes Europa.
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DWN: Sie leben in Dubai. Wie ist die Stimmung da? Kriegen Sie etwas von den Spannungen um die Huthis und den Palästina-Konflikt mit?

Thomas Bachheimer: Obwohl der Vorfall mit der Hamas im Oktober in dieser Region nahezu unbemerkt blieb, zeichnet sich bei den Spannungen mit den Huthis eine Veränderung ab. Diese Veränderung manifestiert sich nicht unmittelbar auf den Straßen oder in Gesprächen mit den Einheimischen, sondern wirkt sich praktisch auf das alltägliche Leben aus. Seit Beginn des Jahres ist ein signifikanter Rückgang der Touristenzahlen in Dubai zu verzeichnen, obwohl dies normalerweise die Hochsaison ist. Im Vergleich zum Vorjahr ist bvon der gewohnten Belebung kaum etwas zu spüren. Dies führt auch zu einem Rückgang der Mietpreise für Langzeitmietwohnungen, da viele Vermieter flexibel zwischen Einjahresverträgen und Monatsmieten wechseln, abhängig von der Nachfragesituation.

Ich stehe vor der Aufgabe, im März meinen neuen Jahresmietvertrag auszuhandeln, und es scheint, als könnte ich die gleichen Konditionen wie im Vorjahr erreichen – ein in Dubai äußerst seltenes Phänomen, da die Mieten hier üblicherweise regelmäßig steigen, in manchen Jahren sogar im zweistelligen Prozentbereich. Die Einwohner Dubais scheinen die Ereignisse am Golf entspannter zu betrachten als Außenstehende. In der hohen Politik jedoch zweifelt niemand daran, dass der Iran in den aktuellen Vorfällen eine bedeutende Rolle spielt. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Königreiche am Golf ihren bemerkenswerten Wohlstand nicht nur durch die hervorragende Ausbildung ihrer heutigen Herrscher und ihre Vorkommen fossiler Brennstoffe erreicht haben, sondern auch durch langfristige dynastische Planung und entsprechendes Handeln.

Seit 1979 strebt der Iran danach, dass diese Länder seinem Beispiel folgen und zu islamistischen Republiken werden. Aus diesem Grund verhalten sich die Herrscher, die religiös und kulturell eng mit den Palästinensern verbunden sind, in Bezug auf eine Einmischung in den Konflikt in Gaza zurückhaltend. Sie befürchten, dass ein Sieg der Minderheit in Israel Begehrlichkeiten nach einer islamistischen Revolution in der Golfregion wecken könnte. Auf den Straßen jedoch zeigt sich eine deutliche Unterstützung für Palästina. Dies stellt ein Paradoxon unserer Zeit dar.

DWN: Sie haben als einziger Zentraleuropäer am vergangenen BRICS-Gipfel in Südafrika teilgenommen. Wie war es da und was für Erkenntnisse haben Sie mit nach Hause genommen?

Thomas Bachheimer: Ich war vermutlich der Einzige, der an dem besagten Meeting teilgenommen hat – abgesehen von einem SWR-Kameramann, der jedoch nach kurzer Zeit wieder verschwand. In Europa schien man dieses Treffen bewusst herunterzuspielen oder gar zu ignorieren.

Mein Interesse an den BRICS-Staaten wurde vor etwa sechs Jahren durch einen Hinweis eines russischen Freundes geweckt. Schon 2018 prognostizierte er eine Neu-Polarisierung der Welt und eine Intensivierung der Aktivitäten der BRICS-Länder. Vor zwei Jahren erfuhr ich, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate beabsichtigen, den BRICS beizutreten, was auch der Grund für die Eröffnung einer Filiale unserer Firma GVS/Goldvorsorge hier war. Aus diesem Grund setzte ich alles daran, als Beobachter an der Konferenz teilnehmen zu können, insbesondere wegen der Spekulationen über eine mögliche neue BRICS-Gemeinschaftswährung.

Die Teilnahme war äußerst aufschlussreich. Keine Berichterstattung hätte mir die Entschlossenheit der Teilnehmer so vermitteln können wie meine direkte Anwesenheit. Die Äußerungen der Konferenzteilnehmer waren keine diplomatischen Floskeln, sondern selbstbewusste und kämpferische Statements. Der südafrikanische Präsident Ramaphosa leitete das Gipfeltreffen souverän und selbstbewusst und war mit seiner Direktheit die Überraschung der Konferenz. Eine der wichtigsten Erkenntnisse war neben der Aufnahme neuer Mitglieder die Erkenntnis, dass die BRICS-Staaten zusammen mit der Afrikanischen Union sich ihrer globalen Bedeutung bewusst sind. Sie betonten, dass sie in Bezug auf Bevölkerung und Bruttoinlandsprodukt (BIP) den sogenannten Westen übertroffen haben und nun „mit einer Stimme“ sprechen wollen, um der Dominanz des Westens entgegenzutreten.

Aber es ging nicht nur um verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit, sondern auch darum, dem Westen die Deutungshoheit in Fragen der Weltordnung zu entziehen. Ramaphosa betonte, dass es inakzeptabel sei, dass die USA und die NATO-Staaten, die nur einen kleinen Teil (4 bzw. 13 Prozent) der Weltbevölkerung ausmachen, bestimmen, wer gut oder böse ist und wie die Weltordnung aussehen soll. Er unterstrich, dass die Stimme der Mehrheit der Menschheit in der künftigen Weltgestaltung ein gewichtiges Wort mitzusprechen hat.

Die Anwesenheit des UN-Generalsekretärs Guterres bei einer Konferenz, die sich mit der Überwindung der Nachkriegsordnung befasste, war besonders bemerkenswert. Guterres begrüßte ausdrücklich die bevorstehende Multipolarität in der globalen Entscheidungsfindung, was ich nie für möglich gehalten hätte. Der Anspruch auf Mitsprache in der Weltregierung ist überfällig, aber dennoch ambitioniert. Es bleibt abzuwarten, ob der Westen bereit sein wird, die Planung des Weltgeschehens aus der Hand zu geben.

Was viele in Europa nicht wissen, ist, dass nicht nur die BRICS-Staaten und ihre Aspiranten, sondern auch alle Staatschefs der 55 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union eingeladen waren. Der gesamte "globale Süden" hatte hier auch die Möglichkeit, seine Perspektiven darzulegen. Neben den bereits erwähnten Punkten wurde klar, dass BRICS, der globale Süden und insbesondere Afrika bei der Rohstoffgewinnung eng zusammenarbeiten werden, damit die Afrikaner wirtschaftlich von ihrem Kontinent profitieren können. Fast alle Staatschefs sprachen auch über die Notwendigkeit einer raschen Ent-Dollarisierung, um die wirtschaftliche Stärkung Afrikas zu fördern.

DWN: Wie wichtig ist die Rolle des Dollars als Weltleitwährung denn für die Weltmachtstellung der USA? Und was könnten die BRICS dem denn entgegensetzen?

Thomas Bachheimer: Der US-Dollar spielt eine zentrale Rolle in der Aufrechterhaltung der Supermachtstellung der Vereinigten Staaten, hauptsächlich aus drei Gründen:

  • Wirtschaftliche Dominanz, weil der US-Dollar die führende Währung für internationale Transaktionen ist, einschließlich Handel und Finanzierung. Diese dominante Stellung spiegelt die ökonomische Macht der USA wider und zementiert ihre Position als führende globale Wirtschaftsmacht.
  • Finanzmärkte: Aufgrund seiner ausgeklügelten Finanzarchitektur ist der US-Dollar die primäre Währung für internationale Reserven und beherrscht die globalen Finanzmärkte. Dies verschafft den USA einen beträchtlichen Einfluss auf globale Finanzströme und Zinssätze.
  • Politische Macht: Die Vormachtstellung des US-Dollars erlaubt es den USA, ihre außenpolitischen und ökonomischen Ziele durchzusetzen, beispielsweise durch das Verhängen von Sanktionen gegen andere Länder. Die Kontrolle über den Zugang zum internationalen Finanzsystem verstärkt ihre politische und wirtschaftliche Macht.

Es ist meine Überzeugung, dass der US-Dollar nicht primär zum Nutzen wirtschaftlicher Akteure gestaltet wurde, sondern vielmehr dazu dient, die globale Vormachtstellung der USA zu festigen und zu erhalten. Die BRICS-Staaten streben danach, dieser Währungsdominanz ein Ende zu setzen. Sie planen Maßnahmen wie den bilateralen Handel in lokalen Währungen innerhalb der BRICS sowie die Entwicklung alternativer Zahlungssysteme. Dies zielt darauf ab, die US-Dominanz in diesem Bereich zu brechen, der den USA Einblick in weltweite Zahlungsströme gewährt. Zur Stärkung der finanziellen Zusammenarbeit und als Alternative zu den von den USA und ihren Verbündeten dominierten Institutionen wurden multilaterale Einrichtungen wie die New Development Bank (NDB) und das Contingent Reserve Arrangement (CRA) ins Leben gerufen. Ebenfalls bedeutsam ist, dass einige BRICS-Länder, insbesondere China und Russland, ihre Goldreserven signifikant aufgestockt und begonnen haben, ihre Devisenreserven zu diversifizieren. Dies dient dem Ziel, die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern.

DWN: Wird Gold denn beim Aufbau von Alternativwährungen zum Dollar eine Rolle spielen? Wird es Währungen mit Gold- oder Rohstoffdeckung geben?

Thomas Bachheimer: Einige mögen diese Ansicht jetzt als antiquiert oder stark libertär empfinden, doch meiner Meinung nach sollte Geld nicht in der Hand des Staates, sondern in der der Wirtschaftsakteure liegen – und das sind wir alle. Die Geschichte zeigt uns leider viel zu oft, dass staatlich monopolisierte und zentral verwaltete Währungssysteme in Katastrophen enden.

Und nun nach fünf Jahrzehnten der Dominanz dieser staatlich organisierten Schuldgeldsysteme treten deren Schwächen und die wahre (Ohn-)Macht des Währungsorganisators zutage und die Katastrophe wird absehbar. Dass das seit 1971 vorherrschende Geldregime irgendwann an sein natürliches Ende kommen würde, beginnt nun auch der „Mann auf der Straße“ zu verstehen. Es ist klar, dass nach dem Zusammenbruch des aktuellen Systems ein neues Paradigma entstehen muss.

Ich bin davon überzeugt, dass nach Abschluss der derzeitigen geopolitischen Umwälzungen die Zeit der Währungsmonopole vorbei sein wird. Und obwohl sich die Ereignis-Achse einigermaßen vorhersagen lässt, bleibt der genaue Zeitpunkt ungewiss – ganz im Sinne Einsteins Theorie, dass Zeit relativ ist, besonders in Bezug auf währungstechnische Entscheidungsmonopole. Wir werden eine Vielfalt von konkurrierenden Währungen sehen, einschließlich goldgedeckter Währungen. Diese sollten aber nicht durch staatliche Anordnungen, sondern durch Vereinbarungen zwischen Handelspartnern entstehen. Besonders im Energie- und Rohstoffsektor erwarte ich, dass solche Währungen vorgeschlagen werden und Akzeptanz finden.

Die gesamte Währungs-Entwicklung deutet auch auf einen bedeutenden Machtwechsel hin: Weg von den traditionellen Finanzmächten hin zu den rohstoffproduzierenden Ländern. Erstmals seit über 50 Jahren werden nicht die Konsumenten, sondern die internationalen Produzenten bestimmen, wie Geschäfte abgerechnet und bezahlt werden. Dies wird unweigerlich auch die Preisgestaltung für Rohstoffe und Energie beeinflussen.

DWN: Ist der Wert von Gold denn tatsächlich unverwüstlich?

Thomas Bachheimer: Gold ist ein unverwüstlicher Vermögenswert einerseits. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Gold, trotz gewisser Volatilität, über Jahrzehnte hinweg seinen Wert bewahrt. Es gibt grundsätzlich zwei Arten der Kapitalzerstörung: In Kriegszeiten können physische Vermögenswerte wie Immobilien, Produktionsanlagen und Kunstwerke beschädigt oder zerstört werden. Edelmetalle hingegen, aufgrund ihrer Versteckbarkeit, bieten eine sichere Möglichkeit, Werte durch diese turbulenten Zeiten zu schützen. In Friedenszeiten kommt es immer wieder zu Finanz- und Bankenkrisen, während derer traditionelle Anlagen wie Aktien, Sparbücher und Währungen oft massiv an Wert verlieren.

Im Gegensatz dazu steigt die Wertschätzung für Edelmetalle. Erfahrene Anleger lagern ihr Gold privat, um sich vor finanziellen Krisen und staatlichem Zugriff zu schützen, da nicht registriertes Vermögen am besten vor Kapitalzerstörung und Enteignung schützt. Daher kann man mit Sicherheit sagen, dass Edelmetalle, insbesondere Gold, eine größere Beständigkeit als alle anderen Anlageformen oder Währungen aufweisen. Andererseits kann Gold auch eine unverwüstliche Geldgrundlage sein. Es gab Zeiten, in

denen Fiat-Geld so entwertet wurde, dass es wie Laub im Wind durch die Straßen wehte, ohne dass sich die Menschen die Mühe machten, es aufzuheben. Im Gegensatz dazu gab es nie eine Situation, in der Goldmünzen als wertlos erachtet und ignoriert wurden.

DWN: Ebenfalls hoch gehandelt wird die Krypto-Währung Bitcoin. Kann man denn wirklich nichts falsch machen, wenn man Bitcoin kauft?

Thomas Bachheimer: Die Kryptowährungswelt bietet eine faszinierende Alternative zum bestehenden Geldsystem. Und selbst wir vom Goldstandard Institut, als Befürworter des traditionellsten Geldregimes der Welt, erkennen den Wert, den Kryptowährungen bieten können. Allerdings wäre es naiv zu behaupten, dass Investitionen in Kryptowährungen

risikofrei sind. Diese neue Anlageklasse befindet sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, gekennzeichnet durch hohe Volatilität, begrenztes Vertrauen und das Risiko, dass einige Kryptowährungen sich als evolutionäre Sackgassen erweisen könnten – also als Währungen, die nicht funktionieren oder vom Markt nicht angenommen werden. Daher sehe ich Kryptowährungen eher als ein Anlagegut für erfahrene Anleger oder solche mit einer hohen Risikotoleranz.

Die Einführung von Krypto-ETFs an der Wall Street verkompliziert die Angelegenheit weiter. Bislang waren Kryptowährungen in ihrem Preisfindungsprozess weitgehend autonom, getrieben durch Angebot (beschränkte Verfügbarkeit) und Nachfrage. Jetzt jedoch müssen sie sich mit der zusätzlichen Komplexität auseinandersetzen, dass Akteure des Fiat-Geldsystems – sprich die Wall Street – in diesen neuen und ernsthaften Konkurrenzbereich eingreifen können. Nach den ETFs werden wahrscheinlich Derivate folgen, und mit dem praktisch unbegrenzt vermehrbaren Fiat-Geld können diese Akteure über Derivatebörsen fast ungehindert auf die Preisbildung von Kryptowährungen einwirken, obwohl deren Verfügbarkeit naturgemäß begrenzt ist.

DWN: Ist denn der Wert von Kryptowährungen an irgendeine Form von Produktivität gekoppelt?

Thomas Bachheimer: Der Wert von Bitcoin ist tatsächlich an Produktivität gekoppelt und ähnelt in dieser Hinsicht stark den Edelmetallen. Im Gegensatz zu Fiat-Währungen, die durch das einfache Drücken eines Knopfes und die damit verbundene Neuverschuldung entstehen, wird Bitcoin durch vorher geleistete Arbeit erschaffen. Die Terminologie im Krypto- Bereich spiegelt dies wider: Bitcoins werden "gemined" oder geschürft, nicht einfach "erzeugt". Bitcoin und andere Kryptowährungen verkörpern somit den grundlegenden geldwirtschaftlichen Grundsatz, dass Gelderzeugung an vorherige Produktivität gebunden sein muss. Geld, als Weiterentwicklung des Tauschhandels, setzt voraus, dass man etwas produziert oder im Tausch gegen etwas Produziertes erworben hat, bevor man handeln kann.

Allerdings verdient die Art der Produktivität, auf der das Bitcoin-System basiert, auch eine kritische Betrachtung. Während traditionelles (Tausch-)Geld durch für die Gesellschaft sinnvolle Produktion entsteht – wie im Beispiel des Fischers und des Tischlers, die ihre Produkte tauschen – beruht die Schöpfung von Bitcoin lediglich auf Rechenleistung. Diese ist zwar eine Leistung, aber sie trägt nicht direkt auf sinnstiftende Weise zum Wohle der Gesellschaft bei.

Das Bitcoin-Whitepaper und Mechanismen wie das Halving stellen sicher, dass eine inflationäre Entwicklung der Geldmenge ausgeschlossen ist, solange das Kryptosystem keine zentralen Steuerungseinheiten, (vergleichbar mit Zentralbanken) einführt und dezentral agiert. Im Gegenteil: Die Anzahl der jährlich erzeugten Einheiten nimmt stetig ab.

DWN: Wollen Sie vor dem Hintergrund sich verschiebender Machtachsen auf dem Globus einen Ausblick auf die nächsten fünf Jahre werfen? Was wird aus dem Dollar? Und was aus dem Euro?

Thomas Bachheimer: Die Ereignisse der 2010er und der bisherigen 2020er Jahre signalisieren deutlich, dass die Nachkriegsordnung und die traditionellen Machtzentren wie die Weltbank, der IWF und die UNO an Macht, Einfluss und vor allem an Respekt einbüßen. Der Umgang mit der eigenen Machtposition wurde von diesen Institutionen in den vergangenen Jahrzehnten oft als unsensibel wahrgenommen. Vor allem die Schwellenländer, die zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen, zeigen sich immer unzufriedener mit den Machtdemonstrationen des Westens.

Die Ent-Dollarisierung, ein Prozess, der über Jahrzehnte leise voranschreitet, reflektiert diese Veränderungen in beeindruckenden Zahlen. Der Anteil des US-Dollars an den globalen Währungsreserven ist von 75 Prozent im Jahr 2000 auf 58 Prozent im Jahr 2022 gesunken. Auch bei internationalen Transaktionen fiel die Dominanz des US-Dollars von 66 Prozent im Jahr 2016 auf 60 Prozent im Jahr 2022. Diese Entwicklungen markieren eine signifikante Trendwende im globalen Währungsgefüge und könnten erst der Anfang sein.

Mit der Entstehung einer neuen rohstoff- und wirtschaftlichen Supermacht in Form der BRICS-Staaten, die trotz fehlender strikter Verträge mit einer Stimme spricht, dürfte sich der Prozess der Ent-Dollarisierung weiter beschleunigen. Es ist jedoch unrealistisch anzunehmen, dass der Dollar in nur wenigen Jahren vollständig abgelöst wird. Seine überlegene Struktur und die Rolle, die er über Jahrzehnte hinweg global gespielt hat, sichern ihm eine fast monopolartige Stellung. Erst durch die Bemühungen der BRICS um ein neues Währungssystem habe ich die geniale Konstruktion und die evolutionäre Entwicklung des US-Dollars erkannt – und das als Kritiker des US-Dollars/Euros und Befürworter eines natürlichen, selbstregulierenden Geldsystems wie dem Goldstandard, muss auch ich mich vor Ehrfurcht vor den Architekten des USD verneigen, die ihr Hauptaugenmerk auf eine bestimmte Komponente gelegt haben: Den Netzwerkeffekt.

Der Netzwerkeffekt verstärkte die Dominanz des US-Dollars, indem er dessen Nutzung attraktiver machte, je mehr Menschen ihn akzeptiert und verwendet haben. Diese weite Verbreitung förderte internationale Handelstransaktionen, globale Investitionen und die Reservewährungsfunktion, da Vertrauen und Effizienz im globalen Wirtschaftssystem stiegen. Dadurch entstand eine sich selbstverstärkende Schleife: Je mehr der Dollar genutzt wird, desto unverzichtbarer wird er für den internationalen Handel und Finanzmärkte, was ihn einzigartig macht und seine Stellung als Weltleitwährung zementiert.

Weitere Aspekte, die den US-Dollar schwer ersetzbar machen sind seine Finanzarchitektur, kombiniert mit legislativem Druck, militärischem Einfluss und Sanktionismus. Dies aber führt in Zeiten bröckelnder Dominanz weltweit zu Spannungen. Die Gefährdung des Weltfriedens ist dabei ein ernstes Thema, denn historisch gesehen führte der Untergang regionaler oder globaler Reiche oft zu turbulenten Zeiten. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildete der Zusammenbruch der Sowjetunion, der erstaunlich diszipliniert und mit minimalen menschlichen Verlusten vonstatten ging – ein Ergebnis der charakterlichen Beschaffenheit der damaligen Staatsführung und ihrer Gegenspieler im Westen. Heute scheint es allerdings unwahrscheinlich, dass der Westen im Falle eines Machtverlustes ähnlich diszipliniert agieren würde. Angesichts der Entwicklungen der letzten zehn Jahre ist etwa auch von der russischen Staatsführung und ihren Verbündeten keine Konzilianz gegenüber einem schwindenden Westen zu erwarten.

Der Euro, auch eine Währung, die gegen den wirtschaftlichen Akteur aber für Politik, Bürokratie und Finanzwelt geschaffen wurde, hat es sich meiner Meinung nach ohnehin nicht verdient, weiter zu wursteln. Er wird wahrscheinlich noch vor dem USD spätestens aber mit seinem großen Bruder das Zeitliche segnen.

Info zur Person:

Thomas Bachheimer ist seit 2020 Chefökonom des österreichischen Edelmetall-Handelshauses GVS/Goldvorsorge und baut seit 2022 in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Filiale der GVS auf. Er ist speziell in den Bereichen der Wirtschaftsanalyse bekannt. Bachheimer war über 10 Jahre Gastanalyst für Edelmetalle und Energie-Rohstoffe für diverse US-TV-Sender (CNBC Bloomberg, Reuters) und ist auch als Redner und Kommentator in verschiedenen Medien, klassisch und online, präsent, wo er seine Perspektiven zu Wirtschafts- und Finanzthemen teilt. Seit 2016 betreibt er die Wirtschaftsplattform bachheimer.com. Bachheimer ist der Generalsekretär des Goldstandard Institutes Europa, einer Organisation, die sich für die Rückkehr zum Goldstandard als Basis des Währungssystems einsetzt, und er vertritt häufig Ansichten, die sich kritisch mit der Fiat-Währungspolitik, der Schuldenwirtschaft und den Praktiken der Zentralbanken auseinandersetzen


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