Politik

Bekommt die Ukraine Taurus oder nicht? Ampel-Koalition liefert keine Antwort!

Die Ukraine bittet um weitere Waffenlieferungen, im Fokus stehen dabei derzeit Marschflugkörper wie das deutsche System Taurus. Ob die Ukraine diese Waffe, mit der auch Ziele hinter der Frontlinie zerstört werden können, bleibt weiterhin offen. Und es gab heute auch andere Vorgänge im Bundestag, die rund um das Thema Waffenlieferungen offen blieben.
22.02.2024 19:01
Aktualisiert: 22.02.2024 19:01
Lesezeit: 3 min

Rätselraten im Bundestag: Die Ampel-Koalition fordert die Regierung zur Lieferung weiterer Waffen mit großer Reichweite auf. Wie das zu verstehen ist, bleibt nach der heutigen Bundestagsdebatte offen. Fakt ist: Die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) wurde vom Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Koalition aufgefordert, der Ukraine zusätzliche «weitreichende Waffensysteme» für den Abwehrkampf gegen Russland zu liefern.

Offen blieb am Donnerstag aber, ob damit die Marschflugkörper Taurus gemeint sind, die sich durch eine hohe Treffsicherheit und eine Reichweite von 500 Kilometern auszeichnen. Grüne und FDP verstehen den von der Koalition beschlossenen Antrag zum Ukraine-Krieg überwiegend so, die SPD dagegen «nicht zwingend». Ein CDU/CSU-Antrag, in dem Taurus explizit genannt wird, fand am Donnerstag im Bundestag keine Mehrheit.

Bundeskanzler Scholz hatte bereits am Mittwoch über seinen Regierungssprecher Steffen Hebestreit ausrichten lassen, dass er derzeit weiterhin nicht beabsichtigt, die Raketen zu liefern. Er selbst hat das Wort «Taurus» zuletzt nicht einmal mehr in den Mund genommen. An der Debatte im Bundestag nahm der SPD-Politiker nicht teil. Auf der Tribüne nahm aber der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev Platz.

Klitschko: Taurus-Lieferung «eine der wichtigsten Fragen»

Die Ukraine bittet eindringlich um die Raketen, mit denen sie den Nachschub für die russischen Truppen an der Front kappen will. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagte der Deutschen Presse-Agentur, dies sei «eine der wichtigsten Fragen» für die Ukraine. «Wir verteidigen unser Land. Und deswegen brauchen wir Taurus. Wir können damit die Militärlogistik der Russen zerstören.» Er erwarte von der Bundesregierung eine positive Entscheidung.

Die Regierung in Kiew hatte die Taurus-Marschflugkörper bereits im Mai vergangenen Jahres bei der Bundesregierung erbeten. Im Oktober lehnte Kanzler Scholz eine Lieferung vorläufig ab. Dahinter steckt die Befürchtung, die Raketen könnten russisches Territorium treffen, was Deutschland möglicherweise in den Konflikt hineinziehen würde.

SPD wollte Taurus nicht im Antrag

Die drei Ampel-Fraktionen hatten lange um die Formulierung zu Taurus in ihrem Antrag zu zwei Jahren russische Invasion in der Ukraine und zehn Jahren russische Annexion der Halbinsel Krim gerungen. Die SPD verhinderte schließlich, dass die Marschflugkörper ausdrücklich genannt wurden. FDP und Grüne wären dafür gewesen. Für den Antrag stimmten 382 Abgeordnete, dagegen 284. Es gab 2 Enthaltungen.

Als Kompromissformel wird nun die Lieferung von «zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen» verlangt. Dies wird folgendermaßen begründet: «Insbesondere muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien durchzuführen und ihre Soldatinnen und Soldaten vor den vielgestaltigen Attacken des russischen Militärs bestmöglich schützen zu können.»

FDP-Politikerin Strack-Zimmermann stimmt Unions-Antrag zu

Als Reaktion auf die Zurückhaltung der Koalition legte die Union einen eigenen Antrag vor, der die Lieferung von Taurus ausdrücklich fordert. Der wurde vom Bundestag aber mehrheitlich (182 Ja, 480 Nein, 5 Enthaltungen) abgelehnt. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann stimmte allerdings zu – ein ungewöhnlicher Vorgang. Normalerweise lehnen Koalitionsabgeordnete Anträgen der Opposition prinzipiell ab. «Ich möchte mir nicht eines Tages vorwerfen lassen, im richtigen Augenblick nicht das Richtige getan zu haben», begründete Strack-Zimmermann ihre Entscheidung.

Pistorius: «Das kann ich nicht beantworten»

Die Union fragte im Bundestag immer wieder Koalitionsredner, ob mit der Formulierung der zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensysteme auch Taurus gemeint sei. Verteidigungsminister Boris Pistorius musste sich diese Frage ebenfalls gefallen lassen. «Das kann ich nicht beantworten», sagte der SPD-Politiker. «Ich habe den Antrag gelesen. Die Antragsteller werden sich ihren Teil dabei gedacht haben. (…) Ich bin nicht Mitglied der Fraktion.» Pistorius gehört anders als zum Beispiel Kanzler Olaf Scholz zwar der Regierung, aber nicht dem Bundestag an.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich sagte für die SPD, mit der Formulierung sei «nicht zwingend» Taurus gemeint. «Es ist eine Interpretationsfrage (...). Fakt ist: Wir haben an dieser Stelle keine rote Linie gezogen.» Auch der Kanzler hat die Lieferung von Taurus noch nie grundsätzlich ausgeschlossen.

Merz dringt auf Taurus-Lieferung

CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz appellierte eindringlich an die Koalition, der Ukraine zu liefern, was sie zu ihrer Verteidigung brauche. «Die Ukraine erhält weiterhin nicht in vollem Umfang das Material, das sie dringend benötigt, um den russischen Angriffskrieg wirksam abzuwehren», sagte er.

Der CDU-Verteidigungspolitiker Johann David Wadephul forderte den Kanzler auf, endlich einmal zu sagen, was denn das große Problem mit der Taurus-Lieferung sei. «Niemand weiß es. Wir haben dazu keine rationale Erklärung bekommen.» Die Öffentlichkeit, die Ukraine und der Bundestag hätten aber einen Anspruch darauf, dies zu erfahren. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ukraine-Krieg: Frieden zwischen Ukraine und Russland kann neue Aktienrallye in Europa auslösen
20.04.2025

Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas leidet in besonderem Maße unter den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. Hohe...

DWN
Politik
Politik Was sich im Mai ändert: Neue Namensregeln, schärferer Biomüll-Kurs und Abschied von Skype
20.04.2025

Im Mai 2025 kommen wichtige Änderungen auf Bürger zu: Neue Nachnamensregeln für Familien, strengere Biomüll-Kontrollen, digitale...

DWN
Finanzen
Finanzen Ride Them Out: Den richtigen Moment in der Börsen-Blasen-Strategie finden
20.04.2025

Die Finanzwelt steht immer wieder vor der Frage, wie man in turbulenten Zeiten richtig handelt. Dieser Artikel beleuchtet, warum es oft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Abschottung statt Gastfreundschaft: Trumps zweite Amtszeit trifft Amerikas Tourismusindustrie
20.04.2025

Internationale Reisende meiden die USA – Fälle willkürlicher Festnahmen an den Grenzen häufen sich. Europas Touristen ziehen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shell: Asien als Haupttreiber des LNG-Wachstums bis 2040
20.04.2025

Shell prognostiziert einen Anstieg des globalen LNG-Verbrauchs um 60 Prozent bis 2040, vor allem getrieben durch die steigende Nachfrage in...

DWN
Politik
Politik Asien-Investor: „Jetzt beginnt Trumps Schicksalsvierteljahr“
20.04.2025

Ein schwedischer Analyst in Vietnam sieht das Weiße Haus vor einem Finanzbeben – und erkennt zugleich geopolitische Chancen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands Brücken sind marode – reicht eine Finanzspritze aus?
20.04.2025

Deutschlands Brücken sind in einem kritischen Zustand – ein aktuelles Beispiel ist die A100-Brücke in Berlin. Die sogenannte...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...