Politik

Lieferkettengesetz scheitert vorerst im EU-Rat - Wirtschaft erleichtert

Das EU-Lieferkettengesetz scheitert vorerst erneut im EU-Rat. Der deutsche Mittelstand kann sich darüber freuen. Zuletzt hatte es an dem geplanten Gesetz immer wieder starke Kritik gegeben.
29.02.2024 06:30
Lesezeit: 2 min
Lieferkettengesetz scheitert vorerst im EU-Rat - Wirtschaft erleichtert
Bevor das Lieferkettengesetz zur endgültigen Abstimmung ins Europaparlament kommt, muss es erst eine deutliche Mehrheit im EU-Rat erreichen. Dies ist nun wieder einmal gescheitert. (Foto: dpa) Foto: Jean-Francois Badias

Die EU-Länder haben sich nicht auf das umstrittene Lieferkettengesetz einigen können - zur Freude der deutschen Wirtschaft. Der vorliegende Kompromiss habe nicht die notwendige Mehrheit erhalten, wie die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch in Brüssel mitteilte. Für eine endgültige Abstimmung im Europäischen Parlament wäre eine "qualifizierte Mehrheit" von 15 EU-Ländern erforderlich gewesen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. In der Ampel-Regierung waren SPD und Grüne für eine Zustimmung, die FDP dagegen. Nach den Koalitionsregeln muss sich die Bundesregierung daher enthalten. Die Liberalen befürchten etwa, dass sich Betriebe aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa zurückziehen.

Es ist noch unklar, ob nun über das Vorhaben nochmal neu verhandelt wird. Im Dezember hatte es eigentlich bereits einen Kompromiss zwischen Unterhändlern der beiden Institutionen gegeben.

In der umstrittenen Richtlinie sollen Unternehmen verpflichtet werden, die Einhaltung von Menschenrechten bei ihren Lieferanten sicherzustellen. Angewendet werden sollten die Vorgaben auf EU-Firmen mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Konzernumsatz von über 150 Millionen Euro. Mit dem Gesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. Bei Verstößen sollen Strafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes fällig werden. Deutsche Firmen sind bereits einem nationalen Lieferkettengesetz unterworfen.

FDP ist zufrieden

Die FDP-Fraktion zeigte sich im Bundestag erfreut über das vorläufige Scheitern der EU-Lieferketten-Richtlinie. "Die Beratungen heute in Brüssel zeigen deutlich, dass die Lieferketten-Richtlinie ein unausgegorenes Vorhaben ist", sagte der FDP-Fraktionschef Christian Dürr am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Nicht nur die FDP in Deutschland hat ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht. Auch in anderen Ländern, etwa Frankreich und Italien, war die Sorge groß, dass alle Unternehmen durch die neuen bürokratischen Auflagen stark geschwächt werden."

Dürr sagte, die Lieferketten-Richtlinie in ihrer jetzigen Form würde absurde Bürokratie mit sich bringen und unsere Wirtschaft insgesamt schwächen. "Das wollten wir als Freie Demokraten nicht zulassen. Die FDP wird auch in Zukunft nur Vorhaben zustimmen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken und unsere Wirtschaft in Deutschland und Europa wieder nach vorne bringen."

Erleichterung in der Wirtschaft

Aus der Wirtschaft gab es beipflichtende Stimmen. "Der deutsche Mittelstand ertrinkt auch ohne zusätzliche Belastungen aus Brüssel in Berichtspflichten und einer Flut von Fragebögen", sagt der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. "Wettbewerbsfähigkeit steigert man nicht, indem eine schlechte Regelung auf ganz Europa ausgeweitet wird." Die geplante europäische Richtlinie helfe den Menschenrechten nicht, schade den mittelständischen Unternehmen und erschwere die Diversifizierung der Lieferketten. "Auch das deutsche Lieferkettengesetz muss deshalb jetzt dringend überarbeitet werden", fordert Jandura.

Ähnlich sieht das der Verband der Familienunternehmer. "Ich bin sehr erleichtert, dass nun der Weg frei ist, um eine praktikablere und effektivere Regulierung zu erarbeiten", sagte deren Präsidentin Christine Ostermann. (mit Material von dpa und Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Boom zu Neuverträgen – eine Prognose
15.11.2025

Laut ifo sind Neuverträge in Großstädten um 48 Prozent teurer als Bestandsverträge. Das, so Experten, ist nicht nur ein Problem für...